Strommarkt:Warum der Strompreis so hoch ist wie nie

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Blick in ein Leitwerk des Stromversorgers EnBW. Von der Digitalisierung versprechen sich Energiekonzerne viel, sie schafft allerdings auch neue Angriffsflächen für Hacker. (Foto: Bernd Weissbrod/dpa)
  • Eigentlich ist der Strompreis in den vergangenen Jahren vergleichsweise stabil geblieben.
  • 2013 hatten Bundesrechnungshof und Bundeskartellamt für private Haushalte einen durchschnittlichen Strompreis von 29,24 Cent je Kilowattstunde ermittelt. Vier Jahre später lag er bei 29,86 Cent.
  • Der jüngste Anstieg geht vor allem auf die Offshore-Netzumlage und einen höheren Börsenpreis für Strom zurück.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Die Vergleichsportale haben wieder zugeschlagen. "Strom- und Gaspreise auf Rekordniveau", vermeldet etwa Check24, und das erst im Januar und vorsichtshalber im März noch einmal. "Neuer Höchststand: Strompreise steigen weiter", warnt Konkurrent Verivox. "Strom- und Gaspreise steigen auch im Frühling weiter", hatte das Portal schon im Februar gewarnt. "Für die Portale ist es das Geschäftsmodell", sagt Patrick Graichen, der mit seinem Thinktank Agora Energiewende das Geschehen am Strommarkt verfolgt. Schließlich sollen die Warnungen Stromkunden animieren, über die Portale den Anbieter zu wechseln. Und wahrscheinlich ist es den Portalen zu einem guten Teil zu verdanken, dass der Anstieg nicht ganz so stark ausfällt, wie sie gern glauben machen. Wettbewerb drückt die Preise.

Faktisch ist der Strompreis in den vergangenen Jahren vergleichsweise stabil geblieben. 2013 hatten Bundesrechnungshof und Bundeskartellamt für private Haushalte einen durchschnittlichen Strompreis von 29,24 Cent je Kilowattstunde ermittelt. Vier Jahre später lag er bei 29,86 Cent. Ein Anstieg von 2,1 Prozent. "Das ist noch unter der Inflationsrate", sagt Graichen.

Es gibt einen Dschungel von Steuern und Abgaben, der sich auswirkt

Das macht die Warnungen der Portale nicht falsch. Der Strompreis ist hoch wie nie, und er wird absehbar weiter steigen. Der jüngste Anstieg geht vor allem auf zwei Effekte zurück: Zum einen stieg die sogenannte Offshore-Netzumlage, und zwar saftig. Aus ihr werden die Leitungen bezahlt, die Windparks zur See mit dem Festland verbinden. Von 0,037 Cent je Kilowattstunde stieg sie in diesem Jahr auf 0,416 Cent. Für einen durchschnittlichen Familien-Haushalt mit 3500 Kilowattstunden Verbrauch macht das im Jahr mehr als 13 Euro Aufpreis aus. Hinzu kommt, zweitens, ein höherer Börsenpreis für Strom. Und hier wird die Sache kompliziert.

Dieser Preis für die reine Elektrizität ist längst versteckt hinter einem Dschungel von Steuern und Abgaben: Netzentgelte etwa für die Leitungen. Die EEG-Umlage für den Ökostrom-Ausbau. Stromsteuer natürlich und eine Konzessionsabgabe. Umsatzsteuer steckt ebenso drin wie ein Entgelt für den Stromzähler. Vom durchschnittlichen Strompreis, den Haushalte im Jahr 2017 zahlten, blieben nach Daten der Bundesnetzagentur 6,42 Cent für Beschaffung und Vertrieb des Stroms.

Gehandelt wird dieser Strom an der Leipziger Strombörse EEX. Lag der Strompreis hier von einem Jahr noch bei 35 Euro für die Megawattstunde (also 3,5 Cent je Kilowattstunde), ist er mittlerweile auf 45 Euro gestiegen. Im Herbst lag er einige Zeit sogar jenseits der 50 Euro. Das wiederum liegt zum einen an gestiegenen Kohlepreisen, noch mehr aber am europäischen Emissionshandel. Kraftwerksbetreiber müssen für jede Tonne Kohlendioxid, die sie ausstoßen, ein Zertifikat vorhalten. Diese Zertifikate werden gehandelt und werden von Jahr zu Jahr knapper. Binnen eines Jahres stieg der Preis von gut zwölf auf nun über 21 Euro. Das schlägt vor allem bei der klimaschädlichen Kohle voll durch; sie braucht besonders viele Zertifikate.

Kraftwerksbetreiber müssen für jede Tonne Kohlendioxid ein Zertifikat vorhalten

Allerdings haben hohe Strom-Börsenpreise auch dämpfende Effekte: nämlich bei der Ökostrom-Umlage. Sie macht derzeit 6,4 Cent je Kilowattstunde aus, im Vorjahr brachten die Stromkunden so 27,3 Milliarden Euro zusammen. Mit dem Geld werden die fest zugesagten Einspeisevergütungen für Strom aus Wind, Sonne oder Biomasse gezahlt. Je teurer sich dieser Strom allerdings verkaufen lässt, desto weniger muss aus dem Ökostrom-Topf draufgezahlt werden. Die Folge: Auf dem Ökostrom-Konto hat sich schon bis März ein Überschuss von 5,7 Milliarden Euro angesammelt. Gut möglich, dass die Ökostrom-Umlage im nächsten Jahr abermals sinken wird. Das entlastet die Stromkunden.

An der Tendenz allerdings wird das nichts ändern. Denn die großen Projekte für den Ausbau der Stromnetze laufen gerade erst an - und werden in den nächsten Jahren weitere Milliarden verschlingen. Schon jetzt sind die Stromnetz-Entgelte der größte Einzelposten auf der Stromrechnung, sie machen knapp ein Viertel der Kosten aus. "Wir brauchen dringend eine Reform der Abgaben und Umlagen", verlangt Thomas Engelke, Energieexperte beim Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv). Seit dem Jahr 2000 hätten sich die Strompreise verdoppelt. "Wenn wir bei der Energiewende weiterkommen wollen, müssen wir die Strompreise senken." So lasse sich die Stromsteuer um zwei Cent senken, auf das Minimum, das die EU vorschreibt. Sonderregelungen für die Industrie bei der Ökostrom-Umlage müssten künftig aus Steuermitteln finanziert werden - bisher werden die milliardenschweren Ausnahmen auf die Stromkunden umgelegt. Wiederholt habe die Politik eine Entlastung der Stromkunden in Aussicht gestellt, sagt Engelke. "Aber da passiert einfach nichts."

Stattdessen werden kleine Haushalte zusätzlich benachteiligt, denn vielerorts stiegen die Grundpreise zuletzt stärker als der sogenannte Arbeitspreis, der für gelieferten Strom berechnet wird. Je weniger Strom ein Haushalt verbraucht, desto stärker schlägt dieser fixe Grundpreis anteilig zu Buche. Und während Deutschland beim Strompreis europäischer Spitzenreiter ist, liegt es beim klimaschädlichen Heizöl auf Rang fünf. Ein "kruder Zustand" sei das, sagt Agora-Chef Graichen. "Bei der Bepreisung von Energie haben wir eine ziemliche Unwucht."

© SZ vom 02.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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