"Friedhof der Kuscheltiere" im Kino:Traumatherapie mit Zombies

Lesezeit: 3 min

Buh! Der liebe Hauskater Church, den eigentlich ein Lastwagen überrollt hatte, kehrt nach einer Nacht auf dem „Friedhof der Kuscheltiere“ zurück. (Foto: Kerry Hayes)
  • Seit Stephen Kings Retro-Horror wieder viel Geld an den Kinokassen einspielt, erlebt der Autor ein Comeback.
  • Jetzt wurde sein erfolgreichster Roman "Friedhof der Kuscheltiere" neu verfilmt.
  • Die Regisseure ließen sich ein paar neue Schockmomente einfallen, inszenierten aber ansonsten ganz im Sinne Stephen Kings.

Von David Steinitz

Endlich wieder Sex! Das Ehepaar Louis und Rachel Creed hat es im Horrorfilm "Friedhof der Kuscheltiere" trotz zweifachem Kleinkindterror und all den anderen Antiaphrodisiaka, die das Erwachsenenleben so mit sich bringt, nach langer Zeit mal wieder in erotischer Mission ins Bett geschafft - zumindest fast.

Denn gerade als das Knutschen in die heiße Phase übergeht, springt plötzlich ihr Kater Church mit zerzaustem Fell ins Ehebett und starrt sie aus gelben Augen an. Was das Paar zum Kreischen bringt, denn das Tier war eigentlich vor ein paar Tagen von einem Truck auf der Landstraße überfahren worden. Aber wie es sich für eine ordentliche Zombiegeschichte gehört, bedeutet tot hier nicht gleich tot.

"Friedhof der Kuscheltiere" ist die Neuverfilmung des gleichnamigen Stephen-King-Romans aus dem Jahr 1983. Die Idee zu dieser Geschichte bekam der Autor, als der Kater seiner Tochter Ende der Siebzigerjahre einen unglücklichen Zusammenstoß mit einem Tanklaster auf der Route 5 im ländlichen Maine hatte. Hinter dem Haus der Kings am Waldrand hatten Kinder einen Haustierfriedhof angelegt, weil die stark befahrene Straße schon diverse Hunde und Katzen das Leben gekostet hatte. "Pet Sematary" stand dort in krakeliger Kinderschrift orthografisch nicht ganz korrekt auf einem Schild, in etwa "Haustier-Fritof" auf Deutsch, - und dieses Schild gab dem Roman seinen Originaltitel.

Der Autor machte sich ans Werk und schrieb die Geschichte des Arztes Louis Creed auf, der mit Frau und Kindern aufs Land zieht, wo der Kater der Tochter überfahren wird. Nur ermöglicht der "Haustier-Fritof" in seiner fiktiven Version den Begrabenen noch ein unheimliches Bonus-Leben, sie kehren nach ihrer Beerdigung als Zombies zurück. Und der Arzt belässt es nach einem tragischen Unfall nicht nur bei einer Katzenleiche, die er auf dem Friedhof verscharrt. Denn auch Menschen kehren aus dieser speziellen Erde zurück, aber leider nicht in der besten Version ihrer selbst. Weshalb der Arzt sich bald fragen muss, ob das Zauberbegräbnis trotz seiner Trauer um einen geliebten Menschen eine gute Idee war. Eine Traumatherapie mit Zombies sozusagen.

