Erneuerbare Energien:Stadtwerke bauen Windräder in Norwegen - doch dort regt sich Widerstand

Erneuerbare Energien: Bayerisch-norwegische Kooperation: Die Stadtwerke betreiben mit ihrem Partner Trønderenergi mehrere Onshore-Windparks.

Bayerisch-norwegische Kooperation: Die Stadtwerke betreiben mit ihrem Partner Trønderenergi mehrere Onshore-Windparks.

(Foto: Trønderenergi)
  • Die Stadtwerke München investieren in anderen Ländern in die Produktion von Ökostrom.
  • In Norwegen sind neue Windkraftanlagen geplant, doch vor Ort regt sich Widerstand.
  • Kritiker sorgen sich um die Natur.

Von Pia Ratzesberger

Am 14. Januar dieses Jahres bekam der Investmentdirektor der Stadtwerke München einen Brief aus Norwegen. Aus dem Land, in dem sein Unternehmen mehrere Windparks betreibt und gerade dabei ist, vier neue zu bauen. In dem Brief war von zerstörter Natur die Rede und von Monstern. Gemeint waren die Windräder.

Erst Anfang des Jahres ist der Investmentdirektor Christian Vogt nach Norwegen gezogen. Er lernt gerade die Sprache. "God dag" und "God kveld". "Es gibt wenig sinnvollere Standorte als Norwegen, um Ökostrom zu produzieren", sagt er.

Die Stadtwerke haben sich das Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2025 so viel Strom aus erneuerbaren Energien zu generieren, wie die ganze Stadt verbraucht. Das sind in einem Jahr etwa sieben Milliarden Kilowattstunden. Das Unternehmen investiert dafür viel im Ausland, in Frankreich und in Schweden, in Spanien und in Norwegen. Doch im Norden, wo sich Windräder für den Ökostrom in München drehen, freuen sich nicht alle über die Pläne.

Das hat viel damit zu tun, dass die Windkraft in diesen Monaten in Norwegen ohnehin ein Politikum ist. Die Regierung will die Windenergie ausbauen und am 1. April einen sogenannten nationalen Rahmenplan vorstellen. In dem soll es darum gehen, welche Gebiete im Land sich am besten für weitere Windparks eignen würden. Beim Zentrum für internationale Klima- und Umweltforschung in Oslo verweist man auf eine Studie, der zufolge die Mehrheit der Bevölkerung der Windenergie positiv gegenüber steht. Das bedeute aber noch nicht, dass "die groß angelegte Entwicklung" auch von den Menschen vor Ort getragen werde, sagte eine Wissenschaftlerin des Zentrums vor Kurzem bei einer Debatte. Viele befürworteten die Windkraft zwar als Idee. Aber die Einstellung sei mitunter eine andere als "zu bestimmten Windkraftanlagen".

Der Brief an den Investmentdirektor kam von dem Verein "La Naturen Leve", auf Deutsch "Lasst die Natur leben". Der Verein gibt an, dass in ihm etwa 3000 Menschen organisiert seien. Die Mitglieder setzen sich im ganzen Land gegen den Bau von Windparks ein. Sie vertreten den Standpunkt, dass man lieber die Wasserkraft weiter ausbauen sollte, anstatt neue Windkraftanlagen zu errichten. Die Umweltschützer appellierten in ihrem Schreiben an Christian Vogt von den Stadtwerken, in der Zukunft von neuen Projekten abzusehen. Vidar Lindefjeld von "La Naturen Leve" sagt: "Wir sehen keinen Grund, Windräder zu bauen." Große Teile der eigenen Nachfrage könne man mit Wasserkraft decken, die sei zudem verlässlicher als die Windkraft. Sein Verein fürchtet vor allem, dass neue Anlagen die Natur zerstören werden, und gerade wegen der Landschaft kämen doch so viele Touristen ins Land. Im Übrigen auch viele Deutsche.

Letztendlich geht es beiden Seiten um den Schutz der Natur: Die Stadtwerke wollen Strom aus erneuerbaren Energien gewinnen, um die Umwelt zu bewahren - und in Norwegen machen sich gerade deshalb manche Sorgen um die Umwelt.

Die Stadtwerke haben schon in der Vergangenheit in Norwegen investiert, zu Beginn des Jahres gaben sie dann eine besonders intensive "bayerisch-norwegische" Zusammenarbeit bekannt. Gemeinsam mit dem kommunalen Unternehmen Trønderenergi werden sie vor Ort vier Windparks in der Region Trøndelag in der Mitte des Landes betreiben, hieß es, und bis zum Jahr 2021 noch vier weitere bauen. Bei den Stadtwerken will man keine konkreten Summen nennen, doch bei Trønderenergi ist die Rede von Investitionen in Höhe von etwa 300 Millionen Euro.

Mit den norwegischen Windparks wollen die Stadtwerke ihrem Ziel für 2025 ein Stück näher kommen. Denn wenn die Anlagen fertig sind, wird das Unternehmen mehr als 70 Prozent des Stromverbrauchs in München aus erneuerbaren Energien gewinnen. Die vier neuen Windparks werden zusammen eine Leistung von 330 Megawatt haben, sie seien "durchgenehmigt", sagt Christian Vogt. Seinen Job als Investmentdirektor bei den Stadtwerken hat er Anfang März aufgegeben und ist seitdem Geschäftsführer der neuen Holding in Norwegen, an der die Stadtwerke 70 Prozent halten. Dem Bau der Anlagen in der Mitte des Landes, auf der Insel Frøja, in Stokkfjellet, Sørmarkfjellet und Hundhammerfjellet, steht auf dem Papier nichts mehr im Wege. Doch Gegner der neuen Windparks werfen den Stadtwerken und Trønderenergi vor, dass sie im Genehmigungsprozess nicht gehört worden seien.

