Doping-Affäre:Kronzeuge und Beschuldigter

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Johannes Dürr. (Foto: imago)

Der österreichische Langläufer Johannes Dürr steht vor den Trümmern seines Sportlerlebens.

Von Johannes Knuth, München

Rückblende zu Jörg Jaksche, dem ehemaligen Radprofi, der einst über Doping im Peloton auspackte, geächtet wurde und nicht mehr in seinen Sport zurückfand. Wobei Jaksche darüber später nicht unglücklich war. Denn als Rückkehrer wäre er wohl wieder ins alte Raster zurückgefallen, wie er im Gespräch mal erzählte: "Weil der Fahrer eben in seine Petrischale zurückkehrt, quasi in sein Bakterienbecken, wo das alles gedeiht." Oft treffe man auf alte Bekannte, die predigten, dass es ohne Stoff nicht geht. Der eben noch Geläuterte frage sich bald: "Was interessiert mich eigentlich meine Moral? Mir geht es doch um soziale Sicherheit, um Verträge!" Wie ein trockener Alkoholiker, dessen alte Kumpels weiter in der Kneipe hocken, weshalb er irgendwann auch wieder dorthin rennt.

Acht Jahre ist das her, der Kronzeuge Patrik Sinkewitz, ebenfalls ein Radprofi, war damals wieder als Doper erwischt worden - wenn auch unter merkwürdigen Umständen. Jaksches Worte klingen jedenfalls aktueller denn je. Unter der Woche war der österreichische Langläufer Johannes Dürr für einen Tag festgesetzt worden: Jener Doper also, der sich nach einem Positivtest 2014 geläutert gab, Geld für sein Comeback einwarb, nebenbei die Blutbeutel beim Sportarzt Mark Schmidt in Erfurt deponierte und bis Dezember 2018 anzapfte, ehe er Schmidt zuletzt auffliegen ließ. Dürr ist nun beides, Kronzeuge und Beschuldigter, und als solcher gewährte er jetzt noch mal Einblicke in eine verquere Gedankenwelt, die in sich wiederum durchaus schlüssig wirkt.

"Da waren zwei Persönlichkeiten in mir. Nicht schizophren, aber da war der Leistungssportler Johannes und der Mensch Johannes", sagte der 31-Jährige der ARD. Der Mensch, der zuletzt vor vielen Kameras und Mikrofonen saß, der habe beteuert, das "ist ein Blödsinn, das darf man nicht machen, davor muss man andere warnen". Und dann sei da der Leistungssportler gewesen, der geflüstert habe: "Wenn du Leistungen bringen willst, dann musst du es machen", das Nachtanken. Spitzensportler wachen ja jeden Tag mit demselben Gedanken auf: Wie komme ich heute auf Hochtouren? Und Dürrs Leistungen sackten nach Ablauf der Sperre erst mal in den Keller. Einmal, so Dürr, habe er gar überlegt, Schmidts Geschäft zu übernehmen, weil der angeblich nicht mehr in der Schattenwelt des Sports operieren wollte.

Dürr hatte vor wenigen Wochen auch der SZ ein großes Interview gegeben, und auf die Frage, ob der Sport einen zum Dopen zwinge, sagte er: "Das würde ich mit Ja beantworten." Nur ahnte man nicht, dass hier nicht der völlig trockene Alkoholiker saß, sondern einer, der zwischendurch mit seinen Freunden wieder durch die Kneipen gezogen war. "Ein erwischter Doper", sagte der ehemalige Manager und Dopingkurier Stefan Matschiner nun der SZ, "wird höchstwahrscheinlich weitermachen, wenn er in seinen Sport zurückkommt."

Für Dürr, den Menschen und Athleten, heißt das nun, dass er vor vielen Trümmern steht, auch wenn er mit seinen Aussagen eine gewaltige Ermittlung angeschoben hat. Das ist, Stand jetzt, das gespaltene Vermächtnis eines, wie er sagen würde, gespaltenen Menschen.

Er sei "ganz sicher nicht Opfer", beteuerte Dürr noch, "ich bin definitiv Täter von dem System, das mich nicht losgelassen hat". Er war sogar "froh", als der Haftbefehl vor ihm lag, weil er diesen inneren Kampf jetzt nicht mehr führen müsse. Er habe nun wirklich alles gesagt, die Gelder seien auch nicht für Schmidts Dopingdienste draufgegangen. Der Mediziner soll ab nächster Woche in München vernommen werden.

© SZ vom 09.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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