Nico Schulz beim DFB:Er macht einfach mal los

Nico Schulz beim DFB: Nico Schulz ist Berliner - und ein offensiver Draufgänger.

Nico Schulz ist Berliner - und ein offensiver Draufgänger.

(Foto: John Thys/AFP)
  • Nico Schulz schießt beim 3:2-Sieg in der EM-Qualifikation gegen die Niederlande das Siegtor für die deutsche Mannschaft.
  • Seine manchmal ungestümen Läufe bereichern das Spiel der Nationalelf.
  • Von seinen Mitspielern wird Schulz nicht nur als Torschütze geschätzt, sondern vor allem für seine millimetergenauen Zuspiele.

Von Matthias Schmid, Amsterdam

Der Angreifer um kurz vor Mitternacht näherte sich rücksichtslos von hinten. Groß und breitbeinig tauchte er aus dem Nichts auf und schlug auf den völlig wehrlosen Nico Schulz ein - einmal, zweimal tat er das. Doch keine Sorge, für den Gesundheitszustand des Nationalspielers war es zuträglich, dass der Angreifer bei seiner Tat lächelte und mit einer Mischung aus Begeisterung und Bewunderung gleichzeitig beim Auf-die-Schultern-Hauen laut rief: "Mann des Jahres." Dann lief Niklas Süle wieder so schnell von dannen, wie er zuvor in den Katakomben der Johan-Cruyff-Arena aufgetaucht war.

Der etwas unerwartete 3:2-Sieg der deutschen Nationalmannschaft in Amsterdam zum Auftakt der Qualifikation zur Europameisterschaft 2020 hat einige Erkenntnisse und Sieger hervorgebracht. Dazu zählt, dass sich Bundestrainer Joachim Löw offenbar nicht verbiegen lässt und dass Leroy Sané und Serge Gnabry im Duo unverschämt schnell und trickreich sind. Nicht weniger schnell, das geht oft unter, ist der Hoffenheimer Schulz, dessen manchmal ungestüme Läufe stets etwas bewirken: Dynamik. Schulz ist einer, der gerne einfach mal drauf los macht - und diese Verwegenheit tut der DFB-Elf gut.

Nach seinem Siegtor gegen die Niederlande in der 90. Minute zeigte Schulz, 25, dann was er noch kann: Er besitzt nämlich auch die Fähigkeit zum Komödianten; diese Rolle ist nach dem Ausscheiden von Thomas Müller in der Nationalelf gerade vakant. So nahm Schulz die Elogen auf seine Person mit Humor. "Auch im Training kommt es vor, dass ich mit rechts aufs Tor schieße", erklärte der Linksfuß, um dann von sich selbst erstaunt festzustellen: "Ich wollte ihn sogar in diese Ecke spielen, mit dem rechten ist das nicht so selbstverständlich."

Zweites Tor im erst sechsten Länderspiel

Der gebürtige Berliner genoss den Moment vor den vielen Mikrofonen und Kameras, am wohlsten aber fühlt Schulz sich noch immer auf der linken Seite, da kann er seine Qualitäten im Passspiel und im Antritt wunderbar ausspielen. Als Torschütze war er dabei in der Bundesliga noch nicht besonders auffällig: Er hat bisher nur vier Tore in 116 Bundesligaspielen gesammelt. Deutlich positiver fällt seine Bilanz im Dress der Nationalmannschaft aus, wo er jetzt im sechsten Spiel schon seinen zweiten Treffer erzielt hat. Vor allem in der Kategorie Siegtreffer entwickelt sich der Hoffenheimer mehr und mehr zur Spezialkraft im deutschen Team. Bereits bei seinem Debüt im September des vergangenen Jahres war ihm in Sinsheim gegen Peru das 2:1 gelungen, sechs Minuten früher allerdings.

"Der Sieg tut uns als Mannschaft sehr, sehr gut", fasste er das Erlebte zusammen. Doch es blieben Fragen: Warum er in den letzten Spielminuten wie ein handelsüblicher Stürmer in die Tiefe gesprintet ist etwa? "Frag' mal Marco", antwortete Schulz im TV-Interview mit RTL und klärte seinen ungewöhnlichen Laufweg recht salopp auf: "Marco Reus hatte sich auf meine Position gesetzt, da musste ich ja irgendwo anders hin. Und dann habe ich alles in meinen rechten Huf gelegt."

Seine Mitspieler und auch der Bundestrainer würdigten danach nicht nur sein Siegtor, sondern auch seine sonstigen Fähigkeiten. Das millimetergenaue Zuspiel vor der 1:0-Führung durch Leroy Sané war aus seinem feinen linken Füßchen entsprungen. "Der Pass von Nico beim 1:0 war überragend gespielt, flach, so wie wir das auch besprochen hatten", hob Löw hervor. Und İlkay Gündoğan, der mit seinem Geistesblitz auf Reus das 3:2 vorbereite hatte, erklärte: "Marco hat da einen super Laufweg gemacht. Das kenne ich ja noch ein Stück weit von der BVB-Zeit. Ich brauchte ihn nur noch reinlegen. Dann haben Marco und Nico den Rest erledigt und den Sieg eingetütet."

Mit dem Erfolg gegen Holland hat sich Löw auch etwas Ruhe für seinen Neuaufbau verschafft, der dem einen oder anderen zu radikal ausgefallen war. Das Weltmeistertrio Thomas Müller, Mats Hummels und Jérôme Boateng fehlte ja nun zum zweiten Mal, es sind neue Zeiten beim DFB. Mit neuem Personal - Leuten wie Schulz. Der konnte jedenfalls keinen Qualitätsabfall erkennen und fand, "dass wir vielleicht doch nicht so schlecht sind, dass wir immer noch Deutschland sind, ein gutes Team mit gutem Spirit".

Er selbst hofft darauf, dass sein Treffer und seine vielen auffälligen Aktionen ihn im linken Mittelfeld weiter Richtung Stammplatz gebracht haben. Auch wenn er noch die eine oder andere Schwäche offenbarte, wenn es darum ging, in der Defensive Flanken zu verhindern. "Klar sind einige Spieler weggefallen, aber wir haben trotzdem noch eine gute Mannschaft auf dem Platz", bekräftigte er. Ihn selbst eingeschlossen.

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