Betriebliche Altersvorsorge:Starres Finanzpolster

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Senioren blicken von der Seebrücke in Binz auf den Ostseestrand. (Foto: Jens Büttner/dpa)

Firmen müssen seit Jahresbeginn Geld zur betrieblichen Altersvorsorge zuschießen. Doch es lohnt sich nicht für alle Menschen, über den Arbeitgeber fürs Alter zu sparen.

Von Berrit Gräber, München

Von einer üppigen Betriebsrente im Alter können Millionen Beschäftigte nur träumen, vor allem die jungen Arbeitnehmer. Seit Januar allerdings sind die Arbeitgeber verpflichtet, einen Zuschuss von 15 Prozent zur betrieblichen Altersvorsorge beizusteuern - so will es das neue sogenannte Betriebsrentenstärkungsgesetz. Gut gemeint, aber immer noch zu wenig, finden Experten. Lohnenswert sei das Sparen meist erst ab einem höheren Arbeitgeberanteil. Zudem werden erst einmal nur Neuverträge bezuschusst. Nur wer die Angebote vom Chef penibel nachrechnen lässt, kann tatsächlich ein gutes Geschäft fürs Alter machen.

Das gilt bislang

Seit 2002 haben Arbeitnehmer das Recht auf betriebliche Altersvorsorge. Es gibt fünf verschiedene Modelle. Die früher weitgehend arbeitgeberfinanzierten Pensionszusagen, Absicherungen über Pensionsfonds, Unterstützungs- und Pensionskassen sind jedoch rar geworden. Was vor allem junge Mitarbeiter heute angeboten bekommen, ist eine Direktversicherung, also eine klassische Lebens- oder Rentenversicherung. Vor allem kleinere und mittlere Betriebe greifen darauf zurück.

Zunächst scheint sie auch interessant zu sein: Arbeitnehmer verzichten auf einen Teil ihres Bruttogehalts. Das Geld fließt dafür in den Vertrag, den die Firma für sie abschließt - noch bevor Steuern und Sozialabgaben abgehen. Ob es sich lohnt, eigenes Geld per Entgeltumwandlung in eine betriebliche Altersvorsorge zu stecken, ist aber meist fraglich - und abhängig von vielen Stellschrauben. Schießt der Betrieb mindestens 30 bis 40 Prozent dazu und organisiert profitable Verträge, dann kann der Sparer profitieren, wie Merten Larisch berechnet hat, Altersvorsorgeexperte der Verbraucherzentrale Bayern. Sonst eher nicht. Steuern und die Inflation können dazu beitragen, dass den Arbeitnehmern am Ende eine negative Rendite bleibt.

Das ist neu

Seit Januar 2019 ist ein wenig mehr finanzielles Engagement der Arbeitgeber Pflicht. Mindestens 15 Prozent müssen sie jetzt bei neu abgeschlossenen Verträgen dazugeben. Der Arbeitgeber spart bei der Entgeltumwandlung des Mitarbeiters ja auch, und zwar etwa 20 Prozent an Sozialabgaben (sofern der Arbeitnehmer unterhalb der Beitragsbemessungsgrenzen für die Rentenversicherung und für die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung verdient). Von den gesparten fast 20 Prozent muss er nun mindestens 15 Prozent an den Beschäftigten weitergeben. "Weil auch mehr Zuschuss möglich ist, sollten Arbeitnehmer ruhig fragen, ob die Firma noch freiwillig eine Schippe draufpackt", sagt Thomas Hentschel von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Wer seit Längerem über die Firma fürs Alter spart, geht erst einmal leer aus. Erst von 2022 an müssen Betriebe auch laufende Altverträge mit mindestens 15 Prozent bezuschussen, die vor 2019 geschlossen wurden.

Diese Abgaben fallen an

Arbeitnehmer bekommen nur selten vorgerechnet, was sie an Nachteilen erwartet. Was der Staat anfangs gibt, holt er sich am Ende zurück. Daran hat auch das neue Gesetz nichts geändert. Dazu gehört, dass die Betriebsrentner bei Auszahlung der Direktversicherung volle Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge zahlen müssen. Politische Überlegungen, daran etwas zu ändern, sind nicht spruchreif.

