Brexit-Doku:Untergang durch ratlose Hanswurste

Brexit - The Mood Of The Nation

Die Dokumentation "The Brexit Storm" schafft es, immer noch in Erstaunen zu versetzen

(Foto: Getty Images)

Die BBC-Dokumentation "The Brexit Storm" zeigt, wie das ist, wenn die Nerven blank liegen - und selbst erfahrene Politiker am Ende ihrer Weisheit und ihrer Kräfte sind.

Von Cathrin Kahlweit

Laura Kuenssberg ist sicher die prominenteste britische Journalistin, die über den Brexit berichtet. Die BBC-Reporterin gilt als unbestechlich, unermüdlich und uneitel, und auch deutsche Zuschauer dürften ihr Gesicht mittlerweile kennen, denn sie bekommt immer die erste Frage, wenn Theresa May daheim im Königreich oder in Brüssel eine Pressekonferenz gibt. Einem Porträt samt Fotoshooting in der Times am vergangenen Wochenende habe sie nur zugestimmt, sagte sie, weil sie damit Werbung für ihre Dokumentation am Montagabend habe machen wollen.

Die hätte es wohl nicht gebraucht: Politik-Afficionados, Brexit-Fans und Brexit-Hasser, so sie nicht die Liveübertragung aus dem Parlament vorzogen, schauten The Brexit-Storm: Laura Kuenssberg's Inside Story. Und selbst wer meinte, schon alles gehört und gesehen zu haben, was man nie über den Londoner Politikbetrieb und seine Protagonisten wissen wollte, der staunte. Kuenssberg verzichtete auf große Erklärungsversuche, sie wollte weder die Genese des Referendums nachvollziehen noch die Demokratie in Großbritannien unter die Lupe nehmen. Sie wollte vielmehr zeigen, wie das ist, wenn die Nerven blank liegen und selbst erfahrene Politiker am Ende ihrer Weisheit und ihrer Kräfte sind.

Brexit-Doku: Star-Journalistin Laura Kuenssberg, 42, ist Political Editor bei BBC News.

Star-Journalistin Laura Kuenssberg, 42, ist Political Editor bei BBC News.

(Foto: mauritius images)

Manche Einblicke waren erschütternd, andere erhellend. Ein paarmal hockte die Reporterin mit Boris Johnson zusammen, aber der sonst so vorlaute, narzisstische Ex-Außenminister erwies sich in den kurzen Momenten, in denen sie ihn unvorbereitet erwischte, als stotternder, ratloser Hanswurst ohne Text. Die European Research Group (ERG), jene reaktionäre Brexiteer-Truppe, die May seit zwei Jahren vor sich hertreibt, vertraut der BBC-Frau so sehr, dass sie ihre Kamera mehrfach zu Sitzungen zuließ, in denen alte, weiße Männer den Untergang der Westminster-Demokratie planten. Steve Baker, Vizechef der ERG, bestätigte Kuenssberg, dass er weiterhin gegen Mays Austrittsdeal mit der EU stimmen werde, wie er es schon dreimal getan hat. Wochen zuvor hatte er ihr schon gesagt, er lehne den Deal ein für alle Mal ab. "Auch wenn das Chaos bedeutet?", fragte Kuenssberg nach. "Ja", sagte Baker.

Sie verleitete Julian Smith, hochrangiges Mitglied der Tory-Fraktion, der für die Fraktionsdisziplin sorgen soll, zu dem Geständnis, er habe noch nie ein so undiszipliniertes Kabinett erlebt, in dem viele Minister vor allem May schaden wollten. Und sie zeigte die Premierministerin selbst in den Minuten vor und nach Interviews, in denen diese so schüchtern und abwesend wirkt, als wisse sie gar nicht, wie sie eigentlich hierhergekommen ist. Kuenssberg zeigte neun Monate Irrsinn, Tränen und Gelächter, Staunen und Schock. Und weiß auch nicht, wie das alles enden soll.

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