Urheberrechtsreform:"Ich weiß, dass viele jetzt etwas frustriert sind"

Axel Voss, Urheberrecht, EU-Parlament

Die Spannung darf entweichen: EU-Parlamentarier Axel Voss zeigt sich nach der Zustimmung zur Urheberrechtsreform erleichtert.

(Foto: AFP)
  • Das Europaparlament hat den umstrittenen Kompromiss zur Urheberrechtsreform angenommen.
  • Wie sehr das Thema emotionalisiert, zeigt sich auch in Straßburg noch einmal.
  • Streckenweise macht es den Eindruck, als würde hier keine europäische, sondern eine deutsche Auseinandersetzung geführt.
  • In Deutschland dürfte die Debatte über die Änderungen beim Urheberrecht mit der Abstimmung noch nicht vorbei sein.

Von Karoline Meta Beisel, Straßburg

Backen aufblasen, dann langsam die Luft rauslassen. Man konnte dem CDU-Abgeordneten Axel Voss die Erleichterung im Gesicht ablesen, als es am Dienstag vollbracht war. Mit einer deutlichen Mehrheit nahmen die Abgeordneten des Europaparlaments am Mittag den Kompromiss zur Urheberrechtsreform an, den Voss zuvor im Auftrag des Parlaments mit den EU-Mitgliedstaaten ausgehandelt hatte. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Selbst langjährigen Mitarbeitern des Europaparlaments fällt spontan nicht ein, wann solch ein Kompromiss vom Plenum einmal nicht bestätigt wurde.

Die Erleichterung in Voss' Gesicht zeigt aber, dass das Ergebnis am Dienstagmittag alles andere als selbstverständlich war. Einem ersten Antrag, über einzelne Aspekte der Reform gesondert abzustimmen, um die umstrittensten Artikel des Gesetzeswerks noch einmal zu ändern oder herauszunehmen, fehlten nur fünf Stimmen. Am Ende aber bestätigten die Abgeordneten das Gesamtpaket, unter anderem mit den Stimmen fast aller Unionsabgeordneten. Die deutschen Sozialdemokraten stimmten nahezu geschlossen dagegen, doch sie blieben in der Minderheit. So umkämpft wie der Reformvorschlag für das Urheberrecht war kein anderes Gesetz in der zu Ende gehenden Legislaturperiode.

Das hatte auch die zeitweise sehr emotionale Parlamentsdebatte am Vormittag noch einmal gezeigt. "Das ist keine rationale Sitzung eines Parlaments", sagte ein tschechischer Abgeordneter der Linken. "Das erinnert mich eher an das Finale einer Fußball-Weltmeisterschaft."

Julia Reda, Abgeordnete der Piratenpartei, die zu den schärfsten Kritikern der Reform gehört, musste ihren Vortrag wegen vielfacher Zwischenrufe aus dem Lager der Befürworter sogar unterbrechen, was den Abgeordneten einen Tadel der Parlaments-Vizepräsidentin Mairead McGuinness einbrachte: "Ich freue mich ja, dass Sie heute morgen alle so wach sind, aber wir sollten Frau Reda die Gelegenheit geben, ihre Rede zu halten." Dem CDU-Abgeordneten Daniel Caspary wiederum drehte die Vizepräsidentin später das Mikrofon ab, nachdem seine 30 Sekunden Redezeit überschritten waren.

In ihrem Beitrag setzte sich Reda dann auch nicht mehr so sehr mit den Inhalten der Reform auseinander - die Argumente waren in den zurückliegenden Wochen ja vielfach ausgetauscht worden -, sondern kritisierte die Form der Debatte. Jeder, der kritische Anmerkungen zum Gesetzentwurf vorgebracht hätte, sei sogleich mit Beleidigungen überzogen worden. Kritikern würde vorgeworfen, sich von den Tech-Konzernen instrumentalisieren zu lassen oder gleich automatisierte "Bots" zu sein. "Aber alle diese Diffamierungen sind frei erfunden und leicht zu widerlegen", sagte Reda. Im Übrigen hätten nicht nur Youtube-Nutzer die Reform kritisiert, sondern auch der Bundesdatenschutzbeauftragte oder der Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für die Meinungsfreiheit.

"Zensur ist in China, da ist aber kein Urheberschutz"

"Ich traue Google und Facebook auch nicht, und ich möchte sie treffen, wo es ihnen wirklich wehtut", bekräftigte der schwedische Abgeordnete Max Andersson. "Aber das hier ist nicht richtig."

