Stadtbepflanzung:So wird es in München Frühling über Nacht

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München blüht auf - durch Stadtgärtnerinnen wie Petra Schöpf (in Orange) und Monika Fröhlich. (Foto: Robert Haas)

Kaum ist der letzte Schnee verschwunden, rücken die Stadtgärtner aus, um Blumen zu pflanzen - und zwar nach einem ausgeklügelten Plan, denn was am Karolinenplatz gefällt, ist noch lange nicht für den Gärtnerplatz geeignet.

Von Günther Knoll

Da steht er, der Frühling, sauber portioniert in großen Gitterkörben. Im Hof der Stadtgärtnerei an der Sachsenstraße gegenüber dem Schyrenbad in Giesing ist alles vorbereitet, damit München aufblühen kann. In den Körben, in denen die Farben des Frühlings in diesen Tagen auf die Plätze und Anlagen der Stadt kommen sollen, sind zwar derzeit nur Stiefmütterchen und Gänseblümchen, zu sehen, darunter aber befindet sich eine wahre "Wundertüte", wie Thomas Seltmann sagt.

Seltmann ist zuständiger Sachgebietsleiter in der Gärtnerei, die zum Baureferat der Stadt gehört. Und im Gegensatz zu den Münchnern, die schon darauf warten, was aus den Blumenkörben und -beeten sprießen wird, weiß er ganz genau, was diese "Wundertüten" enthalten. Denn die vielen Blumenzwiebeln wurden nicht nach dem Zufallsprinzip eingetopft, Seltmann erstellt alljährlich die Konzepte für die Frühlings- und die Sommerbepflanzung, welche die Stadt schmücken sollen.

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Und so sind alle Hyazinthen, Narzissen und Tulpen, die nach und nach ihre Blütenköpfe in die Höhe recken werden, farblich aufeinander abgestimmt. "Nach Bauchgefühl", sagt Seltmann. Doch da stapelt der Fachmann tief. Denn es geht nicht nur um die Komposition der Blüten, es gilt auch zu bedenken, an welchem Platz die Blumen stehen sollen. Wird die Blütenpracht nur im Vorbeifahren wahrgenommen wie etwa am Karolinenplatz, dann müssen die Farben auffallend kräftig sein, wie Seltmann erläutert. Am Gärtnerplatz dagegen mit den vielen Spaziergängern müsse man wesentlich detaillierter pflanzen. Auch Form und Rahmen der Standorte spielen eine Rolle und natürlich die Sonneneinstrahlung. Seltmann hält alle Pflanzungen per Foto fest, zwei Mal im Frühjahr und drei Mal im Sommer, denn auch Bauchgefühl braucht offenbar Anhaltspunkte.

In einem der Gewächshäuser ist zu erahnen, was den Münchnern heuer alles blühen wird. Dort stehen Vergissmeinnicht, Gänseblümchen und unzählige Stiefmütterchen - in den Farben gelb, zitronengelb, bordeauxrot, weiß, cremeweiß, violett und blau. Sie alle warten darauf, von den Pflanzteams abgeholt zu werden. Die ersten Mitarbeiter hätten nämlich bereits begonnen, die Blumen in den Anlagen, Parks und Friedhöfen auszubringen, berichtet Betriebsleiter Michael Eder. In dieser Woche soll der Frühling dann Einzug halten in der Stadt, denn die Münchner warten schon ungeduldig auf ihn vor allem nach langen Wintern, das weiß man in der Stadtgärtnerei aufgrund entsprechender Anfragen.

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(Foto: Robert Haas)

Robin Maricic pikiert Schnittlauchpflanzen.

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(Foto: Robert Haas)

Petra Schöpf (mit orangefarbener Jacke) und Monika Fröhlich kümmern sich um die jungen Blumen in der Gärtnerei an der Sachsenstraße.

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(Foto: Robert Haas)

Dort überwintern auch Pflanzen.

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(Foto: Robert Haas)

Ohne Thomas Seltmann und Michael Eder (in orangefarbener Jacke)...

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(Foto: Robert Haas)

...blüht kaum etwas in den städtischen Beeten.

Zielsetzung für die erste Bepflanzung ist in der Regel Ende März, in manchen Jahren auch Ostern, doch das wäre in diesem Jahr einfach zu spät, sagt Eder. Insgesamt gut 600 000 Pflanzen sind es in diesem Frühjahr. Sie wurden beizeiten bestellt, eingepflanzt und aufgezogen. Die Hälfte davon ist dazu bestimmt, die Außenanlagen von Schulen, Friedhöfe und Parks zu verschönern. Ein Teil kommt in die Wechselbeete auf den Plätzen der Stadt, ein anderer zum "Mobilen Grün" in die großen Gitterkörbe. Diese ermöglichen es, dass es "über Nacht" Frühling wird in der Fußgängerzone, wie Eder und Stellmann unisono sagen. Denn nur wenn dort kein Betrieb herrscht, können die Transporter die Gefäße in die Innenstadt bringen.

