Gesetzesentwurf:Befugnisse des BND sollen ausgeweitet werden

BND

Ausgedehnter Bewegungsspielraum hinter Beton: der neue Hauptsitz des Bundesnachrichtendienstes in der Chausseestraße in Berlin-Mitte.

(Foto: Regina Schmeken)

Künftig soll der deutsche Auslandsgeheimdienst mehr dürfen: etwa Handys von Deutschen ausspähen und V-Leute vor der Staatsanwaltschaft schützen.

Von Ronen Steinke, Berlin

Das Kanzleramt und das Bundesinnenministerium wollen den Geheimdiensten neue Mittel an die Hand geben. Nicht nur der Verfassungsschutz, auch der Bundesnachrichtendienst (BND) soll künftig mehr dürfen. So steht es in einem Gesetzentwurf, über den die Koalitionspartner Union und SPD seit ein paar Tagen diskutieren. Der Auslandsgeheimdienst würde demnach auch im Inland eine stärkere Rolle bekommen.

Online-Durchsuchung

Der BND soll künftig Handys und Computer ("informationstechnische Systeme" in der Sprache des Gesetzes) von Deutschen ausforschen dürfen. Und von deutschen juristischen Personen. Und von Menschen, die sich in Deutschland aufhalten. Voraussetzung ist, dass eine solche Ausforschung mit Trojanersoftware der "Erkennung und Begegnung" von bestimmten Gefahren und Straftaten "dient". Diese Gefahren und Straftaten werden im Einzelnen aufgelistet. Teils geht es darin um Terrorismus oder Menschenschmuggel. Teils aber auch um Dinge wie Bedrohungen für die IT-Sicherheit. "Das kann viel bedeuten", sagt der Mainzer Rechtsprofessor Matthias Bäcker. Da der BND zudem keinen konkreten Anfangsverdacht vorweisen müsse, sei die Schwelle für den Einsatz des BND-Trojaners recht niedrig - niedriger als bei der Polizei.

Weiterhin darf der BND aber im Inland und gegenüber Inländern nicht so viel, wie er im Ausland und gegenüber Ausländern darf. Dort soll er Online-Durchsuchungen frei einsetzen, so der Gesetzentwurf, um "Erkenntnisse von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung zu gewinnen".

Amtshilfe für die Polizei

Polizei einerseits, Nachrichtendienste andererseits. Zwei getrennte Sphären. So lautet die Theorie. Nach den Plänen der Bundesregierung aber soll der BND sich künftig auch in den Niederungen der deutschen Landespolizeien stärker breitmachen. Von "verstetigter Amtshilfe" ist die Rede. Wenn das Landeskriminalamt im kleinen Saarland sich bislang den Kopf zerbrochen hat, wie es die komplexe Technik für eine Onlinedurchsuchung herbeiorganisieren soll, dann offeriert künftig der Gigant BND die Lösung. Der BND bietet Hilfe an - für jede Polizeibehörde, die die juristische Befugnis hat, Festplatten anzuzapfen, Trojaner aufzuspielen, Handys zu durchsuchen. BND for hire. "Die ersuchende Behörde trägt gegenüber dem Bundesnachrichtendienst die Verantwortung für die Rechtmäßigkeit der durchzuführenden Maßnahme", so der Gesetzentwurf.

Der BND soll dabei nur die technische Ausführung übernehmen. Er soll die gewonnenen Daten an die Polizei weiterreichen, ohne selbst von ihnen Kenntnis zu nehmen. Nur wenn es zum Beispiel um internationalen Terrorismus geht, für den der BND selbst mit zuständig ist, dürfe der BND die Daten "für eigene Zwecke weiterverarbeiten", heißt es im Gesetzentwurf. Der Rechtsprofessor Matthias Bäcker sieht darin eine weitere Relativierung der Trennung zwischen Polizei und Geheimdiensten. "Die polizeiliche Tätigkeit ist ohnehin stärker der nachrichtendienstlichen Tätigkeit angeglichen worden in den vergangenen Jahrzehnten", sagt Bäcker. "Nun lässt man gleich die Fachleute ran."

V-Leute

V-Leute, das sind Verräter. Es sind Menschen, die zum Beispiel für ein russisches Staatsunternehmen oder die iranische Botschaft in Deutschland arbeiten, oder Waffenschieber, oder internationale Finanziers für dunkle Geschäfte, die allerdings - das macht sie dem deutschen Staat dann auch wieder sympathisch - heimlich dem deutschen Geheimdienst Informationen zuschieben. Das ist ein Verrat, entweder an Russland, an Iran oder an den finsteren Geschäftspartnern. Der BND lebt von solchem Verrat. Wie jeder andere Geheimdienst auch. Mit dem geplanten Gesetz nun soll der BND bessere Anreize an die Hand bekommen, um Menschen zu einem solchen Verrat zu überreden.

Erstens mit Geld. Bislang durfte der BND nicht viel bezahlen. Die Vorgabe lautete, dass der Lohn für V-Leute ("angebahnte und geführte Personen" im BND-Jargon) nie so hoch sein durfte, dass er den größten Teil des Einkommens ausmacht. Der Grund: Wenn die Existenz eines Menschen davon abhängt, dass er dem Dienst immer wieder interessante Dinge zu erzählen weiß, dann wächst die Versuchung, irgendwann auch Geschichten zu erfinden. Das war eine Lehre aus dem NSU-Debakel. Nun soll diese Vorgabe gelockert werden. Der BND soll frei sein zu bezahlen, was er möchte. Zur Begründung heißt es, in wirtschaftlich ärmeren Krisenländern seien auch 50 Euro im Monat schnell mal ein Professorengehalt.

Zweitens: Kriminelle, die dem BND Informationen zustecken, sollen künftig stärkeren Schutz vor Strafverfolgung erwarten können. Wenn der BND mitbekommt, dass seine V-Leute in Deutschland Straftaten begehen, dann soll er dies nicht zwingend anzeigen müssen. Stattdessen darf darüber "die Amtsleitung" des BND frei entscheiden, so heißt es im Gesetzentwurf. Bekommt die V-Person dennoch Ärger mit Polizei oder Staatsanwaltschaft, kann sich der BND auch schützend vor sie stellen. Bislang lautete das Prinzip: Die Staatsanwaltschaft "kann" bei V-Leuten des BND von einer Verfolgung absehen. Vorausgesetzt, die Tat wiegt nicht zu schwer. Künftig soll es heißen: Die Staatsanwaltschaft "soll" von der Verfolgung absehen. "Das heißt, es wird in aller Regel ein Deckel draufgemacht ", sagt der an der Universität Köln lehrende Nachrichtendienstrechtler Nikolaos Gazeas. Der BND könne dann künftig fast immer mit Erfolg bei der Justiz intervenieren.

Und schließlich: Es soll geregelt werden, dass der BND-Präsident im Einzelfall auch verurteilte Verbrecher als V-Leute anwerben lassen darf, solange die Tat nicht Mord, Totschlag oder ein anderes Tötungsdelikt war. Hier übernimmt der BND den rechtlichen Standard für V-Leute, der bisher schon beim Verfassungsschutz gilt.

Parlamentarische Kontrolle

Im Koalitionsvertrag von Union und SPD steht, dass jede Ausweitung von Geheimdienstbefugnissen auch eine "entsprechenden Ausweitung der parlamentarischen Kontrolle" erfordert. Wer allerdings in dem jetzt vorgelegten Gesetzentwurf sucht, findet dazu nichts.

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