Regensburg:Urteil im Wolbergs-Prozess zieht sich bis zum Sommer hin

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Mit seinen wöchentlichen Video-Botschaften will Joachim Wolbergs "das letzte Stück Vertrauen, das die Menschen noch in mich haben" erhalten. (Foto: Armin Weigel/dpa)
  • Am 9. Mai sollte das Urteil im Korruptionsprozess in Regensburg fallen.
  • Aber daraus wird nun doch nichts, das Verfahren zieht sich bis mindestens in den Juni.
  • Eigentlich sollten die Wolbergs-Anwälte ihr Plädoyer schon halten. Doch diesen Plan haben die Verteidiger des Bauunternehmers Volker Tretzel durchkreuzt, die einen umfangreichen Beweisantrag ankündigten.

Von Andreas Glas, Regensburg

Auch Jürgen Huber sitzt am Donnerstag in Saal 104 des Regensburger Landgerichts. Der Dritte Bürgermeister Huber (Grüne) umarmt den suspendierten Oberbürgermeister Joachim Wolbergs (SPD), dann gehen beide auf ihre Plätze. Huber setzt sich in die erste Zuschauerreihe, Wolbergs auf die Anklagebank. Es folgt das übliche Szenario: Die Richterin betritt den Saal, ihre Kollegen und die Schöffen im Schlepptau. Die Angeklagten erheben sich, auch Strafverteidiger und Zuschauer. Seit Ende September wiederholt sich das, seit 47 Prozesstagen. In sechs Wochen sollte damit Schluss sein, am 9. Mai sollte das Urteil im Korruptionsprozess fallen. Aber daraus wird nun doch nichts.

"Es zieht sich etwas", sagt Richterin Elke Escher und verteilt eine neue Terminliste. Auf der Liste stehen elf weitere Prozesstage, ursprünglich waren noch sieben geplant. Auch die Pausen zwischen den Prozesstagen sind auf der neuen Liste länger. Kurz vor der Zielgeraden kommt der Wolbergs-Prozess also ins Stottern. Fast zwei Monate mehr stehen nun im Plan. Ein Urteil könnte demnach erst am 27. Juni oder 1. Juli fallen, womöglich noch später. "Alles höchst vorläufig", sagt Richterin Escher über die neue Terminliste.

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Eigentlich sollten die Wolbergs-Anwälte am Donnerstag bereits ihr Plädoyer halten. Doch diesen Plan haben die Verteidiger des Bauunternehmers Volker Tretzel durchkreuzt, die einen umfangreichen Beweisantrag ankündigten. Weil die Anwälte Zeit brauchten, um den Antrag vorzubereiten, hatte die Richterin zunächst auch die Plädoyers der Staatsanwaltschaft gestrichen, die für Montag angesetzt waren. Das alles führte dazu, dass Elke Escher umplanen musste. Kein leichtes Unterfangen, bedenkt man, dass die Termine mit gleich neun Strafverteidigern abgestimmt werden müssen. Neben Wolbergs und Tretzel sind ja auch der frühere SPD-Rathausfraktionschef Norbert Hartl und ein Ex-Geschäftsführer der Firma Tretzel angeklagt.

Statt Plädoyers bekommen die Prozessbeobachter also den Beweisantrag zu hören, den die Tretzel-Anwälte verlesen. Der Antrag stützt sich auf ein Gutachten, das Tretzel bei Frank Saliger in Auftrag gegeben hat, einem Strafrechtsprofessor der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Die Kernbotschaft: Bei den 475 000 Euro, die in 9900-Euro-Tranchen aus dem Tretzel-Umfeld an Wolbergs flossen, handle es sich, wenn überhaupt, um "legale Spendenstückelung".

