Kurzkritik:Mit Ruhe

Der Pianist Jonathan Plowright in der Allerheiligen Hofkirche

Von Andreas Pernpeintner

Kompositorisch birgt Tschaikowskys Klavierzyklus "Die Jahreszeiten" manche Überraschung - gerade im letzten Quartal: Der goldene Oktober ist ein durchaus betrübliches "Herbstlied", der November erfreut im russischen Winter vor der Klimaerwärmung mit einer feschen Schlittenfahrt, der Dezember beschließt das Jahr fröhlich ohne adventliches Gebimmel. Der britische Pianist Jonathan Plowright spielt die "Jahreszeiten" bei seinem programmgestalterisch wunderbaren Konzert in der Allerheiligen Hofkirche auf denkbar konzentrierte Weise, ohne körperliche Regung. Auch klanglich wahrt er wo immer möglich die Ruhe - was dynamische Effekte und was die Tempogestaltung betrifft. Das passt hervorragend, wenn leise singende Melancholie das Geschehen bestimmt. An anderen Stellen wäre größere Expressivität denkbar - im April zum Beispiel, dessen Satzbezeichnung "Allegretto con moto e un poco rubato" ja gewisse Freiheiten formuliert. Insofern tut es der Darbietung gut, dass Pjotr Iljitsch Tschaikowsky dem August rastlose Virtuosität und dem September eine schmissige Jagdmusik verpasst hat.

Dass Jonathan Plowright die Musik so zügelt, überrascht etwas, denn begonnen hat er sein Konzert anders: Edvard Griegs "Aus Holbergs Zeit" op. 40 ist ein herrliches Spiel mit Reminiszenzen an alte musikalische Formen und einem vollen, romantischen Klavierklang. Plowright beleuchtet beide Komponenten perfekt - beispielsweise, wenn er in der Gavotte vordergründige Terrassendynamik und feinsinnige Ausdrucksnuancen überzeugend kombiniert. Das Ganze auf Basis eines tendenziell kraftvollen Tons, der dem finalen Rigaudon die passende Energie verleiht und sich anschließend bei Brahms' Acht Klavierstücken op. 76 wunderbar ins Schwelgerische überführen lässt. Die freilich sind nicht durchweg süffig und mit breiter Brust zu spielen. Die hintersinnige Rhythmik des h-Moll-Capriccios und die filigrane Glockenspielanmutung des As-Dur-Intermezzos etwa fordern bereits jene lyrische Herangehensweise, die Plowright anschließend als Basis seines Tschaikowsky-Vortrags wählt.

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