Kommunikation im Büro:AW: AW: AW: Schluss damit!

E-Mail-Flut eindämmen: Arbeitgeber muss Regeln für CC setzen

E-Mails waren mal eine geniale Erfindung. Doch heute nerven 160 ungelesene Mails im Posteingang.

(Foto: dpa-tmn)

Einst eine geniale Erfindung, heute nur noch eine Plage: Es wird Zeit, die E-Mail abzuschaffen.

Kommentar von Felicitas Wilke

Und, heute schon in Ihre Mails geschaut? Wer Montagmorgen den Computer im Büro hochgefahren und einen Blick in den Posteingang geworfen hat, braucht sich für die nächste halbe Stunde oft nichts vorzunehmen. Neben Spam-Mails tummeln sich Newsletter, die man doch nicht liest, Nachrichten, in die man sicherheitshalber CC gesetzt wurde, die einen aber meist nicht betreffen, und allerlei krudes Zeug. 848 Milliarden E-Mails wurden in Deutschland im vergangenen Jahr versendet und empfangen, das waren zehn Prozent mehr als im Jahr zuvor. Den Überblick über ihre Mails haben die meisten Menschen längst verloren. Ein sinnvoller Vorsatz für die Fastenzeit wäre es daher, diesem Wahnsinn ein Ende zu bereiten.

Denn die E-Mail verkompliziert vieles, das man am Telefon oder persönlich schnell besprechen könnte. Bis die Anrede, das Anliegen und die Schlussformel in die Tasten gehauen sind, hätte man sich auch vom Platz erheben und zum Kollegen gehen können und sich dabei obendrein bewegt - soll ja auch wichtig sein. Sitzt der Adressat der Nachricht nicht auf dem gleichen Stockwerk oder gar in einer anderen Stadt, lassen sich viele Antwortschleifen vermeiden, indem man zum Hörer greift und persönlich miteinander spricht.

Die E-Mail ist ein Symbol für Aufschieberitis und Unverbindlichkeit. Wer eine Mail schreibt, fühlt erst mal beim Gegenüber vor, statt das womöglich unangenehme Anliegen persönlich vorzutragen. Soll er oder sie sich dann zurückmelden, wenn es passt. Bloß niemanden überrumpeln, bloß nicht gleich die Dinge klären, die sich in vielen Fällen rasch besprechen ließen. Dass das Gegenüber vielleicht nicht die siebenunddreißigste E-Mail an dem Tag beantworten möchte, bedenken viele nicht. Und schreiben weiter Mails, die mit jedem AW: Re: AW: zunehmend passiv-aggressiv werden.

Doch selbst wer flink tippt und stets den richtigen Ton trifft, entkommt nicht der schieren Masse an E-Mails, die jeden Tag im Eingang landen. So sehr man sich auch müht, sie schnell zu beantworten, irgendwann sind sie doch mit einem roten Fähnchen markiert, das anzeigt: Beantworte ich später. Aus Stunden werden Tage, aus Tagen manchmal nie. Um sich wenigstens ein bisschen besser zu organisieren und das Lesen und Beantworten der E-Mails über den Tag zu verteilen, schauen viele auch nach Feierabend "noch mal kurz" in die Mails. Und bleiben hängen. Und antworten. Daraus entsteht ein Teufelskreis, in dem Berufliches und Privates komplett verschwimmen. Manchen Menschen macht das nichts aus - vielen aber schon.

Einige Arbeitgeber haben deshalb schon vor einiger Zeit richtige Zeichen gesetzt, um die Probleme mit den Mails in den Griff zu bekommen. Bei VW können Tarifbeschäftigte zwischen 18.15 Uhr und sieben Uhr keine elektronische Post empfangen und werden so zu ihrem Glück gezwungen, nach Feierabend abzuschalten. In Notfällen kann man immer noch zum Telefon greifen - aber eben nur dann. Der IT-Dienstleister Atos hat die E-Mail sogar weitgehend abgeschafft, dort kommunizieren die Mitarbeiter über ein internes soziales Netzwerk, über Instant-Messaging-Dienste und per Telefon.

Es wird Zeit, sich einzugestehen, dass E-Mails ihren Zweck verfehlen

Hier sollten alle Unternehmen ansetzen, die für sich reklamieren, ein zeitgemäßer Arbeitgeber zu sein. Wird Wissenswertes auf einem digitalen schwarzen Brett zentral abgespeichert, kann jeder die Informationen gezielt abrufen, wenn es nötig ist. Mit Messaging-Diensten wie Slack wird formloser (aber nicht unbedingt unfreundlicher) kommuniziert als per Mail, außerdem sind sie meist übersichtlicher gestaltet. Zumindest in der internen Kommunikation ist die Mail also längst obsolet.

Keine Frage, die E-Mail war einst eine geniale Erfindung. Sie hat Kommunikation schneller, einfacher und günstiger gemacht und ermöglicht uns, mit einer Nachricht viele andere Menschen zu kontaktieren. Aber genau diese Möglichkeit birgt die Gefahr, völlig unbeteiligte Menschen über riesige Verteiler mit Mails zu überhäufen, die zu lesen und zu löschen wertvolle Zeit kostet. Kein Mensch hatte früher an einem Tag 50 Briefe im Briefkasten. 50 Nachrichten im E-Mail-Eingang sind hingegen völlig normal.

Es wird Zeit, sich einzugestehen, dass E-Mails ihren Zweck längst verfehlen. Und es wird Zeit zu fasten. Ein Anfang ist getan, wenn man sich bei jeder angefangenen Nachricht fragt, ob es sie wirklich braucht. Idealerweise macht die Führungskraft mit und ruft eine freiwillige Selbstverpflichtung aus, von Aschermittwoch an nur noch maximal fünf E-Mails pro Tag zu schreiben. Probieren wir's aus.

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