Borussia Mönchengladbach:Die ersten Pfiffe der Saison

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Alassane Plea von Borussia Mönchengladbach (Mitte, mit Keven Schlotterbeck, li.) trifft erstmals seit knapp zwei Monaten wieder - doch es reicht nur für ein Unentschieden. (Foto: Lars Baron/Bongarts/Getty Images)

Das 1:1 gegen Freiburg ist das nächste Indiz: Borussia Mönchengladbach droht in der Rückrunde "etwas Großes", wovon der Klub träumte, einfach so zu verspielen.

Von Ulrich Hartmann, Mönchengladbach

Das Spiel war kaum abgepfiffen, als Max Eberl die Beine in die Hand nahm. Der Sportdirektor von Borussia Mönchengladbach brachte die etwa 40 Meter von den Sitzen am Rande des Spielfelds bis in den Kabinengang im Laufschritt hinter sich. Nichts hören, nichts sagen und nichts mehr sehen - das wollte er. 1:1 gegen den SC Freiburg. Nach drei Niederlagen zu Hause in Serie das vierte Heimspiel ohne Sieg. Die Champions-League-Qualifikation gerät in Gefahr. Es war Fußball zum Davonlaufen. Eberl wurde den restlichen Abend nicht mehr gesehen.

Mit drei Zu-Null-Siegen waren die Gladbacher in die Rückrunde gestartet. Sie waren Zweiter hinter Borussia Dortmund und hatten zehn Punkte Vorsprung vor Eintracht Frankfurt, das auf Platz fünf für die Europa League, aber nicht für die Champions League qualifiziert gewesen wäre. Eberl träumte von "etwas Großem" in dieser Saison. Man hatte im vergangenen Sommer das System geändert, und dieses neue 4-3-3 funktionierte schneller und besser als gedacht. Gladbach begeisterte seine Fans, man verlängerte den Vertrag mit dem Trainer Dieter Hecking und war auf dem Weg zu "etwas Großem", als die Glückssträhne am 9. Februar riss. Einfach so. Nach zwölf Heimsiegen in Serie verlor Gladbach gegen Hertha BSC Berlin mit 0:3. An jenem Samstag ist etwas kaputtgegangen. Seither hat Gladbach nur noch ein Spiel sehr glücklich gewonnen, seither ist man daheim ohne Erfolg, seither ist der Vorsprung auf die Nicht-Champions-League-Plätze zusammengeschmolzen. Das schöne 4-3-3 funktioniert nicht mehr richtig und die Saison droht ohne "etwas Großes" zu Ende zu gehen.

Acht Spiele hat die Borussia noch, um die Negativspirale zu beenden und den Trend zu wenden. Doch man merkt allen an, dass sie fürchten, alles zu verspielen. So wie letzte Saison. Und wenn der Sportchef Eberl kurz nach dem Schlusspfiff schon vom Platz rennt, dann verrät das etwas über die Stimmungslage im Borussia-Park. Von ein paar Fans gab es die ersten Pfiffe in dieser Saison.

"Uns fehlen im Moment einfach die Mittel", sagt Dieter Hecking

55 Prozent Ballbesitz, 13 Torschüsse, zehn Ecken - und nur ein einziges Tor. Alassane Plea, der 23-Millionen-Vereinsrekord-Einkauf, traf erstmals seit knapp zwei Monaten wieder. In der 16. Minute glich er den 0:1-Rückstand durch den Ex-Gladbacher Vincenzo Grifo (10.) aus. Aber danach? Gelang den Borussen 74 Minuten lang kaum mehr etwas. "Wir waren zu passiv", klagte der Trainer Dieter Hecking, "wir hatten nicht die Struktur, die man braucht; wir hatten einen ganzen Haufen nicht gut gespielter Standards; wir hatten im letzten Drittel nicht die nötige Durchschlagskraft; wir müssen unsere Stürmer in mehr Abschluss-Situationen bringen - uns fehlen im Moment einfach die Mittel."

Die Vorstellung, diese Gladbacher Mannschaft müsste sich kommende Saison mit Champions-League-Gegnern messen, ist ein bisschen furchteinflößend. Bei all dem tut man den tapferen Freiburgern natürlich Unrecht. "Das war spielerisch unser bestes Auswärtsspiel in dieser Saison", sagte Dominique Heintz. "Wir haben leidenschaftlich gearbeitet, ich bin sehr glücklich", sagte der Trainer Christian Streich. Freiburg ist kurz davor, frühzeitig den Klassenerhalt zu sichern.

Die Gladbacher hingegen denken in anderen Dimensionen. Noch sind sie auf einem guten Weg, sich wenigstens die Qualifikation für die Europa League zu sichern. Noch haben sie alle Optionen, sogar die Champions League zu erreichen. Doch das Momentum ist negativ, es raubt ihnen derzeit ein bisschen den Atem. "Uns fehlt die Leichtigkeit", sagt der Mittelfeldmann Tobias Strobl, und man weiß ja, wie schwer genau das ist: mit aller Macht, mit aller Anstrengung und unter dem Druck des unbedingten Gewinnenwollens sich genau dies zurück zu erarbeiten: die Leichtigkeit.

© SZ vom 17.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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