Und so müssen Arbeitnehmer mit aktuell gut 18 Prozent kalkulieren, die allein für die Beiträge jeden Monat von der Rente abgehen. Das "führt zu einer erheblichen Belastung der Rentner im Alter", kritisiert Axel Kleinlein, Vorstandssprecher des Bunds der Versicherten (BdV). Würden die Beschäftigten eine Lebensversicherung privat und nicht über den Chef besparen - oder wären sie privat krankenversichert - müssten sie nicht einen Cent Sozialabgaben darauf zahlen.

Das ist noch zu bedenken

Jeder, der von 2040 an in Rente geht, muss seine Betriebsrente zu hundert Prozent versteuern. Die anfängliche Steuerfreiheit gilt bei der Auszahlung nicht mehr. Ein weiterer Haken: Wer im Job weniger in die Rentenkasse einzahlt, bekommt später entsprechend weniger heraus. Das kann sich auch beim Kranken-, Eltern- oder Arbeitslosengeld sowie bei einer Erwerbsminderungsrente bemerkbar machen. Vor allem jungen Menschen sollte klar sein, dass sie sich mit einer Direktversicherung auf Jahrzehnte binden. Sie ist kaum vererbbar und auch nicht kündbar, nicht einmal in finanzieller Notlage oder während einer Babypause ohne Einkommen. Junge Menschen sollten eine Entscheidung daher auch von ihrer Familienplanung abhängig machen. Wechselt man den Job, kann der Vertrag zudem oft nicht ohne Einbußen beim neuen Arbeitgeber weitergeführt werden.

Wichtig zu wissen: Für Geringverdiener gibt es Freibeträge bei der Sozialversicherung und bei der Steuer.

Wann es sich lohnt

Die betriebliche Altersvorsorge kann sich unter zwei Voraussetzungen rechnen, geben Verbraucherschützer zu bedenken: Die Firma muss einen Vertrag mit guten Konditionen vorlegen. Sonst kommen am Ende nicht einmal die eingezahlten Beiträge heraus. Und der Arbeitgeber muss noch kräftigt Geld beisteuern, über die verlangten 15 Prozent hinaus. Sonst kommt keine echte Rendite zustande. Holger Balodis, unabhängiger Altersvorsorgeexperte, hält 15 Prozent schlicht für zu wenig, um die Nachteile des Direktversicherungsmodells für den Arbeitnehmer abzufedern. Nach Berechnungen von Finanztest bleiben einem ledigen Gutverdiener (Jahresbrutto 58 000 Euro) von 107 Euro Monatsrente, die er für monatlich 100 Euro Einzahlung nach 27 Jahren garantiert bekommt, gerade mal 67 Euro netto übrig. Der 15-prozentige Zuschuss vom Arbeitgeber hilft da auch nicht entscheidend weiter: Der Mann aus dem Beispiel hätte dann im Alter eine Betriebsrente von 123 Euro brutto, also 16 Euro mehr. Zahlt nur der Mitarbeiter, wie das in vielen Altverträgen noch der Fall ist, droht ihm in der Regel ein sicheres Minusgeschäft, mahnt Larisch.

Das ist zu tun

Vorgelegte Altersvorsorgeverträge sollten auf keinen Fall ungeprüft unterschrieben werden, sagt Hentschel. Er empfiehlt Verbrauchern, nachzuhaken und sich Rat einzuholen. So prüfen die Verbraucherzentralen die vorgerechnete Rendite. Trotz des neuen Gesetzes kann es Verbraucherschützern zufolge sinnvoller sein, privat fürs Alter vorzusorgen: Das sei flexibler und rentabler. Für Spitzenverdiener, die noch dazu privat krankenversichert sind, kann sich eine Direktversicherung hingegen rentieren. Die Faustregel: Je höher der persönliche Steuersatz, desto mehr lohnt es sich, insbesondere dann, wenn der Arbeitgeber etwas beisteuert.

© SZ vom 12.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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