Nachruf:Friedrich Achleitner tot

Friedrich Achleitner; Friedrich Achleitner

Sprachkünstler und Architekt: Friedrich Achleitner, geboren 1930, gestorben 2019.

(Foto: Herbert Neubauer/dpa)

Er war ein Sprachkünstler und Architekt, er schrieb über Architektur, wie das nur ein Artchitekt kann, der eigentlich Autor ist: Am Mittwoch ist Friedrich Achleitner gestorben.

Von Wolfgang Kralicek

Dafür, dass Architektur und Literatur mehr als die Endsilbe gemeinsam haben, war Friedrich Achleitner das anschaulichste Beispiel. Der 1930 geborene Oberösterreicher war Architekt, wurde aber als Schriftsteller bekannt. Nach dem Studium bei Clemens Holzmeister an der Wiener Akademie der bildenden Künste war Achleitner als Architekt nur ein paar Jahre lang aktiv. Auf einem Sommerfest in der Villa des Malers Arnulf Rainer hatte er 1955 den Dichter Gerhard Rühm kennengelernt, der mit H.C. Artmann, Konrad Bayer und Oswald Wiener eine Arbeitsgemeinschaft betrieb, die als "Wiener Gruppe" berühmt werden sollte.

Achleitner schloss sich der Gruppe an und besann sich beim Schreiben seines oberösterreichischen Dialekts: "koa oanung / von / duddn und blosn // owa // a nosn / a nosn // middn im gsichd". Er war wohl das ruhigste Mitglied der Gruppe, auch bei Aktionen agierte er zurückhaltend. "Eine Geschichte hieß ,Achleitner als Biertrinker'", erinnerte er sich später. "Da habe ich halt ein Bier getrunken." Seine Gedichte und sein experimenteller "quadratroman" (1973) werden der Konkreten Poesie zugeschrieben. Gibt es einen passenderen Begriff für das Werk eines schreibenden Architekten?

Der Baukunst widmete er sich bald nur noch schreibend. Er verfasste Architekturkritiken für die Wiener Tageszeitung Die Presse und unterrichtete an der Wiener Akademie Geschichte der Baukonstruktion. 1983 übernahm er die Lehrkanzel für Geschichte und Theorie der Architektur an der Universität für angewandte Kunst. Seit 1965 arbeitete er an seinem mehrbändigen Hauptwerk "Österreichische Architektur des 20. Jahrhunderts", das er 2010, nach 45 Jahren, für abgeschlossen erklärte (den Band über Niederösterreich hat er nicht mehr geschafft). In dem enzyklopädischen Standardwerk - genannt "der Achleitner" - war er vor allem darauf bedacht, die Qualitäten "anonymer" Architektur ins Recht zu setzen. "Meine Aufgabe war zu schauen, was interessant ist", sagte er. "So habe ich mir meine Architekturkritik ruiniert. Als Kritiker habe ich nur danach geschaut, was schlecht ist. Dann habe ich nur mehr geschaut, was gut ist."

Nach seiner Emeritierung 1998 nahm Achleitner die literarische Produktion wieder auf; regelmäßig erschienen - oft wieder im Dialekt verfasste - Texte, denen der Schalk im Nacken saß. So wie hinter Friedrich Achleitners seriöser Architektenbrille stets zwei wache, heitere Augen hervorblitzten. Er schrieb über Architektur, wie das nur ein Architekt kann, der eigentlich Schriftsteller ist. Und umgekehrt. Am Mittwoch ist Friedrich Achleitner in Wien gestorben. Er wurde 88 Jahre alt.

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