Entwicklungshilfe:Zwei Seiten einer Medaille

Weltwirtschaftsforum in Davos

Die Erderwärmung hat vor allem in Afrika dramatische Folgen, sagt die Bulgarin Kristalina Georgiewa, derzeit Interims-Chefin der Weltbank.

(Foto: Xu Jinquan/dpa)

Die Weltbank kündigt 22,5 Milliarden Dollar für den Klimaschutz in Afrika an - weil sich am Kampf gegen die Erderwärmung auch das Schicksal der Ärmsten entscheide, sagt die Präsidentin der Bank.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

- Am Mittwoch, früh am Morgen, hat sich Kristalina Georgieva auf den Weg gemacht, nach Nairobi. Georgieva amtiert derzeit als Präsidentin der Weltbank, und in Nairobi kommen in dieser Woche Abgesandte aus aller Welt zusammen, zur Umweltkonferenz der Vereinten Nationen. Die Weltbank-Präsidentin zählt zu den offiziellen Ausrichtern der Konferenz.

Moment mal - die Weltbank? Eine Umweltkonferenz? "Genau das ist der Punkt", sagte Georgieva im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung kurz vor dem Abflug nach Nairobi. "Umwelt und Entwicklung sind zwei Seiten derselben Medaille." Gelinge es nicht, die Gefahren des Klimawandels einzudämmen, könnten bis 2030 weitere 100 Millionen Menschen in extreme Armut fallen, warnte Georgieva. "Und wir wissen, dass mit wachsender Weltbevölkerung der Druck steigt." Häufig seien es eben die Ärmsten der Armen, die am stärksten von und mit der Natur lebten - und die am stärksten unter Dürren, Fluten und verheerenden Stürmen litten.

Noch vor einigen Jahren unterstützte die Bank den Bau von Kohlekraftwerken

Über Dekaden hinweg galt die Weltbank als reine Entwicklungsbank, die vor allem in Entwicklungs- und Schwellenländern Projekte finanzierte; mitunter auch umstrittene Vorhaben. Mit Geld, Beratung und technischer Hilfe sollte sie ärmeren Staaten helfen, zum Rest der Welt aufzuschließen. Doch seit einigen Jahren verschiebt sich der Fokus, zuletzt am sichtbarsten bei der Weltklimakonferenz im polnischen Kattowitz im Dezember. Für die Jahre 2020 bis 2025 sagte Georgieva dort insgesamt 200 Milliarden Dollar an Mitteln zu, sowohl für den Klimaschutz als auch für den Kampf gegen die Folgen der Erderwärmung. Für eine Bank, die noch vor wenigen Jahren auch Kohlekraftwerke und Ölförderung unterstützte, war das ein großer Schritt.

Auch nach Nairobi kommt Georgieva nicht mit leeren Händen. Für Afrika wolle die Weltbank die Klimaschutz-Mittel in den nächsten fünf Jahren auf 22,5 Milliarden Dollar erhöhen, kündigte sie am Mittwoch an. Das ist doppelt so viel wie in den zurückliegenden fünf Jahren. Es gehe nun darum, auch in afrikanischen Staaten für ein anderes Wachstumsmodell zu werben - weg von fossilen Energien. "Klimaschutz ist gut für eure Zukunft - das ist die Botschaft, die wir verbreiten wollen", sagte sie. So rede die Weltbank mit der ägyptischen Regierung gerade über eine Abschaffung umweltschädlicher Subventionen, in Sambia arbeite man am Ausbau erneuerbarer Energien. "Dort wächst allein die Solarenergie von fast nichts auf 25 Prozent in den nächsten Jahren", sagt sie. Andernorts fördert die Weltbank eine Landwirtschaft, die Böden und Wasser schont, wieder woanders Städtebauprojekte.

Gleichzeitig sollen künftig mehr Mittel bereitstehen, mit denen sich afrikanische Staaten auf Folgen des Klimawandels einstellen können. "Selbst mit einer Erderwärmung um 1,5 Grad Celsius werden die Folgen speziell für verletzliche Länder dramatisch sein", warnte Georgieva. Nach Daten der UN-Meteorologie-Agentur WMO ist bereits jetzt ein knappes Grad Temperaturanstieg erreicht. Erst im vorigen Jahr hatte der Weltklimarat IPCC vor den Folgen einer Erwärmung von 1,5 Grad gewarnt. Die Staatengemeinschaft hatte ursprünglich mal zwei Grad als Limit angepeilt.

Georgieva ist in der 75-jährigen Geschichte der Weltbank die erste Frau an der Spitze, wenn auch zunächst nur interimistisch. Die Bulgarin, bis 2017 Vize-Präsidentin der EU-Kommission, war Anfang des Jahres auf den Posten von Jim Yong Kim gerückt. Der in Korea geborene Amerikaner war zu einer Investment-Gesellschaft gewechselt. Kim hatte die Weltbank in den vergangenen Jahren vermehrt auf Umwelt- und Klimafragen ausgerichtet; Georgieva war die Managerin dahinter - als Chief Executive Officer. Ein Job, den sie gerne weitermachen würde, wenn irgendwann die Kim-Nachfolge geregelt ist.

Einstweilen aber arbeitet sie weiter an der neuen Positionierung der Weltbank. Eine Woche lang tagt die UN-Umweltversammlung, der "One-Planet-Gipfel". Bis diesen Freitag geht es mehr um gemeinsame Absichten als um konkrete Abmachungen: um den sorgsamen Umgang mit knappen Ressourcen, um den Schutz von Böden und Wäldern, um den Austausch von Umweltdaten und -wissen. Der Entwurf der Abschlusserklärung ist nur zwei Seiten lang. An diesem Donnerstag will Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron die Versammlung beehren.

In Nairobi will Georgieva aber nicht nur über Klimaschutz reden. "Wir haben eine ziemlich einmalige Gelegenheit, die Aufmerksamkeit auf Biodiversität zu lenken", sagte sie. Wieder geht es um die Verbindung von Umweltschutz und Entwicklung: "Nehmen Sie nur den Schutz der Mangroven", so die Weltbank-Chefin. "Das ist eine natürliche Barriere gegen Stürme, wie wir sie nun immer dramatischer sehen." Mangrovenwälder säumen in vielen Teilen der Welt die Küstenstreifen. Von der Artenvielfalt in und um die Mangroven wiederum lebt oft die örtliche Bevölkerung, etwa Fischer. Und das seien meist Menschen, die in Armut leben. "Wie können wir von Entwicklung sprechen", fragte Georgieva, "wenn wir zugleich die ökologischen Grundlagen zerstören?"

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