Kritik an Flüchtlingshelfern:Fürchtet-euch-Rhetorik bringt uns nicht weiter

Kritik an Flüchtlingshelfern: Hans-Eckhard Sommer

Hans-Eckhard Sommer

(Foto: AFP)

Der Bamf-Chef findet harsche Worte über Menschen, die Geflüchtete vor einer drohenden Abschiebung warnen. Besser wäre, er würde für die Integration jener arbeiten, die bleiben dürfen.

Kommentar von Constanze von Bullion, Berlin

Knapp ein Jahr ist der CSU-Politiker Hans-Eckhard Sommer jetzt Präsident des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf). Sommer wurde von seinem Parteifreund, Bundesinnenminister Horst Seehofer, als Aufräumer bestellt. Denn im Bamf schien es drunter und drüber zu gehen. Endlose Bearbeitungszeiten von Asylanträgen, fehlerhafte Entscheidungen, dazu wurden angeblich in Serie und zu Unrecht positive Asylbescheide ausgestellt: Es klang nach einem Saustall. Also flog Bamf-Chefin Jutta Cordt raus - und Sommer kam. Gehört hat man seither wenig von ihm. Kein Wunder. Viel Aufregung von damals hat sich als Hysterie erwiesen. Und jetzt? Droht in Sommers Laden die Arbeit knapp zu werden.

Die Anzahl der Asylanträge in der EU ist auf das Niveau von 2014 zurückgefallen, also auf das der Zeit vor dem großen Zuzug. Das gab neulich die Statistikbehörde Eurostat bekannt. Deutschland bleibt zwar beliebt bei Geflüchteten. Gut jeder vierte Asylantrag in Europa wurde 2018 hier gestellt. Mit 162 000 Erstanträgen blieb die Bundesrepublik aber weit unter den 200 000 Zuzüglern im Jahr, die die CSU als Obergrenze festlegen wollte.

Alarm? Überfremdung? Fehlanzeige. Zu diesem Eindruck ist wohl auch Horst Seehofer gekommen, der neuerdings bei jeder Gelegenheit betont, in die Asyldebatte müsse mehr Vernunft und Ruhe einkehren. Das ist eine späte, aber erfreuliche Erkenntnis. Im Bamf, so sagte Seehofer kürzlich auch, hätten manche Mitarbeiter jetzt angesichts rückläufiger Flüchtlingszahlen "ein bisschen mehr Luft". Anlass zu Personalkürzungen sehe er deshalb nicht, Gott bewahre. Die Behörde könnte sich künftig aber, so Seehofers zarter Hinweis, mehr um Integrationskurse und solche Sachen kümmern.

Dieses Land muss alle Kraft und mehr Geld als bisher investieren, damit die Integration gelingt

Stück für Stück werden da die Bedrohungsszenarien des vergangenen Jahres korrigiert. Endlich. Dem Schrecken über die Fremden im Land folgt in der CSU die Erkenntnis, dass Integration nottut, dringend. Denn die meisten Geduldeten werden nicht mehr gehen. Ländern und Kommunen ausgerechnet jetzt Integrationsmittel zu kürzen, wie es der Haushalt vorsieht, ist daher eine Schnapsidee.

Es muss aber auch gefragt werden, warum Bamf-Chef Sommer sein Haus nicht auf die Zukunftsaufgabe Eingliederung vorbereitet, auch verbal. Stattdessen forderte er jetzt in bekannter Fürchtet-euch-Rhetorik, es müsse strafrechtlich gegen Leute vorgegangen werden, die Geflüchtete vor bevorstehenden Abschiebungen warnen. Gemeint sind "selbsternannte Flüchtlingsräte", aber auch Helfer im Kirchenasyl. Ein entsprechender Gesetzentwurf will zudem "Veröffentlichungen" über geplante Abschiebungen unter Strafe stellen. Käme es so, wäre die Pressefreiheit betroffen.

Solche Vorhaben sind krude, sie zielen auf Verunsicherung der Zivilgesellschaft und behaupten Gefahren, die keine sind. Nein, bei der Zuwanderung ist nicht alles gut. Es gibt Menschen, die bei ihrer Identität schummeln. Es gibt Straftäter, die bestraft und abgeschoben gehören. Viel größer jedoch ist die Zahl Geflüchteter, die unbescholten sind, aber mit Nichtstun in Deutschland Jahr um Jahr verdämmern. Hier wächst der Frust, zum Schaden des Landes, das alle Kraft und mehr Geld als bisher investieren muss, damit die Integration gelingt. Das Bamf sollte da Ideen beisteuern. Jedenfalls wenn es keinem Sparprogramm anheim fallen will.

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