"Tatort" aus Münster:Du sollst nicht überfordern!

'Tatort: Spieglein, Spieglein' auf ARD

Kommissar Frank Thiel (Axel Prahl, r) und Prof. Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers, l) in "Spieglein, Spieglein", dem neuen "Tatort" aus Münster

(Foto: dpa)
  • Der neue Tatort kommt an diesem Sonntag aus Münster.
  • In der neuen mit den Ermittlern Thiel und Boerne geht ein Serienmörder um, der die Doppelgänger seiner eigentlichen Zielobjekte tötet.
  • Leider verlassen sich die Macher von "Spieglein, Spieglein" auf schale Witze und vorhersehbare Handlungsverläufe.

Von Holger Gertz

Nach einer Reihe von erinnerungswürdigen, ambitionierten Tatorten kommt jetzt eine Folge aus Münster. "Spieglein, Spieglein" heißt sie und ist ein klassisches Werkstück aus der Münsteraner Krimi-Manufaktur. Alles Eckige und Scharfkantige ist glattgerieben. Und sogar der Serienmörder, der hier umgeht, greift absichtsvoll daneben, denn statt seiner eigentlichen Zielobjekte killt er deren Doppelgänger. Staatsanwältin Klemm und Rechtsmedizinerin Alberich bekommen Gelegenheit, ihre verblichenen Ebenbilder zu betrachten, und dann fragt sich natürlich jeder, wann es den Ermittlern Thiel (Axel Prahl) und Boerne (Jan Josef Liefers) an den Kragen geht, oder ihren Look-alikes.

Manchmal scheint dieses Abenteuer überraschend etwas Tiefe zu gewinnen durch die Diesseits/Jenseits-Konstellation. Staatsanwältin Klemm (Mechthild Großmann) raunt, noch atemloser als sonst: "So sehe ich also aus, wenn ich einmal tot bin." Und Thiel steht am Ende vor der Frage, ob er seinen Doppelgänger per finalem Rettungsschuss im Leben halten soll. Aber das sind nur kurze Ausflüge ins schwergängigere Gelände, über der Tür der Münsteraner Krimi-Manufaktur steht schließlich seit Jahrzehnten die Erfolgsformel: Du sollst nicht überfordern!

Also verlassen sich Regisseur Matthias Tiefenbacher und Autor Benjamin Hessler auf den Zauber des Begriffs "Rektal-Thermometer"; sie vertrauen darauf, dass Namenswitze, Raucherwitze und Internetwitze immer noch funktionieren; sie glauben daran, dass die Raunzereien zwischen dem erdigen Thiel und dem affigen Boerne nie schal werden. "Irgendwo da draußen läuft jemand rum, der genauso aussieht wie Sie und von diesem Leiden bald erlöst ist", sagt Boerne zu Thiel. Und dann, nach einem dienstlichen Besuch bei einem Sträfling: "Vor dem Typen laufen selbst Geißeltierchen schreiend davon, Streptokokken wechseln die Straßenseite."

Die Dialoge sitzen also, und sie sitzen ja vor allem dann, wenn sie lakonisch sind. Dafür ist die Auflösung vorhersehbar, mindestens ein hingedengelter Kniff ist eingebacken, und gerade im zweiten Teil sagt nicht nur der Sträfling: "Ich fang an, mich zu langweilen." Aber weil es ja um Doppelgänger geht, nimmt die Regie die Gelegenheit gern wahr und lässt Liefers mit Liefers reden; sie verabreichen also die doppelte Dosis ihres allerbesten Stoffs. Dann geht's gleich wieder besser.

Und während anderswo im Tatort inzwischen Quentin Tarantino zitiert wird oder George A. Romero, zitieren sie in Münster die Sesamstraße. Sagt also Thiel abends zu Boerne: "Gute Nacht, Bert!" Sagt Boerne zu Thiel: "Nacht, Ernie!"

Sonntag, 20.15 Uhr.

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