FSJ Denkmalschutz:Mit Spatel, Harke und Schubkarre

Fachwissen in verschiedenen handwerklichen Tätigkeiten können junge Leute im Freiwilligen Sozialen Jahr Denkmalschutz erwerben. Spezialisieren kann man sich etwa auf Restaurierung oder Gartenbau.

Von Joachim Göres

"Ich habe auf diversen Baustellen meine Grenzen ausloten können. Ich habe bei minus 15 Grad Steine geschleppt, in zwölf Meter Höhe Schäden an einem Giebel kartiert, Farbe gemischt mit Kuhdung als Bindemittel, beobachtet, wie sich Brandkalk auf 200 Grad erhitzt, und war früh um neun Uhr beim Saukopfessen dabei", berichtet Anna Gunzelmann von ihrem Jahr in der Jugendbauhütte Regensburg und fügt hinzu: "Das Schönste jedoch war, all diese liebenswerten, fürsorglichen, schrulligen, allwissenden, witzigen Menschen kennenzulernen."

14 Jugendbauhütten gibt es in Deutschland. Dort können junge Leute im Alter von 16 bis 26 ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) in der Denkmalpflege machen. "Wir nehmen gerne auch Bewerber mit zwei linken Händen. Für uns ist die Motivation entscheidend, praktische Vorkenntnisse oder Noten sind es nicht", sagt Ivalu Vesely, Leiterin der Jugendbauhütte Lübeck. Dort sind die Freiwilligen zum Beispiel bei der Restaurierung von Kirchen in Lübecks Altstadt oder andernorts in Schleswig-Holstein bei archäologischen Grabungen und als Helfer bei Arbeiten auf Traditionsschiffen im Einsatz. 22 Plätze hat die Jugendbauhütte Lübeck, mehr als 150 Bewerbungen gehen jedes Jahr ein. "Je früher man sich bewirbt, umso größer sind die Chancen, zum September bei uns anfangen zu können. Ab Mitte Mai sind wir manchmal schon voll", sagt Vesely.

Archäologie, Architektur, Archiv, Garten- und Landschaftsbau, Gemälderestaurierung, Museumspädagogik, Schiffbau, Steinrestaurierung, Tischlerei, Zimmerei - es gibt ganz unterschiedliche Einsatzorte, je nach Schwerpunkt der jeweiligen Jugendbauhütte. Die Einsatzstellen werden von erfahrenen Handwerkern, Denkmalpflegern und Architekten geleitet, die die Freiwilligen betreuen. Der 18-jährige Wendelin Brockhage ist seit September im Schlosspark Altdöbern in Brandenburg dabei, einen einstmals verwilderten Landschaftspark wieder in Schuss zu bringen. "Wir machen archäologische Grabungen, um 300 Jahre alte Wege wieder zu finden, bauen neue Wege, roden viel, pflanzen um, bauen aus selbst gefällten Bäumen Holzbrücken", sagt Brockhage. Wie alle anderen Bauhüttler in Altdöbern hat er seinen Motorsägenschein gemacht, denn die Motorsäge ist ein wichtiges Werkzeug für die Arbeit in den Gärten und Parks. Neben praktischen Kenntnissen im Lehmbau und für Stuck- sowie Zimmermannsarbeiten werden von Fachleuten auf mehrtägigen Bildungsseminaren auch theoretische Grundlagen der Gartenkunst und der Gartendenkmalpflege vermittelt.

In den Bauhütten ändern manche ihre Pläne: Lieber Ausbildung als Studium - oder umgekehrt

Brockhage gefällt neben der Arbeit selbst vor allem die Atmosphäre: "Wir haben einen Landschaftsarchitekten, der die Arbeit verteilt. Dabei können wir viel mitwirken, wir diskutieren zum Beispiel darüber, wo ein neuer Weg am besten verlaufen soll." Zur guten Stimmung trotz körperlich harter Arbeit zu ungewohnten Zeiten für den Abiturienten - montags bis freitags von sieben bis 15.45 Uhr - trägt auch die Gruppe der Bauhüttler in Altdöbern bei. Sie wohnen zu acht in einem Haus, die Teilnehmer stammen aus Spanien, Italien, Weißrussland, Frankreich und Großbritannien. "Wir verstehen uns gut, machen viel zusammen und lernen so Toleranz. Mit unseren unterschiedlichen Fähigkeiten ergänzen wir uns gut", sagt Brockhage. Wegen der niedrigen Miete kommt er mit seinen monatlich 400 Euro gut aus. Ursprünglich wollte er nach der Schule eine Tischlerlehre machen - nach den positiven Erfahrungen in der Jugendbauhütte Gartendenkmalpflege möchte er nun mit einem Studium der Arboristik beginnen.

Auch für Emma Krahnstöver hat sich nach wenigen Monaten Jugendbauhütte die Zukunftsplanung vollkommen geändert: "Eigentlich wollte ich Literaturwissenschaft studieren, doch jetzt will ich eine Tischlerlehre machen und danach Restaurierung studieren. Ich weiß, dass Mädchen im Handwerk nicht verbreitet sind, aber der Wille zählt, und ich fühle mich durch die Zeit hier in Quedlinburg ermutigt." Die 19-Jährige hat bereits Aufmaß für ein altes Haus genommen, Estrich in einem Kloster verlegt. Sie hat auch in Seminaren das Buchbinden und Schmieden kennengelernt. Krahnstöver wohnt mit anderen FSJ-lern in einem alten Fachwerkhaus in der Quedlinburger Altstadt, dass von ihren Vorgängern restauriert wurde.

Quedlinburg war 1999 die erste Jugendbauhütte, die von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz initiiert wurde. Heute gibt es in allen Flächenländern bis auf Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und das Saarland Standorte; ein Projekt läuft länderübergreifend in Stralsund und im polnischen Stettin. Träger sind die Internationalen Jugendgemeinschaftsdienste.

Bisher haben mehr als 5000 junge Menschen das FSJ Denkmalschutz absolviert, etwas mehr Frauen als Männer. 65 Prozent der jährlich etwa 300 neuen Bauhüttler haben das Abitur, 20 Prozent einen Real- oder Hauptschulabschluss, 15 Prozent eine Ausbildung oder ein Studium absolviert. Drei Viertel von ihnen bleiben danach im Handwerk beziehungsweise beginnen an einer Hochschule mit Architektur, Restaurierung oder einem ähnlichen Studium. Teilweise wird das Jahr als Vorpraktikum für ein Studium oder im Handwerk als erstes Lehrjahr anerkannt.

Wolf-Dieter Wittig ist Einsatzstellenleiter der Jugendbauhütte Quedlinburg. Der Schmiedemeister bringt den Bauhüttlern die Grundlagen der Metallbearbeitung bei. "Viele arbeiten oft freiwillig länger. Die Begabung macht zehn Prozent aus, der Fleiß 90 Prozent", sagt Wittig, der auch in seinem seit 1678 bestehenden Betrieb in Wernigerode junge Leute ausbildet.

Laut Silke Strauch, bei der Deutschen Stiftung Denkmalschutz für die Jugendbauhütten zuständig, liegt die Abbrecherquote für das FSJ Denkmalschutz bei weniger als fünf Prozent. Sie berichtet von vielen Kontakten, die die jungen Leute bei der Arbeit und in den insgesamt sechs Wochen dauernden Seminaren knüpfen. Und noch etwas anderes freut sie: "Sie erkennen mit der Zeit billige Plastikfenster oder eine schlechte Pflasterung. Nach einem Jahr haben sie einen ganz anderen Blick und schätzen handwerkliche Qualität."

Nähere Informationen zum FSJ Denkmalschutz finden sich unter www.jugendbauhuetten.de

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