Weltfrauentag:Auf den Straßen und in den Köpfen bewegt sich etwas

Prominente Münchnerinnen erzählen zum Weltfrauentag, wer ihr Frauenbild geprägt - und wie es sich verändert hat.

Von SZ-Autorinnen

Ohne eine Frau namens Clara Zetkin wäre dieser Freitag vielleicht kein internationaler Frauentag. Die Aktivistin schlug im Jahr 1910 einen solchen Tag bei einer Konferenz der sozialistischen Frauen in Kopenhagen vor und im nächsten Jahr feierten manche Länder den Tag bereits - unter anderem auch Deutschland. In den ersten Jahren kämpften die Frauen vor allem für ihr Wahlrecht, später für legale Abtreibungen. Auch heute, in Zeiten, in denen sich in Sachen Gleichberechtigung von Frau und Mann viel getan hat, aber noch immer viel zu tun ist, gehen die Frauen am 8. März wieder auf die Straße. In den vergangenen Jahrzehnten hat sich die Rolle der Frauen stark verändert, und damit haben sich vor allem auch die Frauenbilder gewandelt. Hier erzählen zehn Frauen, wer ihr Frauenbild geprägt hat - und wie es sich im Laufe des Lebens vielleicht verändert hat.

Vom Theater des Fußballspiels

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(Foto: Stephan Rumpf)

Julia Riedler, Schauspielerin: "Bis zum Gymnasium hatte ich nur Jungs als Freunde, war mit denen Fußball spielen, snowboarden, Judo kämpfen. Wir trugen die selben Klamotten und redeten über die selben Sachen. Dann kamen wir in die Pubertät und da habe ich gespürt, dass wir ab jetzt verschieden sind. Plötzlich waren sie Männer und ich eine Frau. Die haben mich sogar aus dem Fußballverein geschmissen. Weil es in meiner Heimat noch keinen Frauenverein gab, musste ich mit meinem größten Hobby einfach aufhören. Es war wie in einem Theaterstück: Im ersten Akt macht noch alles Spaß und plötzlich gibt es diese vorgeschrieben Konflikte. Und ich habe eben die Rolle der Frau zu übernehmen, obwohl ich gar nicht danach gefragt habe. Seitdem spiele ich die Frau und ich fange gerade erst an, Spaß damit zu haben. Auch auf der Bühne. Ich musste immer so viel und so ernst darum kämpfen, dass ich beachtet werde, nicht nur meine nackten Beine. Da ändert sich gerade was."

Künstliche Intelligenz

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(Foto: München Klinik / oh)

Andrea Rieber-Brambs, Chefärztin der Klinik für Radiologie und Nuklearmedizin an der München Klinik Neuperlach: "Künstliche Intelligenz kann uns helfen, mehr Gleichberechtigung zu erreichen. Viele der Frauen arbeiten in Teilzeit. Dadurch haben sie einen brutalen Wettbewerbsnachteil. Wenn zwei Menschen gleich begabt sind, wird derjenige, der durchgehend täglich mehr Stunden übt, auch deutlich besser sein. Wenn Sie eine Sprache, ein Instrument, einen Beruf lernen wollen, müssen Sie sehr viel Zeit investieren. Das ist als Arzt dasselbe. Dieser Zeitfaktor wird in der Debatte über Gleichberechtigung häufig einfach ignoriert. Wir haben technisch die Möglichkeit, neue Lösungen zu finden. Wenn Sie mit künstlicher Intelligenz Spezialisten-Wissen verfügbar machen, kann es helfen, fachliche Lücken besser zu schließen. Das Computersystem wird niemals den Arzt ersetzen. In der Radiologie nutzen wir viel künstliche Intelligenz, und die kann helfen, den Anspruch an Work-Life-Balance gerecht zu werden und gleichzeitig den Patienten die bestmögliche Medizin zu bieten."

Weniger Druck

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(Foto: Stephan Rumpf)

Gülseren Demirel, Landtagsabgeordnete der Grünen: "Wir Frauen neigen dazu, uns permanent selbstkritisch zu betrachten. Früher habe ich mich im politischen Kontext sehr unter Druck gesetzt. Das ist eigentlich das Schlechteste, was man tun kann, weil das einen riesigen Stress bereitet. Man sollte sich keinem Perfektionismus und keiner gesellschaftlichen Norm unterwerfen. Mit den Jahren hat sich dieses Verhalten bei mir relativiert, aber ganz frei bin ich nicht davon. Prinzipiell hilft das Gespräch mit Frauen, die in einer ähnlichen Situationen sind. Wichtig ist auch, immer wieder zu reflektieren, wo man selbst steht und sich klar zu machen, dass man nicht alleine ist. Meine Tochter, sie ist jetzt 31, und ihr Mann gehen viel partnerschaftlicher miteinander um, als ich es gewöhnt war. Ich habe noch von zu Hause mitbekommen, dass die Familiensorge Frauensache ist."