Die Gegner berufen sich auf den besonderen Schutz der Samen

Erneuerbare Energien: Die Stadtwerke bauen ihre Windkraftanlagen auch in Regionen, in denen die Samen ihre Rentiere weiden lassen – das führt zu Konflikten.

Die Stadtwerke bauen ihre Windkraftanlagen auch in Regionen, in denen die Samen ihre Rentiere weiden lassen – das führt zu Konflikten.

(Foto: imago)

Bei der Pressestelle der Stadtwerke heißt es, man habe sich in den vergangenen Monaten auf den Seiten der SWM in den sozialen Netzwerken vermehrt mit Kommentaren aus Norwegen auseinandersetzen müssen. Von einer "neuen braunen Besatzung" sei dort teilweise die Rede gewesen. Immer wieder hätten Nutzerinnen und Nutzer gezielt Bezug auf die Nazizeit genommen. Christian Vogt sagt: "Das ist eine kleine Gruppe von Aktivisten, die unheimlich laut ist."

Auf der Insel Frøja beschweren sich vor allem auch Anwohnerinnen und Anwohner, denn vor der Westküste des Landes vermieten viele Ferienunterkünfte. Sie wollen den freien Blick aufs Wasser behalten, ohne Windrad am Horizont. Auf der Insel wurde durchaus die Frage gestellt, ob man nun wieder "in deutscher Hand" sei, sagt Bengt Eidem vom kommunalen Unternehmen Trønderenergi, mit dem die Stadtwerke zusammenarbeiten. Die Proteste seien für ihn zwar "business as usual", doch er nehme wahr, dass sich seine Gegner immer besser vernetzen: "Natürlich sagst du am Ende, dass du nicht gehört wurdest, wenn du nicht möchtest, dass ein Windpark gebaut wird und trotzdem gebaut wird."

Die Gegner der Windkraft berufen sich auch auf den besonderen Schutz der Samen. Drei der neuen Anlagen der Stadtwerke befinden sich in einem Gebiet, in dem dieses Volk das Recht hat, seine Rentiere weiden zu lassen. In Norwegen leben Schätzungen zufolge um die 50 000 Samen, das indigene Volk musste in der Vergangenheit immer wieder um seine Rechte kämpfen. Mittlerweile ist ihm in der Verfassung des Landes ein eigener Artikel gewidmet - die Behörden seien unter anderem dafür verantwortlich, die Lebensweise der Samen zu erhalten und zu entwickeln. In zwei Gebieten habe man sich mit dem Volk bereits geeinigt, heißt es bei den Münchner Stadtwerken.

Die Samen wollen in solchen Fällen Entschädigungszahlungen. In Stokkfjellet aber verhandle man noch, dort grenzt das Projekt der Stadtwerke an ein Gebiet der Samen an, und eine Stromleitung soll vom Windpark bis zum Umspannpark durch die Region verlaufen, parallel zu einer bestehenden Leitung. Bei den Stadtwerken rechnet man damit, dass bis zum Baubeginn im April beide Seiten zusammenkommen werden. "Wir wollen nicht gegen den Willen der Samen bauen und tun alles, um zu einer Einigung zu kommen", sagt Christian Vogt.

Das Problem bei solchen Windparks seien meistens nicht die Turbinen selbst, sagt Vidar Lindefjeld, in dessen Verein auch Samen organisiert sind, sondern die Infrastruktur, die sie mit sich bringen. Die Autos und die Straßen. Bei den Stadtwerken heißt es, man habe bislang die Erfahrung gemacht, dass die Leute vor Ort die neuen Straßen gerne nutzten. Lindefjeld lacht: "Wir haben so viele Straßen, wir brauchen wirklich nicht mehr."

In einer Stellungnahme auf eine Stadtratsanfrage der Fraktion Die Grünen/Rosa Liste, die am Donnerstag veröffentlicht wird, weisen die Stadtwerke noch einmal auf den strengen Genehmigungsprozess im Land hin. Eine Behörde des norwegischen Energieministeriums, die NVE (Norwegian Water Resources and Energy Directorate) sei dafür zuständig und habe bislang deutlich mehr Windparks abgelehnt als sie genehmigt habe.

Bei einem Projekt der Stadtwerke zum Beispiel sei technisch eine Leistung von 200 Megawatt möglich gewesen, am Ende des Prozesses würden nun aber nur knapp 60 Megawatt gebaut. Die Behörde gebe bei jedem Projekt unter anderem eine Studie in Auftrag, in der die Auswirkungen auf die Umwelt untersucht und auch die verschiedenen Gruppen wie die Samen mehrmals angehört werden. Am Ende werden Vorteile und Nachteile gegenübergestellt: Sowohl das NVE als auch das Energieministerium bewerteten die positiven Effekte höher als die Beeinträchtigungen durch den Bau der Windparks, heißt es in der Stellungnahme.

Im April wird in Norwegen mit den Bauarbeiten an den neuen Windparks begonnen werden. Schon am 25. April allerdings werden die Unternehmen die Arbeiten in Stokkfjellet für ein paar Wochen wieder unterbrechen müssen.

Dann kalben die Rentiere.

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