Nach Monsanto-Urteilen:Bayer ist vom Gift gelähmt

Nach Monsanto-Urteilen: Französische Aktivisten besprayen die Frankreich-Zentrale in der Nähe von Paris mit gelber Farbe.

Französische Aktivisten besprayen die Frankreich-Zentrale in der Nähe von Paris mit gelber Farbe.

(Foto: AP)

Bayer-Chef Baumann wollte den guten Ruf seiner Firma auf das Schmuddelkind Monsanto übertragen. Passiert ist das genaue Gegenteil.

Kommentar von Claus Hulverscheidt, New York

Wer wissen will, wie es einer deutschen Firma ergehen kann, die in die Fänge der US-Justiz gerät, sollte sich noch einmal den Fall VW anschauen. Mehr als 20 Milliarden Dollar an Strafen und Entschädigungen muss der Autobauer allein in den USA dafür zahlen, dass er Kunden und Behörden beim Stickstoffausstoß übers Ohr gehauen hat. Die Prozesswelle, die jetzt auf den Pharmariesen Bayer zurollt, droht noch gewaltiger zu werden, denn hier geht es nicht nur um Betrug, sondern um den Verdacht, dass das Pflanzenschutzmittel Glyphosat der neuen Konzerntochter Monsanto krebserregend ist. Sollten die ersten beiden Urteile in der Sache ein Fingerzeig sein, könnte gar die Existenz von Bayer in ihrer bisherigen Form auf dem Spiel stehen.

Sicher, so weit muss es nicht kommen. Unter den bislang 11 000 Beschwerdeführern in den Vereinigten Staaten sind aller Erfahrung nach auch Trittbrettfahrer und Marionetten der US-Klageindustrie, zudem wird es Fälle geben, in denen sich die Erkrankung nicht auf Glyphosat zurückführen lässt oder jemand das Mittel nicht sachgerecht angewandt hat. Und doch: Selbst wenn künftige Urteile günstiger für Bayer und Konzernchef Werner Baumann ausgehen sollten, wäre die Zukunft des Unternehmens damit nicht gesichert. Denn es gibt zahlreiche weitere Probleme.

Da ist etwa der Imageverlust, der schon heute gigantisch ist und Bayer lange belasten wird. Baumanns Idee war es, den guten Ruf seiner Firma auf das Schmuddelkind Monsanto zu übertragen. Stattdessen passiert das Gegenteil: Das Unternehmen wird zunehmend vom Gift gelähmt, das ihm Monsanto bei der Adoption injiziert hat. Ausgerechnet an der Börse, jener Kapitale der Zahlen, Fakten und kalten Herzen, lässt sich der Reputationsschaden bereits in Euro und Cent ablesen: Bayer ist heute weniger wert, als der Konzern für die Tochter bezahlt hat. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Schnäppchenjäger auftauchen, die dafür bekannt sind, große Firmen zu unterwandern und sie dann gewinnbringend zu verkaufen. Die ersten dieser aggressiven Finanzinvestoren stehen wohl schon vor der Tür.

Darüber hinaus droht Bayer in den USA noch Gefahr von ganz anderer Seite: Die demokratische Präsidentschaftsbewerberin Elizabeth Warren will bei einem Wahlsieg die Landwirte aus dem "Würgegriff" der Agrochemieindustrie befreien und die Monsanto-Übernahme stornieren. Natürlich kann man sagen: Wer, bitte schön, ist Elizabeth Warren? Doch die Kritik an allzu marktbestimmenden Firmen ist selbst unter Republikanern spürbar gewachsen. Bayer steht hier besonders im Fokus, denn es gehört ja zum Kern der Monsanto-Strategie, bäuerliche Betriebe mit oft genverändertem Saatgut und darauf abgestimmten Pflanzenschutzmitteln gewissermaßen von sich abhängig zu machen.

Die Probleme sind mittlerweile so gewaltig, dass sich die Frage stellt, ob Baumann als Initiator der Fusion sie noch lösen kann. Statt den Mahnern, die auf die Schwachpunkte bei Monsanto verwiesen, vertraute er den Wissenschaftlern und ihrer Zusage, Glyphosat sei sicher. Statt das Imageproblem mit einem mehrschichtigen Konzept anzugehen, versuchte er es mit einer simplen Namensänderung. Und statt Bayer auf ein breiteres Fundament zu stellen, hat er den Sockel regelrecht durchlöchert. Womöglich hat Werner Baumann, der sich aufmachte, mit der Fusion sein Lebenswerk zu krönen, das Lebenswerk von Friedrich Bayer damit zerstört.

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