Gleichberechtigung im Landkreis Starnberg:Frauen an die Macht

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Was sie sich von Europa wünschen, haben Grünen-Frauen anlässlich des Frauentags und der kommenden Europawahl auf Zetteln aufgeschrieben. (Foto: Arlet Ulfers)

In Gemeinderäten und Verbänden im Fünfseenland dominieren bisher die Männer. Das muss sich ändern, meint die Gleichstellungsbeauftragte zum Internationalen Frauentag und startet eine Postkartenaktion.

Von Christine Setzwein, Starnberg

Hundert Jahre nach der Einführung des Frauenwahlrechts sind die Frauen noch weit entfernt von der Hälfte der Macht. Im Starnberger Kreistag etwa sind nur 21 von 60 Mandaten von Frauen besetzt. Von 14 Bürgermeistern sind zumindest sechs weiblichen Geschlechts. Im Gemeinderat Pöcking liegt der Frauenanteil immerhin bei 45 Prozent. Mit nur vier weiblichen Gemeinderäten von insgesamt 20 besetzt Seefeld den letzten Platz im Landkreis Starnberg. Dort befindet sich auch im neuen CSU-Ortsvorstand keine einzige Frau.

Das muss sich ändern, fordert Sophie von Wiedersperg anlässlich des Internationalen Frauentags an diesem Freitag. Mit dem Slogan "Für mich und für andere" macht die Gleichstellungsbeauftragte des Landratsamtes auf die bevorstehenden Europa- und Kommunalwahlen aufmerksam. Unter diesem Motto ließen sich viele gute Gründe für mehr politisches Engagement von Frauen am besten zusammenfassen, meint sie. Dazu zähle auch, sich für das Gemeinwohl einzusetzen und zur repräsentativen Demokratie beizutragen.

Wenn die politischen Gremien möglichst gleich mit Männern und Frauen besetzt würden, könnte davon auch die Politik profitieren, glaubt von Wiedersperg. "Nicht etwa, weil Frauen die besseren Politikerinnen sind, sondern weil geschlechtergemischte Teamarbeit bessere Ergebnisse verspricht." Das nütze nicht nur dem Gemeinwohl, sondern auch den Frauen selbst. Je mehr Frauenpower vorhanden sei, desto einfacher könnten auch politische Themen, die eher die Lebensrealitäten und Sichtweisen von Frauen betreffen, auf die politische Agenda gesetzt werden, da ist sich von Wiedersperg sicher. Für die kommenden Wahlen erstellt das Gleichstellungsteam eine Postkarte mit dem Aufruf "Frauen seid wählerisch". Die Karten sind von Ende März an im Landratsamt und in den Gemeinden erhältlich.

Auch die Kreisgrünen möchten die Frauen wachrütteln. Sie wollen sich dafür einsetzen, dass sich mehr Frauen in die Kommunalpolitik einbringen. "Mindestens 50 Prozent", fordert die Kreisvorsitzende Kerstin Täubner-Benicke. Wie das gehen soll? "Zum einen, dass Frauen sich zur Wahl stellen, zum anderen, dass Frauen Frauen wählen."

Für Ursula Männle sind die Parteien am Zug. Jetzt werden die Listen für die Kommunalwahl am 15. März 2020 vorbereitet. Und jetzt müssten die Parteien und Wählergruppen beweisen, dass sie keine gesetzliche Quotenregelung brauchen und die Listen freiwillig paritätisch aufstellen, sagt die langjährige Bundestags- und Landtagsabgeordnete der CSU, Staatsministerin und Vorsitzende der Hanns-Seidel-Stiftung. Frauen wollten immer gefragt werden und hätten mehr Skrupel als Männer, meint die Tutzingerin. Dabei hätten Frauen so vielfältige Lebenserfahrungen, die sie gerade in der Kommunalpolitik einsetzen könnten. "Nur Mut", ruft sie ihnen deshalb zu. Man könne sich vorbereiten auf neue Aufgaben, sich Mentorinnen suchen und Netzwerke aufbauen. Und keine Scheu haben zu fragen.

Eine, die es nach ganz oben geschafft hat, ist Professorin Ursula Münch. Die Direktorin der Akademie für Politische Bildung in Tutzing weiß, dass es insgesamt schwierig ist, gerade für die kleineren Gemeinden ausreichend viele gute Kandidatinnen und Kandidaten für Kommunalwahlen zu finden. Das habe viel mit der zeitlichen Beanspruchung, den Sitzungsterminen, "aber auch der großen Bereitschaft zu zum Teil unsachlicher Kritik an Mandats-und Amtsträgern zu tun", sagt sie. Und was Frauen in der Kommunalpolitik angeht, hätten gerade Mütter "die berechtigte Befürchtung, dass gerade in kleineren Orten bei einer Kandidatur die gesamte Familie in den Blick gerät".

Wenn es um ehrenamtliches Engagement geht, sind Frauen gern gesehen, ob im Elternbeirat oder auf den eher ungeliebten Posten, etwa als Schriftführerin im Verein. Das "Problem" des ehrenamtlichen Engagements von Frauen sieht auch Münch. Vor allem Mütter engagierten sich häufig in Elternbeiräten und fühlten sich damit angesichts von Erwerbstätigkeit und Familie komplett ausgelastet. Sie hätten das Gefühl, bereits genügend für das Gemeinwohl zu tun. Münch: "Dabei vergessen sie aber, dass sie in anderen Gremien mit fast demselben Zeitaufwand womöglich mehr erreichen könnten."

Während sich also die Frauen ehrenamtlich engagieren, sich um Haushalt und Familie kümmern und sich immer noch mit weniger Geld bei gleichwertiger Arbeit zufrieden geben, machen die Männer die Spitzenposten, vor allem die hochdotierten, gerne unter sich aus. "Natürlich sind Amtsinhaber und aktive Mandatsträger selten auf Konkurrenz erpicht", sagt Direktorin Ursula Münch. Die meisten einflussreicheren Positionen seien im Augenblick überwiegend noch von Männern besetzt, "so stellt sich zwangsläufig der Eindruck ein, dass nur Männer die Pfründe verteidigen".

Dieser Eindruck könnte sich durchaus bei den Kommunalunternehmen im Landkreis einstellen. Die Vorstände der Ammersee Wasser- und Abwasserbetriebe und des Kommunalunternehmens für Abfallwirtschaft im Landkreis Starnberg (Awista) sind: Männer. Der Geschäftsführer des Verbands Wohnen: ein Mann. Der Geschäftsleiter des Abwasserverbands Starnberger See: ein Mann. Der Vorstand der Kreissparkasse München-Starnberg-Ebersberg: vier Männer. Die Geschäftsführer der Gesellschaft für Wirtschafts- und Tourismusentwicklung im Landkreis Starnberg: Männer.

Zum leidigen Thema Geld weiß die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten was. Sie hat herausgefunden, dass im Landkreis Starnberg Frauen in Vollzeit 20 Prozent weniger verdienen als Männer. Danach kommen Männer mit einer Vollzeitstelle auf ein durchschnittliches Bruttoeinkommen von 4006 Euro im Monat, Frauen dagegen nur auf 3220 Euro. Für Gewerkschafterin Christin Stampehl ist das "Diskriminierung per Lohnzettel".

© SZ vom 08.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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