Für Stephen King ist die Provinz der Urgrund des amerikanischen Albtraums

Diese Story fand sogar King selbst, dessen Schmerzgrenze für krude Plots sonst nicht allzu schnell erreicht ist (ja dessen eigentliche Kunst darin besteht, total dämliche Horrorszenarien so aufzuschreiben, dass sie halbwegs plausibel klingen) ein bisschen zu irre. Er packte das Skript in die Schublade. Erst ein paar Jahre später entschied er sich doch zur Veröffentlichung. Das sollte er nicht bereuen. "Friedhof der Kuscheltiere" wurde zu seinem erfolgreichsten Buch und wird vom Verlag bis heute als "der weltweit erfolgreichste Horrorroman" angepriesen. Logisch also, dass im Zuge des großen King-Revivals, das derzeit in Hollywood stattfindet, auch dieses Buch - nach einer ersten Adaption von 1989 - noch mal neu verfilmt wurde. Losgetreten hat die aktuelle King-Manie das Remake seines Horrorklassikers "Es", das 2017 ins Kino kam. Der Film spielte weltweit über 700 Millionen Dollar ein, eine Boxoffice-Liga, in die momentan sonst nur Superhelden und "Star Wars" vorstoßen. In der Folge begannen die Hollywoodstudios hektisch in den Archiven zu kramen, ob da nicht zufällig noch irgendwo ungenutzte Rechte an Stephen-King-Geschichten herumliegen. Allein dieses Jahr kommen neben "Friedhof der Kuscheltiere" noch drei weitere King-Verfilmungen ins Kino: "Es, Teil 2", "Into the Night" und die "Shining"-Fortsetzung "Doctor Sleep".

Erklären kann man sich diese neue Sehnsucht nach den alten Schreckgeschichten eigentlich nur damit, dass die Zuschauer mehr Lust auf Horrornostalgie als auf Horrorgegenwart haben. Denn die meisten King-Romane, die derzeit neu fürs Kino aufgelegt werden, sind ein doppelter Anachronismus. Die Bücher selbst sind teils dreißig, vierzig Jahre alt. Sie haben ihre Wurzeln wiederum noch mal ein paar Jahrzehnte früher in Kings Kindheit und den überschaubar unheimlichen Schauergeschichten und Gruselfilmen der Fünfziger. Mit dem Lesen von Stephen-King-Romanen verhält es sich deshalb ein bisschen wie mit Kelleraufräumen und Googeln von Exfreundinnen: Es ist natürlich ein Horror, aber ist man mal dabei, hält sich der Schrecken in Grenzen und man kann damit wunderbar einen verregneten Sonntagnachmittag verbringen.

Aus diesem Grund haben sich die Regisseure Kevin Kölsch und Dennis Widmyer für ihr "Kuscheltier"-Update zwar ein paar neue Schockmomente einfallen lassen, damit Kenner der Geschichte ein paar Überraschungen erleben. Aber ansonsten bleiben sie dem Geist der Vorlage sehr treu und inszenieren ganz im Sinne Kings die Provinz als Urgrund des amerikanischen Albtraums. Diese Auffassung haben natürlich schon viele Künstler vertreten, von J. D. Salinger bis Alfred Hitchcock, und spätestens seit Trumps Wahlsieg sind wohl auch Politanalysten dieser Meinung. Aber so bildlich wie King hat die Idee einer schwarzen amerikanischen Seele, die auf dem Land zu Hause ist und nach Blut verlangt, keiner artikuliert. Deshalb sieht das ländliche Maine mit seinen finsteren Wäldern im Film auch wie ein Vorort von Mordor aus, in dem das Ehepaar Creed kein Liebesglück mehr finden wird, nachdem ihre Katze wieder zum Leben erwacht.

Der eigentliche Horror des Films besteht, wie so oft bei Stephen King, nicht in den soliden Schockeffekten. Sondern in der düsteren Ahnung, dass es jenseits von Wissenschaft und Schulmedizin noch einen grausigen, geisterhaften Schwebezustand zwischen Leben und Sterben geben könnte, der im Zweifelsfall schlimmer ist als der Tod.

Pet Sematary , USA 2019 - Regie: Kevin Kölsch, Dennis Widmyer. Buch: Jeff Buhler nach dem Roman von Stephen King. Kamera: Laurie Rose. Mit: Jason Clarke, Amy Seimetz. Paramount, 101 Minuten.

© SZ vom 05.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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