Korruptionsprozess:Pensionierter Richter zweifelt Wolbergs' Eignung als OB an

Joachim Wolbergs Regensburg Korruptionsaffäre Gericht

Ziel der Aussagen von Werner Ebner: Joachim Wolbergs.

(Foto: dpa)

Aus dem Ruhestand fällt der frühere Vizepräsident des Regensburger Landgerichts ein vernichtendes Urteil über das angeklagte Stadtoberhaupt. Darf er das? Der Verteidiger spricht von einem Skandal.

Von Andreas Glas, Regensburg

Peter Witting schnauft ins Telefon. "Unglaublich", schimpft er, "völlig inakzeptabel." Witting ist der Strafverteidiger des suspendierten Regensburger Oberbürgermeisters, seit 44 Verhandlungstagen kämpft er im Korruptionsprozess für seinen Mandanten Joachim Wolbergs (SPD). Er tut das leidenschaftlich, oft laut, er kann zynisch sein und witzig. Aber jetzt, am Telefon, ist er nicht zum Scherzen aufgelegt, Faschingsdienstag hin oder her. "Der Wahnsinn", sagt Witting.

Was ihn so zornig macht? Ein Beitrag, der am vergangenen Samstag beim Nachrichtenportal Regensburg Digital erschien. Überschrift: "Ist Joachim Wolbergs als Oberbürgermeister geeignet?" Fazit: Es gebe "erhebliche, nicht ausräumbare Zweifel an der Integrität und Fähigkeit" des OB. Verfasst hat den Beitrag kein Journalist, sondern Werner Ebner, der vor zwei Jahren noch Vizepräsident jener Behörde war, die derzeit den Korruptionsprozess gegen OB Wolbergs verhandelt: des Regensburger Landgerichts.

Dass ein Ex-Richter öffentlich und noch vor dem Urteilsspruch die Tauglichkeit des OB anzweifelt, ist für Witting ein Skandal: "Es gibt ein sogenanntes Mäßigungsgebot für Richter. Das gilt aus meiner Sicht auch für einen Richter im Ruhestand", sagt der Wolbergs-Anwalt.

Ebners Gastbeitrag war kurzzeitig auch in der digitalen Samstagsausgabe der Mittelbayerischen Zeitung (MZ) erschienen, ganzseitig. Doch in der gedruckten Zeitung fehlte der Beitrag, aus der Digitalausgabe verschwand er ebenfalls wieder. Wieso? Keine Ahnung, sagt Ebner, das habe ihn selbst "höchst erstaunt". Die MZ-Chefredaktion war derweil nicht für Nachfragen erreichbar.

Sein Beitrag sei keine strafrechtliche, sondern "eine rein politische Bewertung", rechtfertigt sich Ebner, 67. "Ich würde niemals ein Urteil im strafrechtlichen Sinne über Herrn Wolbergs fällen, das wäre eine Anmaßung." Eine politische Bewertung stehe ihm dagegen zu, das verbiete ihm auch kein Gesetz, "ich bin ja kein Richter mehr, ich bin Pensionist", sagt Ebner.

Nicht verboten, aber problematisch: Das sagen Richter und Anwälte über Ebners Gastbeitrag. Zumal Ebner dem OB in seinem Beitrag abspricht, was dessen Anwalt wiederum bei Ebner vermisst: Mäßigung und Zurückhaltung. Ein Oberbürgermeister, schreibt Ebner, "hat durch sein Verhalten der Achtung und dem Vertrauen gerecht zu werden, die sein Beruf" erfordern. Doch Wolbergs falle im Gerichtssaal durch "unbeherrschtes, lautes Verhalten und seine despektierlichen Bemerkungen gegenüber den Staatsanwälten im Prozess" auf. Darin, dass der OB der Ermittlungsbehörde Willkürjustiz vorwirft, sieht Ebner den Versuch, "das Ansehen des für die Funktionsfähigkeit unseres Rechtsstaats bedeutsamen Rechtspflegeorgans zu beschädigen und das Vertrauen der Bevölkerung in dessen Funktionsfähigkeit zu erschüttern". Dies stelle "einen gravierenden Verstoß gegen seine Pflicht als kommunaler Wahlbeamter dar", schreibt der Ex-Richter über OB Wolbergs.

Auch sonst geizt der Beitrag nicht mit Kritik am SPD-Politiker. In der Einleitung spielt Ebner auf Wolbergs' Ankündigung an, im Falle eines Freispruchs im Frühjahr 2020 erneut bei der OB-Wahl zu kandidieren. Hierzu schreibt Ebner: "Er verkennt dabei jedoch die politische Bedeutung und Tragweite seiner im Zusammenhang mit dem Strafprozess offenkundig gewordenen Äußerungen, Handlungen und Unterlassungen. Seine Eignung für das Amt hängt nämlich nicht nur von seiner strafrechtlichen Unschuld ab."

Wolbergs-Anwalt kündigt juristische Schritte gegen Ebner an

Weiter diagnostiziert Ebner bei Wolbergs "Selbstüberhöhung", "unbedingtes Machtstreben" und er äußert "den Verdacht einer wechselseitigen Abhängigkeit" zwischen dem OB und dem mitangeklagten Bauunternehmer Volker Tretzel, aus dessen Umfeld rund 475 000 Euro auf ein SPD-Konto flossen. Auch der Umstand, dass Tretzels Firma private Handwerkerrechnungen für Wolbergs übernommen und seiner Mutter und Schwiegermutter Rabatte bei Wohnungskäufen gewährt habe, sei "geeignet, das Vertrauen vieler Menschen in den Oberbürgermeister nachhaltig zu erschüttern".

Eine rein politische Bewertung? "Unsinn", sagt Wolbergs-Anwalt Peter Witting, da seien "selbstverständlich rechtliche Bewertungen" dabei. Näher äußert er sich nicht, kündigt aber juristische Schritte gegen Ebner an. Er gehe davon aus, dass Ebner mit seinem Beitrag auf Regensburg Digital gegen das Richtergesetz verstoßen habe, sagt Witting. Darin heißt es, dass ein Richter sich "innerhalb und außerhalb seines Amtes" so zu verhalten habe, dass "das Vertrauen in seine Unabhängigkeit nicht gefährdet wird".

Und was sagt das Regensburger Landgericht über den Gastbeitrag des früheren Vizepräsidenten? Man prüfe derzeit eine Stellungnahme, sagt Sprecher Thomas Polnik. Hört sich nicht so an, als plane das Gericht ein Dankesschreiben.

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