Streit um Gemeinnützigkeit:"Wir müssen unbequem sein"

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Da protestieren ja die Hühner: Auf einer Demo des BUND im Jahr 2018 ist ein Mann in ein Kostüm gestiegen. Die Fleischindustrie steht seit Längerem in der Kritik. (Foto: Soeren Stache/dpa)

Umweltverbände wehren sich gegen wachsende Angriffe aus der Politik.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Ein CDU-Parteitag zweifelt an der Gemeinnützigkeit der Deutschen Umwelthilfe. Büros von Greenpeace werden nach einer aufsehenerregenden Aktion von der Polizei durchsucht. Der Bundesfinanzhof sieht in der "Verfolgung politischer Zwecke" keine Gemeinnützigkeit und erkennt dieselbe der globalisierungskritischen "Organisation Attac ab: Für Umweltverbände ist es ein Alarmsignal nach dem anderen. "Es mehren sich die Angriffe mit politischem und populistischem Hintergrund", sagt Hubert Weiger, Chef des Umweltverbands BUND. "Es geht um Versuche, uns die Glaubwürdigkeit abzusprechen."

Vor allem die Verbindung von Umwelthilfe und Attac-Urteil macht die Lage aus Sicht der Umweltverbände mittlerweile brisant. Die Umwelthilfe hatte sich Feinde gemacht, weil sie vehement für die Einhaltung geltender Schadstoffgrenzwerte eintrat - und vor Gericht selbst Fahrverbote erwirkte. "Nicht die Umwelthilfe ist für die Manipulation von Dieselmotoren verantwortlich", sagt Michael Müller, einstiger Umweltstaatssekretär und mittlerweile Kopf der Naturfreunde Deutschland. "Und nicht Attac hat die Ungerechtigkeiten im Steuersystem aufgedeckt, sondern kritisiert sie." Mit dem Urteil des Bundesfinanzhofes müsse nun jeder Umweltverband um seine Existenz bangen. "Wir engagieren uns fürs Gemeinwohl und sind deshalb unbequem, ja müssen unbequem sein", heißt es in einer Erklärung von Umweltgruppen und der Kampagnenorganisation Campact.

Sie wähnt sich als nächstes potenzielles Opfer. Denn manches, was aus Sicht der Richter gegen die Gemeinnützigkeit von Attac sprach, ließe sich auch gegen Campact wenden. Etwa, dass die Förderung der Demokratie nicht zum Katalog jener Vereinsziele gehört, die den Status der "Gemeinnützigkeit" erlauben. Oder, dass auch Campact ein breites Spektrum von Themen abdeckt, und das immer hochpolitisch. "Wir versuchen, mit unserem Finanzamt darüber zu reden", sagt Campact-Vorstand Felix Kolb. "Bislang ist aber noch kein Gespräch zustande gekommen." Die Finanzbehörden seien selbst vom Urteil des Bundesfinanzhofes überrascht worden. Schließlich hatte ein anderer Senat vor Jahren noch ganz anders entschieden, zugunsten der politischen Betätigung. Spendenquittungen stellt Campact nicht mehr aus, vorsichtshalber. Nötig sei nun dringend eine gesetzliche Klarstellung, "dass politische Äußerungen nicht gemeinnützigkeitsschädlich sind", fordert Kolb.

Auch die Union will die Regeln verändern, allerdings ganz anders. Der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe, Stefan Müller, hatte jüngst ihre Verschärfung gefordert, um "Missbrauch wie im Fall der Umwelthilfe" zu verhindern. Der CDU-Parteitag hatte im Dezember eine Überprüfung verlangt, ob die Umwelthilfe "noch die Kriterien der Gemeinnützigkeit erfüllt". Ein Versuch, "kritische Verbände mundtot zu machen", findet BUND-Chef Weiger. Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt warnt schon vor "ungarischen Verhältnissen".

Alle paar Jahre müssen die zuständigen Finanzämter neu über die Gemeinnützigkeit von Vereinen und Verbänden entscheiden. Nur auf dieser Basis können sie Spendenbescheinigungen ausstellen, die ihre Förderer dann steuerlich geltend machen können. Viele Spender wollen auf diesen Steuerabzug nicht verzichten. Zum anderen gilt sie als Gütesiegel, an dem sich nicht nur Förderer, sondern auch Kooperationspartner orientieren. Für viele Gruppen ist dieser Status existenziell.

Parallel laufen Vorstöße, das Klagerecht der Verbände zu beschneiden. Florian Schöne vom Deutschen Naturschutzring sagt: "Alle merken, wie sich das politische Klima ändert."

© SZ vom 03.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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