Elektromobilität:Die Batterie ist nicht alles

Die mögliche Festlegung der Industrie auf eine Antriebsart, wie sie jüngst VW-Chef Diess forderte, stößt bei SZ-Lesern auf Kritik. Wenn der Staat künftig vor allem Batterie-elektrische Autos fördern würde, wäre das vorschnell einseitig.

Elektromobilität: SZ-Zeichnung: Karin Mihm

SZ-Zeichnung: Karin Mihm

Zu "Verfahrene Lage" vom 27. März, "Gib Strom" vom 20. März, "Angriff aus Wolfsburg", 19. März, "Verkaufshilfe vom Staat" vom 18. März und "Von Gift, Reichweite und Platzproblemen" vom 14. Februar:

Dreiste Forderungen

Ausgerechnet der Konzern, der uns den Dieselskandal eingebrockt hat, verfügt jetzt, wie das in Zukunft hier zu laufen hat: Autos nur noch elektrisch mit Lithium-Ionen-Batterien und Strom aus der Steckdose. "Kein Gasantrieb, kein Diesel, kein Benzin, kein Hybrid, keine Brennstoffzelle - nein, nur noch mit Strom." Sagt VW-Chef Herbert Diess, Ingenieur seines Zeichens. Das ist dann doch ziemlich peinlich! Und Diess macht sich einen schlanken Fuß, weil seine Autos künftig alle C0₂-frei sind und er sich als unerschrockener Kämpfer für den Klimaschutz feiern lassen kann.

Aber wie der Strom in die Steckdose kommt? Nicht das Problem von VW. Dafür sollen andere sorgen. Wer wohl? Der Staat natürlich, weil der ja eh schon Diess' Wunderautos subventioniert. Nun muss aber der Strom, bevor er aus der Steckdose kommen kann, erst mal irgendwo erzeugt werden. Das gilt für jede Alternative zu fossilen Brennstoffen, ob Brennstoffzelle, Lithium-Ionen-Akku oder synthetischen Brennstoff. Jede bedingt einen erheblichen Einsatz an elektrischer Energie, und dafür muss die in Deutschland installierte Kapazität - über den Daumen gepeilt - um mindestens zwei Drittel ausgebaut werden (auf Berechnungsgrundlage des Umweltbundesamtes) Und der C0₂-Ausstoß findet dann eben woanders statt.

Das ist das eine, das andere Thema ist, dass der VW-Konzern sich anmaßt, jede aussichtsreiche alternative Entwicklung in Sachen Elektromobilität abwürgen zu dürfen, um Deutschland die langfristig dümmste aller Lösungen, die Technik mit Lithium-Ionen-Akku-Strom aus der Steckdose aufzuzwingen. Und das geht am sichersten, indem man Deutschland mit Ladestationen zupflastert. Bezahlen soll diese samt der nötigen Infrastruktur natürlich der Staat, womit erst mal mit Rieseninvestitionen irreversibel Fakten geschaffen werden. Das ist an Dreistigkeit nicht zu überbieten! Oder geht es bei diesem Diess-Spektakel eventuell nur darum, mit viel Getöse vom Dieselskandal abzulenken, indem man grüne Seelen streichelt? Burkhard Flachmann, Ottobrunn

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Saubere Dienstwagen

VW fordert laut dem Artikel "Verkaufshilfe vom Staat" weitreichende Subventionen, damit sich die Kunden von den Verbrennern ab- und den Elektroautos zuwenden. Das ist für den Konzern legitim, für den Staat gäbe es aber eine sinnvollere Alternative der Steuerung des Marktes. Die größten CO₂-Schleudern werden nämlich fast ausschließlich als Dienstwagen beschafft. Für hochpreisige SUVs weist die Zulassungsstatistik des Kraftfahrt-Bundesamtes einen Anteil an gewerblichen Haltern von fast immer mehr als 80 Prozent aus. Steuerlich subventioniert ist das Dienstwagenprivileg ein Gewinn für Firma und Angestellten, da wird schnell mal ein Wagen geordert, den man sich als Privatmann wohl eher eine Nummer kleiner bestellt hätte. Würde der Staat das Dienstwagenprivileg an günstige Emissionen koppeln, würde sich der Flottenverbrauch in der Bundesrepublik wohl schnell senken lassen. Denkbar wäre hiebei eine Staffelung, nach der zum Beispiel 2020 höchstens 200g CO₂ pro Kilometer noch förderungswürdig sind (bei den dicken SUVs sind es deutlich mehr), 2021 noch 170g etc. Das gäbe den Konzernen die Chance, ihre Motorenproduktion neu auszurichten, und ob man das Verbrauchsziel durch Elektroantrieb, Biogas oder Wasserstoff erreicht, wäre letztendlich egal. Dr. Wolfgang Donhärl, München

