Gefeiertes Abschlusskonzert:Brillant, filigran, inspirierend

Gefeiertes Abschlusskonzert: Das "Doric String Quartet" kommt ins Tölzer Kurhaus.

Das "Doric String Quartet" kommt ins Tölzer Kurhaus.

(Foto: George Garnier /oh)

Das exzellente "Doris String Quartet" setzt den Schlusspunkt unter den Ickinger Frühling. Das Programm folgt der Dramaturgie von Willkommen, Abschied und Weiterreisen. Dem Publikum bleibt die Hoffnung aufs Wiederkommen

Von Paul Schäufele, Icking

Der junge Beethoven lädt zum Aufbruch ein, der späte Britten erzählt vom Abschied. Was dann folgt, ist einer der Schubertschen Spaziergänge durch Tonarten und Melodien. Das Konzert, mit dem das exzellente Doric String Quartet den "Ickinger Frühling" beschloss, folgte dieser suggestiven Programmdramaturgie: Willkommen, Abschied, Weiterreisen. Und nächstes Jahr wiederkommen. Bei dem insgesamt faszinierenden Quartettaufgebot sollte es da aber keiner Überredungskünste bedürfen, die musikalische Qualität spricht für sich.

Was die vier Musiker des Doric String Quartets aus Beethovens B-Dur-Quartett Opus 18 Nummer 6 machen, zum Beispiel: Der Kopfsatz, thematisch eher dünn, wird hier zum heiteren Konversationsstück, präsentiert mit britischem Understatement. Mit lässiger Beweglichkeit spielt man sich Themenversatzstücke zu, entwickelt lebendige Dialoge zwischen den Instrumenten und rückt dabei harmonisch (fast unmerklich) in Gebiete vor, die dann Schuberts Terrain werden sollen. Ohne übertriebenen Ausdruck klingt der Adagio-Satz, in dem das Quartett schon andeutet, dass seine Stärke vor allem im Pianissimo liegt. Der quasi vibratolos musizierte Mittelteil in dunklem es-Moll nimmt schon etwas von der Abgründigkeit des Finales vorweg. Zunächst aber fegt noch ein jubelndes Scherzo mit ver-rücktem Metrum (eine veritable Synkopenfeier) den Trauerflor weg. Umso stärker wirkt dann der Schlusssatz, den Beethoven selbst "La Malinconia" überschrieben hat. Der schlanke Ton des Quartetts und die ausgestellte Entwicklungslosigkeit der Adagio-Takte macht aus diesen immer wiederkehrenden langsamen Teilen des Satzes Momente leidvollen Stillstands. Dagegen wirken auch die tänzerischen Perpetuum-mobile-Episoden eher als ablenkender Zeitvertreib denn als wirksames Mittel gegen die Schwermut.

Damit wird ein Thema berührt, das auch in Benjamin Brittens drittem Streichquartett von Bedeutung ist. Das Spätwerk greift auf instrumentale Weise sein Lebensthema auf, das auch in der gleichzeitig entstandenen Oper "Death in Venice" im Zentrum steht: verbotene Annäherung und notwendige Trennung. Und so entstehen im ersten der fünf Sätze ("Duets") alle möglichen Instrumentenpaare, in denen dennoch die schmerzhaften Tendenzen zur Dissoziation zum Ausdruck kommen - auch im Duett behält jeder der Spieler sein Timbre: Primarius Alex Redington brilliert mit heller Klangfarbe, die sich deutlich von der seiner Spielpartnerin Ying Xue abhebt, Hélène Cléments Viola (eine Leihgabe, auf der Britten selbst spielte) klingt erdig-weich, während John Myerscoughs Cellopart auch hier durch pathoslosen Gesang überzeugt.

Es ist diese vornehme Abneigung gegen Klangschwärmerei und Affektüberladung, welche die Interpreten verbindet. Im dritten Satz etwa gestaltet sich das Violinsolo zum endlosen Vogelgesang, der in einem optimistischen Ausbruch kulminiert, begleitet von Pizzicato-Getröpfel und Glissando-Jauchzen. Das bleibt alles fein und artikuliert, damit so offen und unabgeschlossen, dass das Satzende in lichtem Flageolett-Nebel als einzig mögliche Lösung erscheint. Die rustikale, mit schnalzender Cellosaite und drehleierhaft kreisenden Rhythmen gekratzte Burlesque bildet den Auftakt zum ausgedehnten Finale. Über Themen aus Brittens letzter Oper entspinnt sich ein Passacaglia-Satz, in dem sich die hohen Streicher in ekstatische Höhen schrauben, bevor das Cello mit nobler Geste antwortet. Aushauchender Schluss in zartestem E-Dur: "dying away".

Diese klangvollen, zugleich filigranen Klangflächen gehören auch zur Tonsprache in Schuberts letztem Streichquartett G-Dur. In flirrende Tremoloketten wagt sich langsam tastend so etwas wie ein Thema vor. Naheliegend, dass es nicht diese melodische Gestaltlosigkeit ist, aus dem sich der Satz in die Breite fortspinnt, sondern ein tieferliegender Konflikt. Es geht um die Tonart - G-Dur oder g-Moll, ein Halbton hin oder her, aus der Meditation über diese Differenz ergibt sich eine Dreiviertelstunde Musik. Auch das sind in der Tat "himmlische Längen" (so Schumann über Schuberts letzte Symphonie). Im Fall dieser Musiker spielt das keine Rolle, Schuberts Fähigkeit, das Zeitgefühl seiner Zuhörer aus den Angeln zu heben, bringen sie zum Glänzen, weil sie das seltene Gleichgewicht zwischen formvergessener Wiederholungsseligkeit und akribischer Detailgestaltung finden. Besondere Hörmomente sind etwa die irritierend schrillen Triolen der ersten Geige im Kopfsatz oder das an einen Tanz aus alter Zeit erinnernde Cello-Solo im zweiten, das in geradezu opernhafte Klangeffekte mündet. Das Scherzo ein blitzsauber gespielter Teufelstanz vor einem bipolaren Finale, in dem nochmals daran erinnert wird, dass der Casus Belli die Frage nach dem Tongeschlecht war. Dazwischen immer wieder Raum für eigene Gedanken. Ob der Dur-Schluss überzeugt, sei dahingestellt. Überzeugend, und das bestätigt die Publikumsreaktion, war die Leistung des Doric String Quartets. Beifallsstürme für das Abschlusskonzert eines inspirierenden Festivals.

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