Legale Stückelung? Ist das kein Widerspruch? Das Parteiengesetz schreibt immerhin vor, dass alle Einzelspenden eines Absenders zusammengerechnet und veröffentlicht werden müssen, wenn die Summe der jährlichen Einzelspenden über 10 000 Euro liegt. Nur so könnte der Wähler eine Einflussnahme auf die Politik durch eine Großspende durchschauen. Darauf weist auch der Antrag der Tretzel-Anwälte hin - doch aus deren Sicht spielt das für den Fall Regensburg keine Rolle.

Bisher knüpfte Wolbergs seine Kandidatur stets an einen Freispruch

Sie argumentieren, dass Volker Tretzel zwischen 2011 und 2016 maximal 9900 Euro pro Jahr an Wolbergs und dessen SPD gespendet habe - und auch das nur, um deren "investorenfreundliche Politik" zu unterstützen. Für die übrigen Spenden, um die es im Korruptionsprozess geht, könne man Tretzel nicht verantwortlich machen, heißt es im Antrag seiner Anwälte. Die übrigen Spenden seien ja mehrheitlich von Mitarbeitern der Firma Tretzel aufs SPD-Konto geflossen. Demnach seien die Mitarbeiter "die wahren Spender". Dass Tretzel sie zum Spenden überredet haben soll, ist aus Sicht seiner Verteidiger unerheblich. Es spiele "keine Rolle, von wem die Spende initiiert oder veranlasst" werde, heißt es in dem Antrag, der sich auf Strafrechtsprofessor Saliger stützt. Darin bestreiten die Tretzel-Verteidiger auch, dass die Mitarbeiterspenden über Gehaltsabrechnungen zurückerstattet worden seien. Das Spendengeld sei den Tretzel-Mitarbeitern nur "vorgeschossen" und später von Gewinnbeteiligungen abgezogen worden. Von einem illegalen Strohmannsystem könne daher keine Rede sein.

Im Wesentlichen ist der Antrag der Tretzel-Verteidiger eine Wiederholung der Argumente, die sie seit Prozessbeginn immer wieder vorgetragen haben. Mit dem Unterschied, dass diese Argumentation nun den Stempel eines "renommierten, wenn nicht des renommiertesten" Parteienrechtsexperten trägt, wie Tretzel-Anwalt Florian Ufer sagt. Ob das die Richterin beeindruckt? "Interessante Ausführungen, ganz klar. Wir werden uns das natürlich anschauen", sagt Elke Escher.

Dann spricht Staatsanwältin Ingrid Wein. Sie beantragt, die Facebook-Videos in die Beweisaufnahme einzuführen, die Wolbergs inzwischen wöchentlich publiziert. Darin wirft der Oberbürgermeister der Staatsanwaltschaft immer wieder übertriebenen Ermittlungseifer vor. Auf die Frage, welche Rolle die Videos für den Gerichtsprozess spielen, erhält Wolbergs-Anwalt Peter Witting keine Antwort von den zwei Staatsanwältinnen - und beantragt seinerseits, deren Antrag "wegen Bedeutungslosigkeit" zurückzuweisen.

Schließlich meldet sich auch Wolbergs zu Wort. Mit den Videobotschaften gehe es ihm darum, "das letzte Stück Vertrauen, das die Menschen noch in mich haben" zu erhalten. Schließlich, sagt er in Richtung Staatsanwaltschaft, "haben Ihre Ermittlungen dazu geführt, mir dieses Vertrauen zu nehmen". Dann kündigt Wolbergs fast trotzig an, bereits im Mai zu erklären, "wie es mit einer erneuten Kandidatur aussieht". Dass er zur OB-Wahl 2020 wieder antreten will, notfalls mit eigener Liste, das hat Wolbergs zwar schon öfter gesagt. Doch bisher knüpfte er seine Kandidatur stets an einen Freispruch. Weil mit einem Urteil nun aber erst im Sommer zu rechnen ist, will Wolbergs seinen Wahlkampf offenbar noch während des laufenden Verfahrens einläuten. So bizarr es auch klingt: Es sieht alles danach aus.

© SZ vom 29.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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