Zeitumstellung:Ausschlafen!

Der Schlaf ist das letzte Refugium vor den Ansprüchen der Leistungsgesellschaft. Ihn gilt es zu verteidigen.

Von Matthias Drobinski

Was erhoffen sich die Leute bloß von der Abschaffung der Zeitumstellung? Dass mit der ewigen Sommerzeit auch der ewige Sommer kommt? Dass man ohne den Schlafklau im Frühjahr besser und länger schläft? Ob der ewige Sommer schneller kommt als gewünscht, weiß kein Mensch. Gegen den allgemeinen Schlafmangel aber kann man zur Sommer- wie zur Winterzeit etwas tun, gegen die echten wie eingebildeten Schlafstörungen, von denen Matratzen-, Tee- und Pillenproduzenten leben.

Man könnte zum Beispiel über das falsche Heldentum lachen lernen, das der Schlaflosigkeit anhaftet. Napoleons Satz: "Vier Stunden schläft ein Mann, fünf Stunden eine Frau, sechs ein Idiot", sagt keiner mehr laut, eine durchgearbeitete Nacht gilt trotzdem als Beweis höchster Leistung. Schlafarmut ist aber eine Form der Verelendung, und sie wächst: Vor hundert Jahren schliefen die Menschen im Schnitt fast zwei Stunden länger als heute. Eine Minderheit braucht tatsächlich keine fünf Stunden Schlaf. Die andern aber tapern schlafberaubt durch den Tag, im Namen des 24/7-Taktes, dessen Gebot lautet: Du sollst nichts verpassen.

Der Schlaf bleibt die letzte Grenze für den pausenlosen Reizstrom, die Maximalschranke aller Ansprüche der Welt ans Individuum. Wer diesen Sonntagmorgen keine quengelnden Kinder zu betreuen oder große Pläne zu verwirklichen hat, sollte helfen, dass die Grenze bleibt. Und ausschlafen, trotz Sommerzeit.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: