Gleichberechtigung:Frauenstimme wählt, zählt, wiegt, siegt

Gleichberechtigung: Die Veranstaltung zum Jubiläum "100 Jahre Frauenwahlrecht" war gut besucht. Der "Sirenenchor" begleitete das Programm mit einschlägigen Liedern.

Die Veranstaltung zum Jubiläum "100 Jahre Frauenwahlrecht" war gut besucht. Der "Sirenenchor" begleitete das Programm mit einschlägigen Liedern.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Das Programm "Schnatternde Gänse und hysterische Furien" erinnert in Wolfratshausen an 100 Jahre Frauenwahlrecht.

Von Arnold Zimprich

Hektisch geht es zu im Waldramer Badehaus. Im Keller, der zum Empfangsraum umgestaltet wurde, ist eine halbe Stunde vor Veranstaltungsbeginn schon einiges los. Man tauscht sich aus an diesem Weltfrauentag. Wenig später werden die Gäste ins Dachgeschoss gebeten. Der eigentliche Ausstellungsraum, wurde heute in eine Bühne verwandelt. Denn der Kulturverein Isar-Loisach und der Historische Verein Wolfratshausen erinnern mit dem Programm "Schnatternde Gänse und hysterische Furien" daran, dass Frauen vor einhundert Jahren das Frauenwahlrecht erstritten haben.

Der "Sirenenchor" des Kulturvereins unter der Leitung von Assunta Tammelleo intoniert Claire Waldoffs "Sabinchen war ein Frauenzimmer" - ein Lied mit bitterbösem Ende, schließlich geht es Sabinchen an den Kragen. Sybille Krafft, Vorsitzende des Historischen Vereins Wolfratshausen, betritt die Bühne. "Es gibt heute vier Gründe, zu feiern" verkündet sie stolz. "Erstens ist heute internationaler Frauentag, der übrigens in Berlin das erste Mal Feiertag ist, zweitens haben wir im Badehaus die erste Feier, drittens wird das Dachgeschoss zum ersten Mal für eine Veranstaltung genutzt und viertens haben wir eigens dafür eine neue Bühne angeschafft". Das Dachgeschoss des Badehauses ist voll besetzt.

Zunächst folgt eine szenische Lesung mit sieben Protagonistinnen (und einem Protagonisten). Die Rollen in dem Hörstück von Karin Sommer werden erwartungsgemäß allesamt von Frauen ausgefüllt - den "schwarzen Peter" hat Wiggerl Gollwitzer gezogen. Sommer hat in ihrem Stück originale Redeprotokolle aus dem bayerischen Landtag dramaturgisch geschickt arrangiert - gut eine Stunde entführt es die Zuschauer in die politische Landschaft vor 100 Jahren und zu den ersten Frauen im bayerischen Landtag.

Der erste Aufreger kommt gleich zu Beginn, eröffnet Kurt Eisner doch die erste Landtagssitzung, bei der auch Frauen anwesend sind, mit "Meine Herren!" Zum Glück weht ihm bald scharfer Wind entgegen - unter anderem von Anita Augspurg und Lida Gustava Heymann, beide Mitbegründerinnen des Verbands für Frauenstimmrecht und Herausgeberinnen der Zeitschrift "Frau im Staat".

Man müsse "diese Furien an die Kette legen" war die damals von nicht wenigen Männern kolportierte Meinung - doch die Frauen ließen sich von solchem Getöse nicht mehr einschüchtern. 1918 hält Roswitha Kempf als erste Frau eine Rede im Parlament, am 12. Januar 1919 finden in Bayern die ersten Wahlen mit Frauenbeteiligung statt, sieben Frauen ziehen schließlich in den bayerischen Landtag ein. Ein bemerkenswerter Etappensieg der Sufragetten, durften doch Frauen bis 1908 noch nicht einmal einer Partei angehören.

Politikerinnen werden jedoch weiter unterdrückt: "Es ist unter der Würde eines jeden Mannes, sich von einer Frau aburteilen zu lassen" lautet nur ein Zitat aus den Redeprotokollen. Doch die Frauen lassen sich nicht einschüchtern. Die Studienrätin Elisabeth Käser bemängelt beispielsweise, dass "der schlechteste Mann an sich schon besser als eine Frau sei". Schließlich stellt Anita Ausgspurg gar einen Antrag auf Ausweisung Hitlers.

Im November 1932 findet die letzte Sitzung, an der Frauen teilnahmen, statt, 1933 ist es mit den Frauen im bayerischen Landtag vorerst ganz vorbei. Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten verschwinden sie aus der bayerischen Politik. Fazit: In 14 Jahren vertraten 14 weibliche Abgeordnete die Interessen von Frauen - was einer Quote von 6 Prozent entspricht. Heute sind es 27 Prozent, wie Sybille Krafft erläutert.

Assunta Tammelleo und ihr Sirenenchor betreten erneut die Bühne - Claire Waldoffs "Raus mit den Männern aus dem Reichstag" wird auf humorige Art vorgetragen. Mit mehr Leben hätte man eine szenische Lesung gar nicht füllen können, die Gäste sind begeistert.

Nach einem kurzen Ausschnitt aus einem Dokumentarfilm Sybille Kraffts über Hildegard Hamm-Brücher zieht das Publikum in den Keller um. Es steht Speed-Dating mit Lokalpolitikerinnen auf dem Programm. Zunächst muss jede Politikerin innerhalb einer Minute ihren Standpunkt zu Frauen in der Politik klar machen. "Es ist nicht leicht, in den Stadtrat zu kommen", sagt Roswitha Bayer von der Wolfratshauser SPD. Jede Partei sehne sich jedoch nach Frauenunterstützung. "Frauen, engagiert euch beizeiten!" appelliert sie. Claudia Drexl-Weile von der CSU hat einen Wunsch: "Frauen müssen mehr zusammenstehen und weniger gegeneinander arbeiten", Sabine Lorenz von der Frauenunion ist "Politik zu wichtig, um sie den Männern zu überlassen. Es gibt zu wenig Frauen im Stadtrat und Kreisrat!" Annette Heinloth von den Grünen unterteilt Lokalpolitiker indes in zwei Gruppen: "Die einen fragen: Wie hamma ausgschaut?" Das seien oft Männer, denen es rein um die Außenwirkung geht. "Den anderen geht es darum, was sie erreicht haben. Frauen arbeiten lösungsorientiert."

"Frauenstimme wählt, Frauenstimme zählt, Frauenstimme wiegt, Frauenstimme siegt" - dieses Zitat von Elly HeussKnapp, der Ehefrau des ersten deutschen Bundespräsidenten Theodor Heuss, macht heute Abend mehrmals die Runde und wird im Chor aufgesagt. Sybille Krafft erinnert zum Abschluss daran, wie schwierig es war, das Frauenwahlrecht zu erkämpfen: "Wir müssen zur Wahl gehen!"

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