Ermittlungen bei der Bild:Angriff auf die Pressefreiheit?

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Kein Einlass: Am Wochenende sind Ermittler offenbar an der Tür des Axel-Springer-Verlags abgeblitzt.

(Foto: Sean Gallup/Getty)

"Staatsanwaltschaft will Bild ohne Durchsuchungs-Befehl durchsuchen", meldete die Zeitung am Montag. Das scheint so nicht ganz zu stimmen - hat aber trotzdem einen sehr ernsten Hintergrund.

Von Jens Schneider

Die Überschrift war von großer Dramatik geprägt. Ganz so, wie es dem Naturell der Bild -Zeitung entspricht. Die Schilderung im Artikel darunter klang mindestens nach einem versuchten Angriff auf die Pressefreiheit. Tatsächlich könnte die Sache, wie so oft bei diesem Blatt, um einiges komplexer gewesen sein als in der eigenen Darstellung. Und doch geht es am Ende um ein hohes Gut, um den für jedes Medienunternehmen gebotenen Schutz von Nutzerdaten. An diesem Montag meldete das Blatt auf Seite eins unten: "Staatsanwaltschaft will Bild ohne Durchsuchungs-Befehl durchsuchen." In vier Absätzen wurde geschildert, dass am vergangenen Samstagnachmittag Polizisten versucht hätten, "Zugang bei Bild zu bekommen". Die Ermittler hätten Zugriffsdaten von Lesern beschlagnahmen wollen. Man habe sie direkt am Eingang abgewiesen, da sie ohne richterlichen Durchsuchungsbeschluss gekommen seien.

Bild-Chefredakteur Julian Reichelt ließ sich mit den Worten zitieren, dass seine Zeitung "wegen des hohen Gutes des unantastbaren Informantenschutzes niemals freiwillig Daten von Lesern oder Informanten herausgeben" würde. In Gang gebracht hatte die Angelegenheit die Staatsanwaltschaft in Frankfurt am Main, als sie Ermittler zur Redaktion schickte. Die Staatsanwaltschaft stellt den Vorgang allerdings ganz anders dar.

Unbestritten ist zunächst einmal, dass es um Ermittlungen des Hessischen Landeskriminalamtes von erheblicher Bedeutung geht. Hintergrund des Besuchs der Ermittler ist der Verdacht der Bedrohung und der Volksverhetzung in einem Fall, der seit Längerem öffentlich bekannt ist: Seit Dezember 2018 sucht die Frankfurter Staatsanwaltschaft nach den Verfassern von üblen Drohungen und Beleidigungen gegen eine Rechtsanwältin in der hessischen Metropole. Die Täter hatten der Anwältin Drohbriefe gesandt und diese Drohungen mit "NSU 2.0" unterschrieben.

Offenkundig handelt es sich um die schriftlichen Drohungen gegen eine türkischstämmige Anwältin, die die Familie eines NSU-Mordopfers vertreten hatte. In diesem Fall wird auch gegen mehrere inzwischen suspendierte Frankfurter Polizisten ermittelt, weil interne Daten aus dem Polizeicomputer in den Drohbriefen aufgetaucht sind. In der vergangenen Woche stießen die Ermittler offenbar auf Anhaltspunkte, dass die Daten von Nutzern der bild.de-Webseite für ihre Ermittlungen relevant sein könnten. Die Frankfurter Staatsanwaltschaft erklärt dazu etwas umständlich, dass sich im Zuge der Ermittlungen neue Erkenntnisse ergeben hätten, welche "die Erhebung von Daten im Zusammenhang mit Zugriffen auf bestimmte, öffentlich zugängliche Online-Inhalte beim Axel-Springer-Verlag erforderlich machten".

Weil diese Nutzerdaten nur für eine kurze Zeit gespeichert würden, habe die Staatsanwaltschaft den Axel-Springer-Verlag mittels Eilanordnung telefonisch und per Fax zur Herausgabe der Daten verpflichten wollen. Weil der Verlag nicht reagiert habe, sei dann an dessen Sitz in Berlin das dortige Landeskriminalamt um Unterstützung gebeten worden. Eine "Durchsuchung" der Geschäftsräume des Verlags sei aber zu keinem Zeitpunkt beabsichtigt gewesen, erklärt die Frankfurter Staatsanwaltschaft weiter und spricht in diesem Zusammenhang von einer missverständlichen Darstellung.

Nach ihrer eigenen Schilderung handelt es sich deshalb auch nicht um einen Eingriff in die vom Grundgesetz geschützte Pressefreiheit, "sondern das Anliegen, die im Raum stehenden massiven Straftaten mit zeugenschaftlicher Unterstützung durch ein Medienunternehmen aufzuklären". Aber ist das tatsächlich etwas anderes? Für Springer nicht.

"Die Etikettierung der Vorgehensweise spielt für unseren Rechtsstandpunkt keine Rolle", sagte ein Sprecher des Axel-Springer-Verlags am Dienstag auf Anfrage. "Faktisch wollte das LKA Wiesbaden die Herausgabe von Leserdaten." Es sei ein legitimes Anliegen des Verlags, diese zu schützen. "Entscheidend ist, dass eine solche Herausgabeforderung unsere grundrechtlich geschützten Rechte berührt." Relevanz hätte allenfalls eine richterliche Anordnung und auch gegen diese würde die Redaktion, wie in Bild angekündigt, sämtliche Rechtsmittel ausschöpfen.

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