In einem anderen Gewächshaus stehen mehrere Gärtner und leisten Feinarbeit mit der Pinzette. Sie topfen kleine Schnittlauchpflanzen um, die in Schalen gesprossen sind und nun bereit gemacht werden für ihren Einsatz in den Gärten von Schulen und Kindertagesstätten. Pikieren nenne sich dieser viel Geduld Gefühl erfordernde Arbeitsschritt, erläutert der Staudengärtner Robin Maricic. Auch das gehört zu dem, was Seltmann "geplante Natur" nennt: Pflänzchen für die ganz jungen Gärtner hochzuziehen, damit diese lernen, wie sie Basilikum, Paprika und Petersilie selbst anbauen und ernten können. 14 000 dieser Pflänzchen haben Schulen und Kindergärten in diesem Frühjahr bei der Stadtgärtnerei bestellt.

In den meisten anderen Gewächshäusern sucht man vergeblich nach den Spuren des Frühlings. In ihnen wird bereits vorbereitet, was die Stadt in diesem Sommer zieren wird: Ein Mitarbeiter schneidet Schneeballbäumchen in Kugelform. Die Blüten müssen dran glauben. Denn leider sei die Blüte bald vorbei, bedauert er, doch auch das kugelige Grün allein werde sich im Rathausinnenhof gut machen. Gleich dahinter stehen Lorbeerbäume. Sie werden in der Sommersaison die Prachtmeile der Stadt, die Maximilianstraße, schmücken. Dann kommen Phönix- und Hanfpalmen, ebenfalls für Münchens schönste Ecken bestimmt. Obwohl die meisten dieser Gewächse auch Frost vertragen, warte man bis Ende Mai, um sie ins Freie zu bringen, sagt Seltmann. "Und nach der Wiesn kommen sie wieder rein", ergänzt Gärtnermeister Eder.

Ein fester Kreislauf, der ein ausgeklügeltes System erfordert. So werden die Gitterkörbe, in denen Stauden und Gehölze für ein wenig Grün in der winterlichen Stadt sorgen, dann eingesammelt, wenn die Frühlingspflanzen ausgebracht werden. In die Gefäße kommt dann die Sommerbepflanzung, die dann je nach Witterung bis weit in den Herbst stehen bleibt.

Warum nicht Blumen, die überwintern und im nächsten Jahr von selbst wieder blühen? Die Stadtgärtnerei setze lieber auf einjährige Pflanzen, "weil die öfter und länger blühen", nennt Seltmann einen Grund. Außerdem sei da weniger dem Zufall überlassen und man könne auch abwechseln. Die Pflanzen werden in der Regel bei speziellen Gärtnereibetrieben bestellt. Sie alle selbst zu züchten oder die Zwiebeln auszugraben, um sie zu überwintern, würde zu großen Aufwand bedeuten. Dennoch bedarf auch die Saat sorgsamer Betreuung. Seltmann zeigt fingernagelgroße Pflänzchen, die schon diesem Sommer München verschönern sollen - als prächtig blühende Begonien.

Bei all dem legt man in der Stadtgärtnerei großen Wert darauf, möglichst ökologisch zu produzieren. So werden die Substrate für die Pflanzen aus eigenem Kompost hergestellt. Schädlinge werden mit Nützlingen bekämpft. "Wenn sich die Pflanze wohl fühlt, dann ist sie auch robust genug", lautet Seltmanns Credo.

Dass sich all der Aufwand lohnt, das zeigen für Eder wie Seltmann auch die Reaktionen aus der Bevölkerung. Immer wieder gebe es Lob und Dank für den Blumenschmuck. Von Münchnern wie von Touristen, "das wird sehr detailliert wahrgenommen". Natürlich erfreut das die Gärtner. Seltmann freut sich aber auch darüber, dass mit dem städtischen Grün in der Regel sorgsam umgegangen wird. Als "Paradebeispiel" nennt er den Gärtnerplatz. Wenn man wisse, was dort im Sommer in den Abend- und Nachtstunden los sei, dann sei es fast schon erstaunlich, dass die Pflanzen unter diesem Betrieb kaum zu leiden hätten und mutwillige Beschädigungen die große Ausnahme seien.

Die Stadtgärtner sind zuversichtlich, dass der Gärtnerplatz auch im nächsten Frühling unbeschadet aufblühen wird. Das Konzept dafür hat Seltmann bereits fertig ausgearbeitet. Denn mit der Planung der Bepflanzung sei man "immer ein Jahr voraus, damit alles zum Punkt fertig ist".

© SZ vom 19.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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