Kriminalität:Die Angst schert sich nicht um Zahlen

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Innenminister Seehofer verkündet Erfreuliches: In Deutschland wurden 2018 so wenige Straftaten verübt wie lange nicht. Doch viele Menschen fühlen sich trotzdem unsicher.

Von Jens Schneider, Berlin

Ein Einbruch in die eigene Wohnung oder das eigene Haus erschüttert das Sicherheitsgefühl so schwer wie nur wenige andere Straftaten. Lange Zeit stieg die Zahl solcher Einbrüche in Deutschland an, nun aber ist sie 2018 bereits im dritten Jahr hintereinander erneut zurückgegangen - und zwar deutlich. "Besonders erfreulich" nannte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) an diesem Dienstag in Berlin bei der Vorstellung der Kriminalstatistik diese Entwicklung. Die Zahl der registrierten Einbrüche sank 2018 um 16,3 Prozent auf 97 504. Hinzu kommt, dass dabei der Statistik der Polizei zufolge fast die Hälfte, nämlich 45 Prozent, bereits im Versuchsstadium scheitern. Seehofer sieht das als Beleg, dass Präventionsprogramme helfen, die Bürger aufzuklären, wie sie ihre Wohnung besser sichern können.

Der Rückgang bei den Einbrüchen ist eine der markanten Entwicklungen in der Kriminalitätsstatistik, die Seehofer zu dem Schluss kommen lässt, dass Deutschland zu den sichersten Ländern der Welt gehöre. Unterdes haben allerdings, wie eine gleichzeitig vorgestellte Umfrage ergab, mehr Menschen Angst vor Straftaten als noch 2012. Besonders groß sind diese Ängste der Umfrage zufolge bei Menschen mit Migrationshintergrund und in Ostdeutschland. Bundesweit haben generell Frauen häufiger Angst, sie könnten Opfer einer Straftat werden.

Horst Seehofer (mit BKA-Präsident Holger Münch) stellt die Kriminalstatistik vor. (Foto: Wolfgang Kumm/dpa)

Die Zahl der Straftaten ist in Deutschland seit 2017 rückläufig, sie sank 2018 noch einmal auf nun insgesamt 5 555 520 Fälle. Eine vergleichbar geringe Zahl gab es nach den Angaben des Bundesinnenministeriums zuletzt 1992. Besonders stark stechen die Rückgänge etwa bei Diebstählen um 7,5 Prozent und Straßenkriminalität um 6 Prozent heraus. "Entgegen der öffentlichen Wahrnehmung haben wir einen Rückgang bei den Gewaltdelikten um 1,9 Prozent", betont Seehofer und fügt an: "Gleiches gilt für die Kriminalität von Ausländern", der Anteil der nichtdeutschen Tatverdächtigen sei nicht gestiegen.

Große Sorgen bereite ihm die hohe Zahl von Straftaten etwa gegen Polizeibeamte, erklärt der Minister. Die Statistik ist hier aber höchstens bedingt aussagekräftig, wegen der neuen Rechtslage bei der Ahndung von "tätlichen Angriffen auf die Staatsgewalt". Hier wurde ein Zuwachs um fast 40 Prozent registriert. Nachweislich stark angestiegen sind Fälle von Kinderpornografie: um 14,4 Prozent. Einen markanten Anstieg gab es auch bei Rauschgiftdelikten.

Parallel zur Kriminalstatistik stellte der Chef des Bundeskriminalamtes Holger Münch die Studie zur Angst vor Kriminalität vor, wonach die meisten Deutschen sich sicher fühlen, aber der Anteil jener gestiegen ist, die sich vor Einbrüchen oder Diebstahl fürchten. Erstellt wurde die Untersuchung vom BKA gemeinsam mit dem Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht (MPI). Die Grundlage des sogenannten "Deutschen Viktimisierungssurveys 2017" bildet eine repräsentative Bevölkerungsumfrage, für die von Juli 2017 bis zum Januar 2018 insgesamt 31 192 Personen telefonisch befragt wurden. Das BKA wertet sie im Vergleich zur Umfrage von 2012 aus. Daraus geht hervor, dass auch 2017 sich die meisten, nämlich knapp 79 Prozent, nachts in ihrer Wohngegend sehr oder eher sicher fühlten. Allerdings gaben 22 Prozent der Bürgerinnen und Bürger an, dass sie sich in dieser Lage unsicher fühlten. Noch 2012 hatten nur 17 Prozent solche Ängste.

Einen Anstieg registrierte die Studie auch, wenn nach der Furcht vor konkreten Straftaten gefragt wurde. Das am häufigsten gefürchtete Delikt waren dabei Wohnungseinbrüche. Stark gestiegen ist auch die Angst vor Terrorismus. "Alles in allem zeugen die empirischen Befunde von einer Zunahme der Unsicherheitsgefühle in der Bevölkerung seit 2012", heißt es in dem Bericht des BKA. Es fällt auf, dass einige Bevölkerungsgruppen stärker von zunehmender Sorge erfasst sind als andere.

So sind Frauen nicht nur in wesentlich größerem Maße von Kriminalitätsfurcht betroffen als Männer, auch ihr Unsicherheitsempfinden hat seit 2012 stärker zugenommen. Besonders häufig gaben Menschen mit Migrationshintergrund, also eingewanderte Personen und deren Kinder, Ängste vor Kriminalität an, etwa in ihrer Wohnumgebung. Sie sind tendenziell stärker beunruhigt, Opfer von Straftaten zu werden, als Personen ohne Migrationshintergrund. Die gefühlte Unsicherheit hat laut Studie seit 2012 in fast allen Bundesländern tendenziell zugenommen. Besonders ausgeprägt ist die Angst vor Kriminalität der Umfrage zufolge in den ostdeutschen Ländern und Berlin. Demnach fühlt sich in Ostdeutschland etwa jeder Vierte unsicher in seiner Wohnumgebung, in Westdeutschland jeder Fünfte.

© SZ vom 03.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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