Weltpremiere in Ebersberg:Friedloses Elysium

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Sprachkünstler aus Berlin: Werner Waas und Lea Barletti bei einem ihrer Auftritte im Moosacher Meta Theater. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Das Arkadien-Festival bietet einen weiteren Höhepunkt: Herbert Achternbuschs bislang letzter Bühnentext feiert Uraufführung durch ein Berliner Ensemble

Von Anja Blum

Der Verlag hätte sich vermutlich eine größere, wichtigere Bühne gewünscht als die Galerie des Ebersberger Kunstvereins. Und doch passt die Uraufführung von "Arkadia" von Herbert Achternbusch dorthin wie vermutlich nirgends anders. Schließlich findet im beschaulichen Ebersberg derzeit das deutschlandweit erste Arkadien-Festival statt: Der Kunstverein hat seine Jahresausstellung erstmals unter ein Motto und dazu ein vielschichtiges Rahmenprogramm auf die Beine gestellt. Performances, Vorträge, Diskussionsrunden und vieles mehr verwenden den alten Topos Arkadien, um die Probleme der Gegenwart zu beleuchten und zu diskutieren.

Die beiden Berliner Theatermacher Werner Waas und Lea Barletti bringen Achternbuschs Werk am Samstag, 9. März, beim Kunstverein auf die Bühne - nachdem er es lange mit sich herumgetragen habe, wie Waas erzählt. Er kennt Achternbusch sehr gut und schon viele Jahre, zeichnete für einige Erstaufführungen und Kunstausstellungen des Münchners in Italien verantwortlich. "Vor etwa zehn Jahren dann hat er mir diesen Text in die Hand gedrückt", erzählt Waas. In der Folge habe er mehrere Versuche gestartet, sich dem Stück zu nähern, habe es mit Freunden gelesen, mit Kollegen "angeprobt". Doch irgendwie seien diese Initiativen immer ins Leere gelaufen, der rechte Schlüssel, so scheint es, war einfach nicht zur Hand. Fest steht: Herbert Achternbuschs Auseinandersetzung mit dem Topos Arkadien ist höchst sperrig. Waas bezeichnet sie gar als Kampf. Nicht umsonst wollte bislang niemand das Werk auf die Bühne bringen, obwohl es längst veröffentlicht ist.

Doch in seinem Fall habe sich das Verhältnis zum Stück mittlerweile gewandelt, so Waas, diesmal sei er ganz bei der Sache - vielleicht habe das etwas mit dem Älterwerden zu tun? Für den Berliner Schauspieler jedenfalls hat "Arkadia" von Achternbusch etwas Testamentarisches: Der Text sei angesiedelt irgendwo in dem wüsten Land zwischen Leben und Tod, verströme eine große Müdigkeit, wirke wie ein Abschied vom Leben und Denken. "Ich will ja nicht so tun, als hätte ich was zu sagen", lautet der letzte Satz im Stück. Ein Alter Ego des Autors spricht ihn aus.

Dass "Arkadia" nun ausgerechnet in Ebersberg Weltpremiere feiert, ist Axel Tangerding zu verdanken: In dessen Moosacher Meta Theater waren Waas und Barletti zuletzt mit Peter Handkes "Kaspar" zu Gast - und lernten dabei den Steinhöringer Aktionskünstler und "arkadischen Botschafter" Peter Kees kennen, Initiator der aktuellen Ausstellung in Ebersberg. Der erzählte von den Festivalplänen des Kunstvereins - und da war die Kooperation für die Uraufführung schnell nur noch eine Formsache. Auch Achternbusch selbst habe "nicht schlecht gestaunt" angesichts eines solch unvermutet ambitionierten Unterfangens im Münchner Umland, erzählt Waas, "und wäre er nicht absolut transportunfähig, würde er sicher kommen."

Dass einer wie Herbert Achternbusch nicht einfach schwärmt vom alten Sehnsuchtsort Arkadien, kann kaum verwundern. Ist der Münchner Autor und Filmemacher doch bekannt für provokante, teils absurde Werke voller Schrecken. Trotzdem hat er sich mit Arkadien, mit griechischen Denkern und Göttern, auseinandergesetzt. Allerdings ist es ihm "nicht der Landstrich des Elysiums, es ist das Bärenland, wo es vieles nicht gibt, was man sich erträumen möchte". So schreibt Achternbusch im Vorwort zu seinem Theaterstück "Arkadia". Und weiter: "1971 fuhr ich vom Meer hinauf. Da war es: Nach einem Gewitter leuchtete das Land zufrieden. Selbst meine Frau war zufrieden. Die Kinder freuten sich schreiend. Auch ich war zufrieden und schwieg." Versöhnliche Worte, die mit einem Schweigen enden: "Arkadia" ist bislang Achternbuschs letzter veröffentlichter Text. Danach verstummte er, und es steht nicht zu erwarten, dass der 80-Jährige das Wort noch einmal ergreifen wird. Eine Handlung im eigentlichen Sinne gibt es nicht: Es treten auf Alkibiades und sein Lehrer Sokrates, sie sind auf ihrer letzten Reise nach Olympia und wohl schon lange tot. Aber das Denken geht noch weiter, es zersetzt unerbittlich alles, was ihm über den Weg läuft, radikal, unvorhersehbar. Achternbusch treibt die Gedanken zügellos voran, bis hin zur Unverständlichkeit, zur Selbstauflösung, zum Erlöschen des Wortes in schwarzer Finsternis. Als "eine Reise ins Nichts, mit Göttern, Denkern, Tieren, Wolken Bauten, Flüssen und viel Bier" wird das Stück angekündigt. Aha.

Die Inszenierung bezeichnet Waas als minimalistisch. Es gebe nur zwei Darsteller in Doppelrollen, ihn selbst und Harald Wissler, auf Achternbuschs Wunsch hin kämen schlichte Masken zum Einsatz, die Szene sei ein tempelartiger, ritueller Ort. Den Text bezeichnet Waas als hart und rau, die Themen als kompliziert, es gebe keinen Frieden, nur ab und an scheine die Idee von Schönheit auf. "Diese Sprache verfliegt wie Wolkenfetzen, ist oft unvollständig, entzieht sich dem logischen Verstehen. Deswegen geht es hier eher um ein kontemplatives Zuhören, um ein Sich-Hingeben." Dann nämlich könne "Arkadia" dem Zuschauer ein sehr intensives Erlebnis bescheren. Ziel der Inszenierung sei, die richtige Atmosphäre für Offenheit und Intimität zu schaffen - "und diese außergewöhnliche Galerie könnte genau der richtige Ort dafür sein. Ich bin jedenfalls sehr guter Dinge", sagt Waas. Na dann, auf nach Arkadien - nein, Ebersberg!

Uraufführung "Arkadia" von Herbert Achternbusch beim Kunstverein Ebersberg in der Alten Brennerei, am Samstag, 9. März, um 19 Uhr. Karten zu 16 Euro (ermäßigt 12 Euro) gibt es an der Abendkasse. Am Sonntag, 10. März ist ab 16 Uhr Finissage. Auf dem Programm: Vergabe des Publikumspreises, die Live-Performance "I'm cutting - transformation" mit Cornelia Melián und Gisela Heide sowie die Vocal-Flute-Drum-Poetrie-Performance "vom dort zum hier" mit Geraldine Frisch und Roland H. H. Biswurm. Der Eintritt ist frei. Die Ausstellung ist freitags von 18 bis 20 Uhr sowie samstags und sonntags von 14 bis 18 Uhr geöffnet.

© SZ vom 07.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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