Auch Axel Voss, der zuständige Berichterstatter für den Gesetzentwurf, kritisierte die Debatte der vergangenen Wochen, wenn auch aus der entgegengesetzten Richtung. Die Tech-Konzerne hätten während der Verhandlungen zu der Reform "Governance by Shitstorm" betrieben. Der ausgehandelte Kompromiss sei nicht so gefährlich, wie die Kritiker behaupteten: "Ich weiß, dass viele jetzt etwas frustriert sind", sagte Voss nach der Entscheidung. "Aber auch denen möchte ich zurufen: So schlimm wie es in den letzten Tagen und Wochen ausgemalt wurde, wird es gar nicht."

Ähnlich sieht das auch die grüne EU-Abgeordnete Helga Trüpel, mit Zensur habe all das nichts zu tun: "Zensur ist in China, da ist aber kein Urheberschutz." Sie sieht in der Reform eine Art Win-win-win-Situation. Künftig gebe es "keine Abmahnwellen mehr, die Plattformen müssen Verantwortung übernehmen, Journalisten werden fair bezahlt", sagte sie.

Nirgendwo war der Protest so heftig wie in Deutschland

Insgesamt machte es am Dienstag streckenweise den Eindruck, als würde in Straßburg keine europäische, sondern eine deutsche Auseinandersetzung geführt - nur eben auf der internationalen Bühne.

Das dürfte zum einen damit zu tun haben, dass nirgendwo in Europa der Protest gegen die Reform so heftig war wie in Deutschland. Allein am vergangenen Wochenende gingen in vielen deutschen Städten Zigtausende Menschen auf die Straße, um gegen die besonders umstrittenen Aspekte des Gesetzes zu demonstrieren: gegen Artikel elf (im fertigen Gesetz wird er Artikel 15 heißen), der Presseverlegern ein Leistungsschutzrecht einräumt, wenn Nachrichtenverwerter wie Google News Schnipsel aus Pressetexten verwenden; sowie gegen Artikel 13 (jetzt: Artikel 17), der die grundsätzliche Haftung für Urheberrechtsverletzungen auf Youtube und anderen Internetseiten diesen Seiten selbst auferlegt.

Kritiker fürchten, dass sich die Plattformen vor dieser Haftung durch die besonders umstrittenen Uploadfilter schützen könnten, die erst einmal alles scannen, was hochgeladen wird - und im Zweifel auch vollkommen legalen Inhalten den Weg in die Öffentlichkeit verwehren könnten - auf Kosten der Meinungsfreiheit.

Zum anderen dürfte die Debatte in Deutschland auch mit der Straßburger Entscheidung von Dienstag noch nicht ganz vorbei sein. Denn bevor das neue Gesetz tatsächlich in Kraft treten kann, müssen auch die Mitgliedstaaten den Kompromiss noch einmal bestätigen. Das soll voraussichtlich Anfang April geschehen.

Den Kritikern gibt Hoffnung, dass die Bundesregierung den Kompromiss im Rat der Mitgliedstaaten bislang zwar mitgetragen hat, die SPD-Justizministerin Katarina Barley aber nun schon seit einer Weile beschwört, sie wolle keine Uploadfilter. Zuletzt hat auch die Union angekündigt, bei der Umsetzung der Reform in nationales Recht auf diese verzichten zu wollen. Kritikerin Reda glaubt allerdings, dass eine Lösung ohne Uploadfilter europarechtlich gar nicht zulässig wäre, und hält einen deutschen Alleingang in dieser Sache auch für wenig sinnvoll.

Berichterstatter Axel Voss, der in den vergangenen Wochen und Monaten besonders in der Kritik stand, findet am Dienstagnachmittag für solche Gedankenspiele deutliche Worte: "Es wäre ein Schlag ins Gesicht aller Beteiligten, wenn Deutschland hier seine Position noch einmal extrem ändern würde."

Zur SZ-Startseite
Artikel 13 - Proteste gegen neues Urheberrecht 2019 in Stuttgart

MeinungContra Urheberrechtsreform
:Schluss mit dem Gerede von den Marionetten!

Beim Ringen um die Urheberrechtsreform wurde so viel Unsinn behauptet, man hätte sich einen Filter dagegen gewünscht. Im Streit um die Reform haben nun Lobbys und nicht Bürger gewonnen.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: