In der  Kirche Maria Hilf:Das Ende der Welt im Frühlingserwachen

In der  Kirche Maria Hilf: Johannes Buxbaum am Pult, der "Isura-Madrigal-Chor" und das "Lodron Ensemble" interpretieren das Mozart-Requiem tadellos - trotz der Tücken der Kirchenakustik.

Johannes Buxbaum am Pult, der "Isura-Madrigal-Chor" und das "Lodron Ensemble" interpretieren das Mozart-Requiem tadellos - trotz der Tücken der Kirchenakustik.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Der "Isura-Madrigal-Chor" präsentiert in Geretsried eine großartige Aufführung des Mozart-Requiems

Von Klaus-Peter Volkmann, Geretsried

Frühlingserwachen in der Natur - Konfrontation mit dem Jüngsten Gericht im Mozart-Requiem: Dieses Kontrastprogramm hat am Sonntag ein Konzert des Isura-Madrigal-Chors in der Geretsrieder Kirche Maria Hilf geboten, das den Besuchern in nachhaltiger Erinnerung bleiben dürfte. Um den Übergang vom Leben draußen zur Totenmesse drinnen etwas milder zu gestalten- vielleicht auch, um das kurze Musikprogramm des Requiems zu erweitern - wurde dem Chorwerk zu Beginn das Violinkonzert in d-Moll von Johann Sebastian Bach vorangestellt. Immerhin wurden die Zuhörer damit schon auf die Tonart des Requiems eingestimmt. Eine weitere Beziehung zwischen den beiden Werken ist allerdings nicht erkennbar, hier wären passendere Alternativen denkbar. So wirkte das Solokonzert doch eher als "Provisorium", dessen Präsentation durch das Lodron Ensemble München mit seinem Leiter und Solisten Ulrich König zudem einige Schwächen aufwies. Das nachfolgende Requiem ließ dies jedoch schnell wieder vergessen - hier erfüllte das Ensemble die Erwartungen makellos.

"Dies irae" (Tag des Zornes) - "Lacrimosa" (voller Tränen) - unmissverständlich offenbart der Text die Dramatik des Jüngsten Gerichts. Vielfach haben Komponisten versucht, den aufwühlenden Worten der Totenmesse mit ihrer Musik eine besondere Eindringlichkeit zu verleihen. Das Mozart-Requiem nimmt hier einen herausragenden Platz ein. Kaum eine Vertonung hat die Welt seit ihrer Entstehung so intensiv beschäftigt wie diese Partitur. Die Gründe liegen auf der Hand: Da sind die Spekulationen und Mythen, die sich von Beginn an um die Entstehungsgeschichte ranken; die im Original überlieferten Teile beziehungsweise Skizzen der Komposition, über deren Ausarbeitung der kaum 36-jährige Mozart unerwartet verstarb; schließlich die Bemühungen all derer, die das Werk kurzfristig vollendet wissen wollten.

Die original erhaltenen Entwürfe und Fragmente aus Mozarts Feder wurden kurz nach seinem Tod vor allem von seinem Schüler Franz Xaver Süßmayr im Detail ausgearbeitet und behutsam ergänzt. Das Mozart-Requiem, wie es heute aufgeführt wird, beruht - auch in späteren Bearbeitungen - primär auf dieser "Urfassung". All dies mag uns in den Sinn kommen, wenn wir das Werk heute erleben. Doch schon mit den ersten Tönen sind alle Besonderheiten vergessen, spricht aus der Musik Mozarts Genie, seine Ehrfurcht vor dem allmächtigen Gott und dessen Weltgericht am Ende aller Zeit, werden Trauer, Bitten und Hoffnung auf Erbarmen und ewige Ruhe in eindringlichster Weise hörbar - und vermitteln damit Einblicke in ein Seelenleben, das womöglich bereits dem nahenden Lebensende zugewandt ist.

Lässt zu Beginn das Bittgebet des Introitus noch eine gefestigte gläubige Ruhe erkennen, so zeichnet sich schon im nachfolgenden Kyrie die unaufhaltsame dramatische Entwicklung ab - in einer markanten, barock angelegten Doppelfuge, die den Chor mit virtuosen Koloraturen herausfordert, und endend im vollen Tutti des Orchesters - mit dem archaischen Klang einer leeren d-moll-Quinte, wie ein Innehalten vor dem Grauen, das nun im Jüngsten Gericht des "Dies irae" losbricht. Über dem rasenden Tremolo der Streicher und schneidenden Trompetenfanfaren artikuliert der Isura-Madrigal-Chor glasklar und ausdrucksstark das Geschehen. Im "Tuba mirum" dann die Posaune mit ihrem Weckruf der Seelen zum Gericht - ein zunächst prägnant, dann wunderbar melodisch gestaltetes Solo des Posaunisten - im Übergang zum Solo-Quartett, das Roswitha Schmelzl (Sopran), Iris Prégardien (Alt), Julian Prégardien (Tenor), Joachim Höchbauer (Bass) übernommen haben. Ihre Stimmen erweisen sich als Idealbesetzung, ausdrucksstark und perfekt harmonierend, etwa im "Recordare" - nach einer melodisch einfühlsamen Einleitung durch die beiden Bassetthörner.

Nicht nur die Solisten begeistern, auch der Chor: durch saubere Intonation, klare und reine Stimmführung sowie eine differenzierte Dynamik. Höhepunkte bilden hier vor allem die im Ausdruck hart kontrastierenden Abschnitte im "Confutatis" sowie das ergreifende "Lacrimosa", über dessen Ausarbeitung Mozarts Notation abbricht - ruhig fließend im Tempo und mit einer dramatischen Steigerung hin zur letzten Bitte um Ruhe und Frieden am Ende dieses Satzes.

Nicht zuletzt tadellos danach die von Süßmayr ergänzten Teile des Requiems. Bedauerlich nur, dass viele Feinheiten der Qualität des Chors wiederholt Gefahr liefen, der Kirchenakustik zum Opfer zu fallen. Auch die Bemühungen des Dirigenten, das Klangvolumen des ohnehin kleinen Orchesters weiter zu reduzieren, konnten dieses Problem nur ansatzweise lösen.

Unabhängig davon - Johannes Buxbaum lieferte mit seinem Mozart-Konzert in der voll besetzten Maria-Hilf-Kirche erneut einen Beleg für seine Qualitäten als erfolgreicher Leiter des inzwischen auch überregional renommierten Isura-Madrigal-Chors. Ihm und allen Mitwirkenden dankte das Publikum für eine großartige Aufführung ernster Musik mit langem Beifall - ehe es durch die Kirchentüren zurückkehrte ins unbeschwerte Frühlingserwachen davor.

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