Nordische Kombination:Pokern im Schnee

FIS Nordic World Ski Championships - Men's Nordic Combined HS109 Team

Schlussspurt auf schmalen Brettern: Der Norweger Magnus Riiber (links) erreicht knapp vor dem Oberstdorfer Vinzenz Geiger in Seefeld das Ziel.

(Foto: Lars Baron/Getty Images)

Zum Abschluss der Titelkämpfe sichern sich die deutschen Kombinierer die Silbermedaille in der Staffel. Der Wettkampf bietet großes Drama zwischen Luft und Loipe - und formt aus ehrgeizigen Solisten ein Team.

Von Volker Kreisl, Seefeld

Als Johannes Rydzek wieder aus dem Schnee aufgestanden war, sich erholt hatte und seinen misslungenen Lauf kommentieren sollte, sagte er: "Von der letzten Runde weiß ich nichts mehr." Blau gelaufen war der beste deutsche Kombinierer der vergangenen Jahre, schwarz war ihm vor Augen, aber das machte nichts. Denn er war nur der Erste in der Staffel, und das Rennen begann recht bald wieder neu.

Dieser Mannschaftswettkampf bei der Ski-WM war für die erfolgsverwöhnten deutschen Kombinierer mehrmals scheinbar früh verloren. "Wir waren schon zweimal tot," sagte Bundestrainer Hermann Weinbuch, und trotzdem ging es irgendwie immer weiter. Und anders als bei manch monotonen deutschen Siegen zuletzt ging es für alle Favoriten diesmal hoch und runter und wieder hoch, ehe am Ende feststand, dass Norwegen neuer Staffel-Weltmeister ist, vor Deutschland und Österreich und den viertplatzierten Japanern. Davor sahen die Zuschauer auf Schanze und Loipe einen Vierkampf, der wichtiger fürs Image der Sportart war als alle spektakulären Rekorde, weil er alles enthielt: Drama, Spannung und Komödie.

Erstmals gefühlt rausgeflogen waren die Deutschen am Vormittag, nachdem auch der Letzte als Skispringer zu kurz gelandet war. Weil Österreicher und Japaner auch dank Aufwindes weit flogen, durften Weinbuchs Kombinierer erst 41 Sekunden dahinter in die Verfolgung über vier mal fünf Kilometer starten. Die Aufstellung war notgedrungen riskant. Weil es darum ging, schnell aufzuholen, ließ Weinbuch Rydzek, seinen Besten, zu Beginn ran, und als der nach zweieinhalb Kilometern wilder Jagd aufgeschlossen hatte, war das Comeback geschafft.

Wenngleich nur für fünf Minuten.

Der Schnee war auch diesmal sulzig und tief, und Rydzek büßte am langen Anstieg für seine erste Runde. Er fiel sogar so weit zurück, dass die Österreicher auf einmal an Gold dachten, denn ihr Startläufer Bernhard Gruber hatte bei der Übergabe 59,5 Sekunden Vorsprung. Doch auch diese Hoffnung erwies sich als verfrüht, es folgten ja noch drei Etappen, und für die Deutschen ging nun Eric Frenzel in die Spur.

Er erwischte einen besseren Tag. Im Schnitt fünf Sekunden pro Zwischenzeit machte er zunächst gut und wurde immer schneller - zugleich verließen den Führenden Mario Seidl aus St. Veit im Pongau die Kräfte. Als Frenzel an Fabian Rießle übergab, lagen nur noch 11,5 Sekunden zwischen den Deutschen und der Spitze.

Nach zirka 500 Metern schloss Rießle auf, alle Rückstände waren egalisiert, und zusammen mit Norwegen ging es als einsames Trio weiter. Japan war abgehängt und irgendwann auch ganz aus dem Spiel, weil Hideaki Nagai der Stock brach. Eigentlich brauchte es jetzt nur noch den Schlusssprint, und alle hätten weiter ziehen können zur Siegerzeremonie. Das Problem dabei für die drei Teams: Es waren noch neuneinhalb Kilometer zu laufen.

Für Weinbuch war es aber schon jetzt ein Etappensieg. Seit Jahren hat er die Luxusprobleme einer Mannschaft, bei der alle vier Leute Einzelmedaillen gewinnen können, die aber manchmal um den Rang des Teambesten streiten. Der Ehrgeiz hatte dazu geführt, dass sich die Deutschen bei Olympia und anderswo vor der Ziellinie gegenseitig störten, sogar umrannten, und dass Weinbuch immer wieder den Mannschaftsgeist mit Gemeinschaftsaktionen beleben musste. Ein Rennen voller Comebacks wie das am Samstag aber bringt mehr als alle Gespräche: "Wir waren heute ein Team, es ist immer jemand in die Bresche gesprungen", sagte Weinbuch, dessen Kombinierer schon zwei Goldmedaillen in Seefeld errungen hatten.

Zunächst aber mussten Rießle und der Oberstdorfer Vinzenz Geiger noch ihren Part absolvieren. Vorspulen ließen sich die verbleibenden 25 Live-Minuten schlecht, aber sie waren ja durchaus unterhaltsam. Erst verlegten sich alle aufs Durchschnaufen, dann einigte man sich stillschweigend auf einen Waffenstillstand, der dann immer wieder gebrochen wurde. Ausreißversuche endeten jeweils nach wenigen Sekunden, wobei der Österreicher Franz-Josef Rehrl fast noch gestürzt wäre. Das Trio zuckelte durch die Loipe wie ein Rennwagen mit gestörtem Antrieb.

Spannend blieb's dennoch, und die Zuschauer wussten: Auch diese Strecke hat ein Ende, und die Drei trödeln auf einen Showdown zu. Der baute sich dann auf wie eine Brandungswelle. In der letzten langen Anfahrt auf den kleinen Hügel vor dem Ziel nahmen alle drei Läufer plötzlich Tempo auf, stampften den letzten Anstieg hinauf, dann gewann eben der beste Pokerspieler, aber das war nicht Geiger, sondern Norwegens Schlussläufer Jarl Magnus Riiber.

Er verzögerte auf der Kuppe kurz, worauf Geiger hereinfiel, und als Riiber mit zwei flinken Schritten davonhüpfte, war der Abstand in der Abfahrt Richtung Ziel zu groß. "Da hab ich ein bissl geschlafen", sagte Geiger. 21 Jahre alt ist er erst, gilt aber wegen seiner Sprintqualitäten schon als wichtiger Teil dieses Teams und einer ferneren Zukunft.

Ob sich dieser Sport selber irgendwann zu einer Topsparte des Winters entwickelt, bleibt abzuwarten. Zu aufwendig ist er, zu wenig Ertrag bringt er dem Einzelnen. Und allzu oft kommt es auch nicht vor, dass die drei besten Nationen eine derartige Show bieten. Für den Moment aber war es Werbung für die nordische Kombination.

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