Umweltproblem nur verlagert

Mit seiner massiven Schwerpunktsetzung auf Elektroautos gelingt es VW-Chef Diess hervorragend, die Mobilitätsfrage in der öffentlichen Diskussion weiter auf Automobile zu beschränken. Gleich welcher Antrieb, es wird bei Autoverkehr immer wesentlich mehr Energie benötigt und wesentlich mehr Umweltschaden erzeugt als bei öffentlichem Personennahverkehr. Elektrofahrzeuge führen nur zu einer Verlagerung der massiven Umweltschäden an die Orte der Rohstoffgewinnung, etwa für die Akkuproduktion. Die im Betrieb erzeugten Umweltschäden und Betriebsrisiken entstehen an den Standorten der Kraftwerke und nicht mehr so stark in den Städten, wobei Mikroplastikemissionen durch Reifenabrieb und Feinstaubbelastung durch Bremsstaub weiterhin anfallen. Grüner Strom steht nicht ausreichend zur Verfügung, auch dank der verfehlten Energiewende der großen Koalition. Der Flächenverbrauch für Autoverkehr und die Staus wird auch mit E-Mobilen nicht weniger. Eine wirkliche Verbesserung für den Umweltschutz und für Lebensqualität in Städten bringt nur ein massiver Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs. Hier müssen öffentliche Mittel investiert werden, statt weiter eine Autobranche zu fördern, die Milliarden verdient und sich mit tatkräftiger Unterstützung der Politik mit immer größeren und umweltschädlicheren Modellen in die Sackgasse manövriert hat. Michael Schiedermeier, Oberursel

Tricksen statt zahlen

Bei so viel Dreistigkeit stockt einem glatt der Atem: Kunden trickreich betrügen, sie aber nicht entschädigen, sondern höchstens billig abspeisen wollen. Weiter satte Gewinne einfahren. Und dann auch noch Subventionen fordern für die Entwicklung von E-Autos. Was man bisher hochmütig verschlafen hat. Typisch VW, oder? Aber wie man unsere autoverliebte Bundesregierung kennt, wird auch die nun geforderte "Staatshilfe" klaglos gezahlt. Auch aus den Steuern derer, die VW zuvor geprellt hat. Ute Heidbrink, Berlin

Es geht um den Warentransport

Was in der Diskussion zur klimafreundlicheren Organisation unserer Mobilität zudem vergessen wird, ist der unsinnige Transport von Waren. Es sind doch die Lastwagen, die einen erheblichen Teil der Probleme ausmachen. Ganz simpel: Muss in Bayern Joghurt aus Norddeutschland in den Regalen stehen? Oder noch unsinniger, aber leider wahr: Müssen die Mahlzeiten einer Münchner Uniklinik in Metten (NRW) gekocht und dann mit dem Lastwagen nach München gefahren werden? Den ökologischen Preis hat man natürlich bei der Ausschreibung, die den billigsten Anbieter suchte, nicht mitgerechnet. Sicher, wenn wir den unsinnigen Warentransport einschränken, müssen wir auch unser Konsumverhalten überdenken, nicht nur bei Waren, auch beim Reisen. Das Argument, dass Arbeitsplätze verloren gehen, wenn viele Dinge nicht mehr konsumiert werden, hat leider bisher alle mutigen politischen Maßnahmen in der Vergangenheit blockiert. Ein Systemwechsel wäre nötig, nicht nur mehr Elektroautos. Prof. Dr. Felizitas Romeiß-Stracke,München

Politik arbeitet mit Angst

Man kann den schwachsinnigen Vierklang aus "Elektromobilität, Digitalisierung, autonomem Fahren, Internet der Dinge (IOT)", den uns sogenannte Experten und Politiker fast täglich mantraartig vorsingen, nicht mehr hören. Wissen diese Gruppen, was diese "Errungenschaften" für Folgen haben? Und wer braucht dies alles? Möchte man einen Verkehrs- und Gesellschaftskollaps, die totale Kontrolle der Gesellschaft? Oder braucht man neue Produkte, die der Steuerzahler und Kunde mitfinanziert und die man uns Verbrauchern und Steuerzahlern als Rettung vor der Erderwärmung schmackhaft machen will? Wenn man mit Ängsten arbeitet, kann man erfahrungsgemäß viel erreichen. Herr Diess von VW sollte sich besser darum kümmern, betrogene Kunden von gestern zu entschädigen und die VWs gesetzeskonform instandzusetzen, als seine neue Geschäftsidee der Bevölkerung und dem Finanzminister als "Mann im Ohr" einzusäuseln. Vielleicht sollte man Alternativen zulassen und nach dem Nutzen fragen, anstatt uns "nur" als Verbraucher zu sehen.Prof. Fritz Schmielau, Lübeck

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