Artenvielfalt:Aiwanger verschärft Ton im Streit um neues Naturschutzgesetz

Kabinettssitzung Bayern

"Die Initiatoren des Volksbegehrens sind auf unsere politische Unterstützung angewiesen", sagt Aiwanger.

(Foto: dpa)
  • Die Staatsregierung lehnt einige Forderungen des Volksbegehrens für ein neues bayerisches Naturschutzgesetz offenbar ab.
  • Das würde bedeuten, dass die Wahlberechtigten im Herbst über zwei Gesetzesinitiativen abstimmen dürften: über die des Bienen-Volksbegehrens auf der einen und die des Landtags auf der anderen Seite.
  • Im Umfeld von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) wird darauf verwiesen, dass einige Forderungen des Artenvielfalt-Volksbegehrens rechtlich nicht optimal formuliert seien.

Von Lisa Schnell und Christian Sebald

Am ersten runden Tisch zum Volksbegehren Artenvielfalt haben sich die Teilnehmer sehr versöhnlich gezeigt - allen voran der Bauernverband. Nicht nur dessen Präsident machte klar, dass ihm an einem besseren Schutz der Natur und der Artenvielfalt in Bayern gelegen sei. Inzwischen zeigt sich, dass es mit der Versöhnlichkeit nicht so weit her ist. Die Staatsregierung will offenbar einige Forderungen des Volksbegehrens für ein neues Naturschutzgesetz nicht übernehmen. Zumindest nicht in der Form, wie das die von ÖDP, Grünen und Landesbund für Vogelschutz (LBV) angeführte Initiative und die 1,75 Millionen Unterstützer des Volksbegehrens verlangen. Das würde bedeuten, dass die Wahlberechtigten im Herbst über zwei Gesetzesinitiativen abstimmen müssten: über die des Volksbegehrens auf der einen und über eine vom Landtag erarbeitete Alternative auf der anderen Seite.

Vize-Ministerpräsident und Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW) bringt die kritische Haltung von Schwarz-Orange offen auf den Punkt. Er spricht sich klar gegen eine Übernahme des Gesetzesvorschlags des Volksbegehrens durch Landtag und Staatsregierung aus. "Denn dann nähmen wir Dinge an, die fachlich nicht wasserdicht sind", sagt er. Ein Beispiel für eine aus seiner Sicht rechtlich problematische Forderung ist, dass die Bauern künftig zehn Prozent der Wiesen nicht vor dem 15. Juni mähen sollen - damit Bienen und andere Insekten zumindest bis zu diesem Zeitpunkt ausreichend Blumen und damit Nektar finden.

So ein Ziel, sagt Aiwanger, könne nicht gesetzlich verordnet, sondern nur durch neue Förderprogramme für die Bauern erreicht werden. Das gleiche gelte für die Forderungen nach einem Biotopverbund und 30 Prozent Ökolandwirtschaft. "Die Initiatoren des Volksbegehrens sind auf unsere politische Unterstützung angewiesen", sagt Aiwanger. Wenn sie einen besseren Naturschutz wollten, müssten sie kooperieren. "Sonst könnten wir die Arme verschränken und es werden dann viele Ziele des Volksbegehrens eben nicht erreicht, weil es kein Geld gibt."

Auch im Umfeld von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) wird darauf verwiesen, dass einige Forderungen des Volksbegehrens rechtlich nicht optimal formuliert seien. Allein deshalb brauche es wohl einen alternativen Gesetzesvorschlag. In der Staatskanzlei bemüht man sich allerdings um einen versöhnlichen Ton. Ziel sei freilich eine konsensuale Lösung mit der Initiative. Also eine, die nicht nur die Mängel des Volksbegehrens heile. Sondern noch mehr Natur- und Artenschutz bringe - indem zum Beispiel auch noch die Kommunen in die Verantwortung genommen würden. ÖDP, Grüne und LBV haben diese in ihrem Volksbegehren außen vor gelassen.

Die Träger des Volksbegehrens reagieren sehr empfindlich auf solche Äußerungen. "Unser Gesetzesvorschlag steht", sagt die ÖDP-Politikerin Agnes Becker. "Wir wollen weder von ihm zurück, noch können wir das." LBV-Chef Norbert Schäffer sagt: "Die Forderungen des Volksbegehrens sind nicht verhandelbar, allein schon weil sich 18,4 Prozent der Wahlberechtigten klar dafür ausgesprochen haben." Der Grünen-Politiker Ludwig Hartmann fordert deshalb, dass der Landtag den Gesetzesvorschlag "am bestens eins zu eins" übernehmen und - gleichsam obendrauf - zusätzliche eigene Initiativen anstoßen solle. Auch Schäffer und Becker plädieren für dieses Vorgehen. Denn es habe zwei große Vorteile, sagt Becker. "Erstens entfällt der immense organisatorische und finanzielle Aufwand für die Volksabstimmung im Herbst. Zweitens können wir dann in aller Ruhe am runden Tisch über zusätzliche Maßnahmen beraten." Streitpunkte wie den Mahd-Zeitpunkt am 15. Juni nennen Becker, Schäffer und Hartmann "Kleinigkeiten". Vieles könnte im Rahmen einer Rechtsverordnung geregelt werden.

Derweil hat das Volksbegehren erneut massive Unterstützung erfahren. Nach einer repräsentativen Umfrage des Hamburger Institut GMS im Auftrag des Fernsehsenders Sat1 wollen 84 Prozent der Wahlberechtigten in Bayern beim anstehenden Volksentscheid für eine Verschärfung des Natur- und Artenschutzes stimmen. Zwölf Prozent lehnen die Initiative ab, der Rest äußerte sich nicht. Der Umfrage zufolge überwiegt die Zustimmung im gesamten politischen Spektrum des Landtags. So gaben alle Grünen-Wähler an, bei einem Volksentscheid mit Ja stimmen zu wollen. Aber auch 87 Prozent der CSU-Wähler, 81 Prozent der SPD-Anhänger, 77 Prozent der FDP-Wähler, 68 Prozent der FW-Anhänger und 51 Prozent der AfD-Wähler.

Der Moderator des runden Tisches zum Volksbegehren und frühere Landtagspräsident, Alois Glück (CSU), hat nun eine denkbar schwierige Aufgabe. Er soll die zum Teil konträren Positionen zusammenführen. Nach dem ersten runden Tisch vor drei Wochen spricht Glück dieser Tage mit Vertretern von jedem Verband und jeder Organisation, die in das Gremium berufen worden sind. Aus diesem Grund äußert er sich derzeit nicht zu den jeweiligen Forderungen. Nach einem weiteren runden Tisch in der dritten März-Woche sollen Arbeitsgruppen eingerichtet werden. Und am 22. März wird im Landtag ein ganztägiges Symposium für einen besseren Natur- und Artenschutz in Bayern stattfinden.

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