Die Freiheit der Röcke

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(Foto: Catherina Hess)

Sophie Becker, Kuratorin: "Bevor ich die Co-Leitung des Theaterfestivals "Spielart" übernahm, war mir nicht klar, dass mein Frausein überhaupt so ein Thema ist. Ich dachte, wir wären weiter mit dem Feminismus. Dann habe ich festgestellt, dass meine Kollegen überproportional viele Theaterarbeiten von Männern anschauen, und ich dann von Frauen. Dadurch perpetuiert sich das System. Als Kind hat man mir vermittelt, ich könne alles erreichen, aber ich solle mich bloß nicht über meine Weiblichkeit definieren. Es ärgert mich, dass von Frauen erwartet wird, männliche Spielregeln anzuerkennen. Ich hab das viel zu lang mitgemacht. Bei meinem ersten Job als Dramaturgin hab' ich gebrüllt wie eine Wahnsinnige und Autorität gespielt, aber so möchte ich nicht sein. Einer meiner emanzipiertesten Schritte war, mir mit Ende 20 die Haare wachsen zu lassen und Röcke zu tragen."

Mit Mut und Mann

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(Foto: Florian Peljak)

Claudia Häfner, evangelische Pfarrerin: "Ich bin 1973 geboren und vergleichsweise modern aufgewachsen. Meine Großmutter hat ganztags gearbeitet, mein Vater auch und meine Mutter halbtags. Ich kenne die klassische Rollenverteilung von daheim daher nicht. Wenn man sich als Frau im Berufsleben durchsetzen will, gehört Mut dazu. Auch in meinem Beruf, schließlich bin ich sieben Tage die Woche, abends und am Wochenende im Einsatz. Gewisse Entbehrungen gehören dazu, wenn man Beruf und Kinder unter einen Hut bringen will. Und man braucht einen Partner, der einen unterstützt. Bei den ersten drei Kindern sind mein Mann und ich abwechselnd zuhause geblieben. Beim vierten habe ich mich dann getraut, gleich nach dem Mutterschutz wieder zu arbeiten. Man muss Lösungen finden, die für einen selbst passen. Und man braucht einen Mann, der das eigene Konzept mitträgt."

Unter Frauen

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(Foto: Stephan Rumpf)

Alexandra Gaßmann, Stadträtin der CSU: "Bei uns in der Familie gab es immer schon ein starkes Frauenbild. Meine Uroma, meine Oma und meine Mutter waren alleinerziehende Mütter. Sie waren auf sich selbst gestellt und haben sich niemals unterbuttern lassen. Ich bin in einem Frauenhaushalt aufgewachsen, in dem immer galt: Wir schaffen das! Es war nicht notwendig, über Gleichberechtigung nachzudenken, denn für uns gab es die schon. Ich habe erst später erfahren, dass bis in die späten Siebzigerjahre die Ehemänner über die Jobs von ihren Frauen entscheiden konnten. Meine Mutter hat immer gearbeitet, meine Oma auch. Als ich 1990 meinen Mann geheiratet habe, war mir klar, ich werde immer ein starkes Frauenbild abgeben. Das Selbstbewusstsein gebe ich heute an meine Töchter weiter. Ich habe fünf Töchter und vier Söhne und mache bei der Erziehung keine Unterschiede, ob es ein Bub oder ein Mädchen ist."

Andere Regeln

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(Foto: Stefan M. Prager)

Marlies Mirbeth, Mitglied des Vorstands der Stadtsparkasse München: "Ich bin mit keinem spezifischen Frauen- oder Männerbild aufgewachsen. Mein Vater ist gestorben, als ich 14 Jahre alt war, und in meiner Familie wurden nie Unterschiede zwischen meinem Bruder und mir gemacht. Ich war schon damals mutig. Später war ich dann oft die erste oder einzige Frau in der Finanzbranche, der eine Führungsaufgabe übertragen wurde. Ich habe mich dabei immer bemüht, zu verstehen, warum Männer mich nicht gleich am ersten Tag voll akzeptieren. Männer stellen in den oberen Ebenen meist die Mehrheit und es gelten ihre Regeln. Diese Regeln muss ich als Frau kennen, um sie zu beeinflussen zu können. Ich werde oft gefragt, ob es einen Unterschied macht, wenn eine Frau mit im Raum ist - das kann ich nicht beurteilen, weil ich keinen Vergleich zu Situationen habe, in denen ich nicht dabei bin. Mittlerweile erlebe ich auch zunehmend Männer, die sich für ein Leben entscheiden, das besser mit einer Familie zu vereinbaren ist, ohne dass es als Schwäche gilt. Die höchste Errungenschaft ist meiner Meinung nach, dass sich Frauen heute frei entscheiden können, welchen Weg im Leben sie einschlagen möchten - aber das heißt noch lange nicht, dass die Voraussetzungen für alle Männer und Frauen für Beruf und Karriere gleich sind."

