Nürnberg:"Die SPD entscheidet ohne Basis und ohne Frau"

Ulrich Maly Nürnberg Oberbürgermeister

Mit der Ansage, nicht mehr zur Wahl anzutreten, hat Ulrich Maly ein leichtes Erdbeben ausgelöst.

(Foto: Daniel Karmann/dpa)
  • Thorsten Brehm geht als Nachfolger Ulrich Malys für die SPD in die Oberbürgermeister-Wahl.
  • Die CSU steht zwar unter Zugzwang, will sich aber trotzdem Zeit lassen, bis sie einen Kandidaten präsentiert.
  • Bei den Grünen wird die Wahl wohl auf eine von vier Bewerberinnen fallen.

Von Olaf Przybilla, Nürnberg

Die elfte Kalenderwoche des Jahres 2019 wird einen besonderen Platz in Nürnbergs Stadtchronik einnehmen. Am Montag um 15 Uhr gab Ulrich Maly bekannt, kein weiteres Mal als Oberbürgermeister antreten zu wollen - die versammelte Stadtpresse war so verdattert, dass sie keine ausformulierte Frage über die Lippen bekam. Am Freitag um 11 Uhr folgte dann schon die nächste sozialdemokratische Pointe. Während alles noch darüber philosophierte, was einen 58-Jährigen wohl dazu bewegen mag, sich aufs politische Altenteil zu begeben, präsentierte die SPD schon den Nachfolgekandidaten. And the winner is: Thorsten Brehm, 34.

In der Partei kursieren zwei Deutungsvarianten dieser Turbokandidatenwahl. Eine, die offizielle, erklärt diese Kür für einen Kunstgriff: Der politische Gegner hat die erste Überraschung noch nicht verdaut, da offerieren wir bereits unseren Anwärter, einen 34-jährigen Mann, der für Aufbruch steht! Die andere, nicht ganz so offizielle, erkennt eine parteiinterne Überrumpelungstaktik. Laut sagen trauen sich das freilich die wenigsten - und die es laut sagen, machen sich kaum Freunde damit. Auf der Jahreshauptversammlung etwa. Da trug die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen, Cornelia Spachtholz, einen Gleichstellungsbericht vor, der es theoretisch auch in eine Chronik schaffen könnte.

Das aber deshalb, weil eine so schonungslos ehrliche Rede in öffentlichen Parteiversammlungen selten zu hören ist. "Wenn ich jetzt alle bitten würde aufzustehen und den Saal zu verlassen, die über den Prozess zur OB-Nachfolge irritiert sind, oder den Prozess als unglücklich gewählt empfinden, kann ich mir vorstellen, dass wir Gefahr laufen, unter Umständen nicht mehr beschlussfähig zu sein", sagte Spachtholz. Und sie erwähnte, dass man sich doch eigentlich einig darin glaubte, dass in der SPD "entscheidende Personalpolitik raus aus den Hinterzimmern" gehöre.

Parteien sind nicht viel anders als Familien: Mitglieder dürfen sich intern kritisieren, tun das auch mit Passion. Aber laut sagen, gar den Elefanten im Raum öffentlich benennen? Das tut man nicht. Also zeigte man der Kritikerin, die im Schwange war, die Wahlchancen nachhaltig zu beschädigen, dass man sehr wohl beschlussfähig ist. Und wie: In den Vorstand der Nürnberg-SPD wurde Spachtholz ostentativ nicht gewählt. Ihre Bedenken waren dann wohl doch zu parteiquerulatorisch.

Immerhin hatte sie sich nicht nur eine gewisse handstreichartige Hinterzimmerhaftigkeit zu benennen entschlossen. Sie hatte auch ihre Enttäuschung darüber kundgetan, dass es die SPD nicht schaffe, "eine geeignete Kandidatin" zu benennen - "in welcher Konstellation auch immer". Tatsächlich posierten zum Lichtbild nach der Brehm-Bekanntgabe zwei Männer an großem Steuerrad: der OB-Kandidat und der Mann, den die meisten zuvor auf dem Zettel hatten, der aber dem örtlichen Parteichef Brehm den Vortritt hatte lassen müssen: Bürgermeister Christian Vogel.

Markus Söder ist nicht mehr der Chef der Nürnberg-CSU, das passt nicht zum Amt als Ministerpräsident. Wenn aber der politische Gegner den Ball so passgenau auf den Punkt legt, so kann er nicht an sich halten. Kurz nach der Brehm-Kür gab Söder den Nürnberger Nachrichten ein Interview, in dem er den entscheidenden Satz genüsslich einflockte: "Die SPD entscheidet ohne Basis und ohne Frau".

Die CSU, kaum überraschend, will das nun anders machen. Sie lässt sich Zeit mit der Kür; und will den Erkorenen mit einem Team umgeben, in dem Frauen entscheidend mitwirken. Vor der Brehm-Kür war als OB-Kandidat der CSU-Stadtratschef Marcus König, 38, favorisiert. Inzwischen wirkt das Partei-Establishment auf Bezirkschef Michael Frieser, 55, ein, um ihn zur Kandidatur zu bewegen. Er gilt als rhetorisch versierter Polit-Feuilletonist, eine Zuschreibung, die schon mal gegen ihn verwendet wurde. Gerade in der Kulturhauptstadtbewerberkommune Nürnberg aber steige jetzt "die Sehnsucht nach jemandem mit Erfahrung, von dem man sicher sein kann, dass er OB könnte", sagt ein CSU-Entscheider. Und die Grünen? Ventilieren gerade vier mögliche OB-Bewerberinnen. Auch sie wollen sich noch Zeit lassen - und die Partei grundlegend an der Kür beteiligen.

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