Europa:Im Osten was Neues

Zuzana Caputova

Zuzana Čaputová.

(Foto: dpa)

Der Erfolg von Zuzana Čaputova bei der Präsidentschaftswahl in der Slowakei beweist: Im einstigen Ostblock hat die liberale Demokratie doch eine Chance. Gibt es auch Hoffnung für Polen und Ungarn?

Kommentar von Tobias Zick

Noch gut zwei Monate sind es bis zur Europawahl, und die Aussichten sind trüb. Diverse Prognosen lassen befürchten, dass Rechtspopulisten und Rechtsextreme kräftig zulegen und dann auf ihren Parlamentssitzen in Brüssel und Straßburg das ihnen verhasste Wackelgebäude namens EU von innen zerlegen. Die Vorkämpfer dieser Bewegung sitzen besonders geballt im Osten, in Städten wie Warschau und Budapest, und so mancher Europa-Nostalgiker fragt sich, ob es nicht ein Fehler war, jene postkommunistischen, offenbar zu den Anstrengungen einer liberalen und pluralen Ordnung nicht bereiten Gesellschaften in den Klub der Demokraten und Idealisten aufzunehmen.

Ausgerechnet aus dem Osten weht jetzt ein tröstlich wärmender Windhauch, ein Frühlingslüftchen. In der Slowakei hat am Wochenende die 45-jährige Anwältin Zuzana Čaputová die Präsidentschaftswahl gewonnen, mit fast 22 Prozentpunkten Vorsprung auf den Kandidaten der Regierungspartei. Zwar hat das slowakische Präsidentenamt vor allem repräsentative Funktion, und Čaputová muss noch die Stichwahl bestehen - trotzdem weckt ihre Wahl Hoffnungen, über die Slowakei hinaus. Sie verkörpert in jeder Hinsicht einen Aufbruch: Čaputová ist als pro-europäische, liberale, antipopulistische Kandidatin angetreten, als Kämpferin gegen Vetternwirtschaft und Korruption. Das "Ausmisten" ist prägender Bestandteil ihrer Biografie; bekannt geworden ist sie als siegreiche Kämpferin gegen eine Giftmüllhalde, in deren Umgebung sich die Krebsfälle häuften.

Aufräumen, ausmisten: Das Verlangen danach hat die Slowaken auf die Straßen getrieben

Aufräumen, ausmisten: Das Verlangen danach hat die Slowaken zu Zehntausenden auf die Straßen getrieben, nachdem vor gut einem Jahr der Investigativjournalist Ján Kuciak ermordet worden war. Die Tat, die bis heute nicht aufgeklärt ist, war der Zündfunke für das Wiedererwachen des Bürgersinns von 1989, dem Jahr der "Samtenen Revolution". Die neue Welle war stark genug, um Čaputová zum Wahlsieg zu tragen, trotz aller Anfeindungen, Schmähungen und Lügen ihrer Gegner einschließlich des Standardvorwurfs, sie sei bloß eine Marionette des US-Milliardärs George Soros.

Die 40,6 Prozent Wahlstimmen für Čaputová sind eine laute Wortmeldung der kritischen Zivilgesellschaft am östlichen Rand der EU: Hallo, wir sind auch noch da! Wir schauen nach Brüssel, nicht nach Moskau, wir lassen uns nicht einlullen und manipulieren von jenen, die uns in eine autoritäre, völkische, "illiberale" Gesellschaftsordnung binden wollen!

Die Stimme dieser kritischen Zivilgesellschaft ist auch bei den Nachbarn nicht verstummt, in den anderen, weitaus autoritärer geführten Visegrád-Staaten. In Polen schließt sich eine wachsende Opposition gegen die nationalpopulistische PiS-Regierung zusammen, in Ungarn stemmen sich immer wieder Tausende Demonstranten gegen Viktor Orbáns Angriffe auf Medienfreiheit und Rechtsstaat.

Zuzana Čaputovás Wahlsieg ist auch ein Weckruf an jene, die sich als Kerneuropäer verstehen: Nein, die Gesellschaften der ehemaligen Ostblock-Länder sind nicht per se unreif für die moderne Demokratie, für Europa. Sie sind anfällig für falsche Heilsversprechen, für Populismus, für Korruption - wie ihre westlichen Nachbarn auch. Und sie sind in der Lage, sich gegen solche Fehlentwickungen aufzulehnen. Und dabei hilft es sehr, wenn man europäische Verbündete hat.

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