Keine Prinzessinnen

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(Foto: Florian Peljak)

Anne Hübner, SPD-Stadträtin: "Das Modell meiner Eltern hat mein Frauenbild sehr geprägt: Sie waren beide immer Vollzeit berufstätig. Das funktionierte, weil sie sich wirklich gemeinsam um mich und meine zwei jüngeren Geschwister gekümmert haben. Ich bin ja in Dresden groß geworden, da war die Kinderbetreuung lange besser organisiert als in den westlichen Bundesländern. Ehrlich gesagt, ich konnte mir nie etwas anderes vorstellen, als Kind und Beruf zu verbinden. Nach der Geburt meiner Tochter war ich ein Jahr zu Hause, das war's dann auch. Ich habe nicht gern Märchen vorgelesen, mir gefällt die Prinzessinnenhaltung nicht. Mit Sorge sehe ich das Frauenbild wieder stark von Schönheit und Selbstdarstellung geprägt. Man muss Mädchen klar machen, dass auch kurze Haare okay sind und es cool ist, einen Computer auseinanderzunehmen."

Kampf gegen Klischees

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(Foto: Florian Peljak)

Sophia Kroidl, Sprecherin der Münchner Stadtschülervertretung: "Ich bin in der privilegierten Position, dass ich noch nie das Gefühl hatte, aktiv diskriminiert worden zu sein. Aber je ich mehr ich mich mit dem Thema Gender auseinandersetze, desto mehr werden mir alltägliche Dinge bewusst, die diskriminierend sind und mich genauso betreffen wie alle anderen Frauen. Gleichberechtigung ist auch in meiner Generation noch ein wichtiges Thema. Es gibt immer noch die klassischen Frauen- und Männerrollenbilder, die einen ziemlich unter Druck setzen können. Gerade in der Pubertät bemühen sich Mädchen, möglichst mädchenhaft zu sein und Jungen, möglichst männerhaft aufzutreten. Man hat das Gefühl, sich besonders "geschlechtstypisch" verhalten zu müssen, um anderen zu gefallen. Und Leute, die dagegen ankämpfen, haben es teilweise schon schwer. Viele Lehrer und Schüler fanden auch die Me-Too-Debatte übertrieben. Eine Lehrerin hat das bei uns in der Klasse angesprochen und gesagt, dass sie das für Quatsch halte. Unsere Generation ist aber verantwortlich dafür, dass sich in Zukunft etwas verändert, im Berufs- und Familienleben, und auch in Beziehungen. Es ist wichtig, dass jede Schule ein Bewusstsein für diese Themen vermittelt."

Nicht wie einer von den Jungs werden

Alev Canoğlu, Gründerin: "Mein Frauenbild war lange Zeit vor allem von meiner Mama geprägt. Von ihr habe ich mitbekommen, dass Frauen alles anpacken können. Entweder alleine oder damals wie bei mir Zuhause zusammen mit dem Mann. Meine Eltern haben als Team funktioniert und sich alles ziemlich gleichberechtigt aufgeteilt. Es war damals unter den türkischen Migrantenfamilien im Ruhrgebiet eine Seltenheit, dass eine Frau genauso viel arbeitet wie der Mann und am Ende des Monats genauso viel Geld reinbringt. Aber in meiner Familie war es selbstverständlich, dass Weiblichkeit mit Erfolg und mit Ambitionen verbunden ist. Ich war deshalb auch immer überzeugt davon, dass ich mit meiner Weiblichkeit genau das gleiche erreichen kann wie alle anderen. Erst als ich angefangen habe, Informatik zu studieren, wurde ich stutzig. Ich hatte das Gefühl, dass ich meine Weiblichkeit unter all den Männern runter schrauben muss, habe versucht nicht so sehr aufzufallen als Frau. Ich hatte den Eindruck, dass es auch gut ankam, wenn ich weniger weiblicher war - wobei ich mir nicht sicher bin, ob ich das vielleicht auch so sehen wollte. Wenn ich wichtige Besprechungen hatte, habe ich damals bewusst kein Make-up aufgelegt. Ich habe das auch von anderen Frauen gehört, dass sie das machen, wenn sie einen Vortrag halten. Am Anfang habe ich mich vor allem über diese Situation beklagt, doch irgendwann habe ich mich gefragt, was kann man dagegen machen. So kam mein Netzwerk "Female Tech Leaders" zustande, mit dem ich Frauen in der Branche fördern will. Ich verstehe es heute als meine Mission, meine Weiblichkeit auszudrücken. Wenn ich öffentlich auftrete, versuche ich mich so zu kleiden, wie ich das wirklich möchte. Vielleicht auch in einem Crop Top, also einem kurzen Oberteil, und einer hochgeschnittenen Hose, um jungen Frauen zu zeigen, dass man sich nicht bieder anziehen muss, um erfolgreich zu sein. Man muss nicht wie einer von den Jungs werden."

© SZ vom 08.03.2019 / ratz - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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