Gesundheitspolitik:Das Nächste, bitte!

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Gesundheitsminister in Aktion: Jens Spahn (vorne) bei der Besichtigung der Martini-Klinik in Hamburg im Sommer 2018. (Foto: Christian Charisius/dpa)

Kürzere Wartezeiten, mehr Geld für Ärzte, mehr Digitalisierung: Jens Spahn bringt sein bisher größtes Gesetzesvorhaben zur Abstimmung.

Von Henrike Roßbach und Jacqueline Lang, Berlin

Jens Spahn ist überaus zufrieden mit der Tagesordnung des Bundestags an diesem Donnerstag. "Ich find's 'ne schöne Fügung", sagt der CDU-Bundesgesundheitsminister dazu, dass sein bislang größtes Gesetzesvorhaben ausgerechnet an diesem 14. März verabschiedet werden soll - exakt ein Jahr nachdem er ins Amt gekommen ist. Am Jahrestag der großen Koalition sollen die Abgeordneten Spahns Terminservice- und Versorgungsgesetz verabschieden.

Im Prinzip, so hat Spahn es im Vorfeld noch einmal erklärt, besteht sein Gesetzespaket aus drei Päckchen: mehr Termine, mehr Leistungen, mehr Digitalisierung. Vor allem drei "Aufregerthemen" will er mit seinem Sammelgesetz befrieden. Der erste Aufreger sei, warum der privatversicherte Nachbar nächste Woche einen Arzttermin bekomme, man selbst als gesetzlich Versicherter aber erst in drei Monaten. Nummer zwei: die Pflege. "Viele haben den Eindruck, da ist der Alltag nicht so, wie er sein sollte", sagt Spahn. Und schließlich die Digitalisierung, untrennbar verbunden mit der elektronischen Gesundheitskarte, an deren Einführung diverse Gesundheitsminister seit mehr als zehn Jahren regelmäßig scheitern. Oder wie Spahn es mit Blick auf den nicht eröffneten Berliner Großflughafen nennt: "der BER der Gesundheitswirtschaft".

Auch die Koalitionspartner der SPD scheinen das Gesetz allerdings für sich als Erfolg zu verbuchen. "Ein Megaschritt Richtung Bürgerversicherung, den die SPD durchsetzen konnte", twitterte Karl Lauterbach, der die Verhandlungen gemeinsam mit Sabine Dittmar (SPD) geführt hatte, bereits am Dienstag. "Das ist ein richtiger Abbau der Zweiklassenmedizin", sagte auch die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles.

Spahns Dreifelderwirtschaft wird die Versicherten jährlich rund 1,8 Milliarden Euro kosten. In Sachen Terminvergabe schätzt das Ministerium die Kosten auf 600 bis 800 Millionen Euro, weil Ärzte mehr Geld bekommen für die zusätzlichen Leistungen, die Spahn ihnen abverlangt. Künftig müssen niedergelassene Ärzte nämlich mindestens 25 Stunden in der Woche als Sprechstunden anbieten, bestimmte Fachärzte (etwa Frauenärztinnen oder Augenärzte) davon fünf als offene Sprechstunden, für Patienten ohne Termin.

Gegen den Hebammenmangel finden sich keine wirklich weitreichenden Vorschläge

Die Behandlung von Patienten in diesen offenen Sprechstunden, aber auch von neuen Patienten und solchen, die durch die Terminservicestelle oder einen Hausarzt vermittelt wurden, können Ärzte künftig zusätzlich abrechnen. "Das ist der Einstieg in den Ausstieg aus der Budgetierung", sagt Gesundheitsminister Jens Spahn. Ein Hausarzt wiederum, der seinem Patienten erfolgreich einen Facharzttermin vermittelt, bekommt dafür zehn Euro.

Ausgeweitet werden sollen zudem die Leistungen der Terminservicestellen selbst. Von 2020 an sollen sie auch Termine bei Haus- und Kinderärzten vermitteln und rund um die Uhr unter der einheitlichen Nummer 116117 erreichbar sein. Die Wartezeit auf eine psychotherapeutische Akutbehandlung darf in Zukunft zwei Wochen nicht überschreiten, mittelfristig soll es auch Apps geben, durch die Versicherte Termine ergattern können.

Zuschläge sieht Spahns Gesetz darüber hinaus für Ärzte auf dem Land vor; in Gebieten mit Ärztemangel müssen die Kassenärztlichen Vereinigungen zudem künftig selbst Praxen eröffnen oder Alternativen anbieten, Telemedizin zum Beispiel oder mobile Praxen. Verbesserungen in der Pflege verspricht Spahn sich davon, dass in Zukunft ambulante Pflegedienste auch reine Betreuungsdienste anbieten dürfen - von Hilfe im Haushalt über Spaziergänge bis zu Gedächtnistraining. Das Ziel: eine bessere Pflege zu Hause. Profitieren sollen auch Zahnpatienten: Die festen Zuschüsse der Krankenkassen zum Zahnersatz werden von derzeit 50 auf 60 Prozent erhöhen - allerdings erst von Oktober 2020 an. Kosten wird das etwa 570 Millionen Euro im Jahr. Weitere 600 Millionen Euro fließen in höhere Honorare für Physio-, Ergo- oder Sprachtherapeuten. Unter anderem werden die Preise für deren Leistungen angeglichen - und zwar indem sie auf das bundesweit höchste derzeit geltende Niveau gehoben werden.

Gegen den Hebammenmangel dagegen finden sich in dem Sammelgesetz, in dem noch zig weitere Regelungen im Gesundheitswesen geändert werden, keine wirklich weitreichenden Vorschläge. Geplant ist lediglich ein Onlineverzeichnis, um die Suche zu erleichtern - und Geld für Kliniken, die ihren Hebammen bei der Vereinbarung von Beruf und Familie helfen, etwa mit Betreuungsangeboten.

Das Langzeitdesaster der Digitalisierung im deutschen Gesundheitswesen will der Minister durch mehr Druck in den Griff kriegen. Bis 2021 müssen die Krankenkassen spätestens elektronische Patientenakten anbieten; Versicherte sollen dann auch vom Handy oder Tablet aus auf ihre Gesundheitsdaten zugreifen können. Ebenfalls 2021 soll der "Gelbe Schein" verschwinden; krankgeschrieben wird dann nur noch digital. Die mit der elektronischen Gesundheitskarte beauftragte Gesellschaft für Telematik wird zudem künftig zu 51 Prozent in der Hand des Gesundheitsministeriums sein.

© SZ vom 14.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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