Europäische Volkspartei:Orbán mag sich entschuldigen - ändern wird er sich nicht

Viktor Orbán Fidesz

Im Streit mit Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán geht es um mehr als den Zwist innerhalb einer Parteienfamilie.

(Foto: dpa)

Alles Süßholzraspeln des ungarischen Regierungschefs darf nicht darüber hinwegtäuschen: Orbáns Fidesz-Partei gehört zu den destruktiven Kräften in der EU. Die EVP sollte sie endlich vor die Tür setzen.

Kommentar von Peter Münch, Wien

Selten musste er so viel Süßholz raspeln: Viktor Orbán hat sich bei seinen Kollegen in der Europäischen Volkspartei, die er zu "nützlichen Idioten" erklärt hatte, offiziell entschuldigt. "Deshalb möchte ich Sie respektvoll darum bitten, Ihren Ausschlussantrag noch einmal zu überdenken", schreibt er. Das klingt nach einem Einlenken in fast letzter Minute. Doch glauben kann das nur, wer nach Art der drei Affen nichts sehen, nichts hören und nichts mehr sagen will. Denn Viktor Orbán mag sich entschuldigen - ändern wird er sich nicht.

Des Widerspenstigen Zähmung wird der EVP und ihrem Spitzenkandidaten Manfred Weber nicht gelingen. Denn selbst wenn Orbán bis zur entscheidenden EVP-Sitzung am nächsten Mittwoch alle der ihm gestellten Bedingungen erfüllt - die verleumderischen Plakate hat er schon abhängen lassen, die Entschuldigung abgehakt, und im Streit um die Zentraleuropäische Universität (CEU) wird an vergoldeten Brücken gebaut -, ist nichts geklärt und nichts gewonnen. Webers Dreierpack, mit dem er Handlungskraft demonstrieren wollte, ist in Wirklichkeit Ausdruck der Hilflosigkeit.

Denn mit diesem Ultimatum ist Weber, aus leider kleinkariertem Kalkül, viel zu kurz gesprungen. Seine drei Forderungen verdecken, dass es um viel größere Fragen geht: um die Demokratie in Ungarn, um Rechtsstaatlichkeit, um die Freiheit der Justiz, der Medien und der Wissenschaften. Seit Jahren baut Orbán sein Land systematisch um - und die EVP hat in beschämender Weise dazu geschwiegen, weil sie die Fidesz-Stimmen im EU-Parlament nicht verlieren wollte.

Es ist noch nicht allzu lange her, da hat der nun persönlich beleidigte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker Ungarns Premier noch fröhlich-feixend mit "Hallo Diktator" begrüßt. Die Parteifreunde haben diesen rundlichen Puszta-Populisten wohl als eine Art Clown fürs Grobe betrachtet, obwohl die Lage in Ungarn längst bitterernst ist.

Die EU steht an einer entscheidenden Weggabelung

Als offenbar lässliche Sünde haben sie ihm auch die in seinem Land grassierende Korruption und den möglichen Missbrauch von EU-Geld nachgesehen; haben sein perfides Spiel mit antisemitischen und rassistischen Codes geflissentlich übersehen. Wenn nun der Konflikt mit einer für beide Seiten gesichtswahrenden Lösung beigelegt werden sollte, wäre dies nichts anderes als der fortgesetzte Verrat der Volkspartei nicht nur an den eigenen, sondern an den Werten der EU.

Schließlich geht es in dieser Auseinandersetzung um weit mehr als nur um eine interne Kontroverse in der konservativen Parteienfamilie. Die Europäische Union steht an einer entscheidenden Weggabelung, und dort kommt es nicht darauf an, wer zu den Schwarzen zählt, den Roten oder den Grünen. Es kommt darauf an, wer das europäische Einigungsprojekt vorantreiben und wer es aushöhlen oder torpedieren will.

Viktor Orbán gehört zu den Kräften der Destruktion, und deshalb ist es für die EVP höchste Zeit, ihm die Tür zu weisen. Soll er sich doch zum Märtyrer stilisieren. Soll er sich gemeinmachen mit den anderen Rechtspopulisten aus Polen, Italien, Frankreich oder Österreich. Dann ist wenigstens eine klare inhaltliche Auseinandersetzung möglich. Und das ist viel besser als die schleichende innere Vergiftung.

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