Urbanität:Wenn der Aiwangerhubert über Latte Macchiato spricht

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Die Grünen haben 40 Jahre gebraucht, um zur anerkannten Milchschaum-Partei zu reifen. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Mit einer Aussage über die städtische Latte-Macchiato-Elite sorgt der bayerische Wirtschaftsminister nicht nur grammatikalisch für Verwirrung.

Glosse von Nadeschda Scharfenberg

Ansage an alle Latte-Macchiato-Mütter und -Väter, die in ihrer grün-paritätisch aufgeteilten Elternzeit mit dem wiederverwendbaren Bambusbecher am Sandkastenrand hocken und Backe-backe-Bio-Dinkelkuchen spielen. Und Ansage an Hubert Aiwanger: Es heißt der Latte Macchiato, nicht die. Zum Schreien, wenn im Coffeeshop die Kundschaft, egal ob Männlein oder Weiblein, in freudiger Erwartung bestellt: "Ich hätte gerne eine große Latte."

Die linguistische Latte hat diese Woche der Aiwangerhubert gerissen, dessen Kompetenz in italienischer Kulinarik sich daraus speist, dass er gerne Pizza Hawaii isst, die, neben Pizza Wurstel, die deutscheste aller Pizzen ist. Exkurs: Manches Campingplatz-Restaurant in bella Italia bietet für die teutonischen Bambini sogar Pizza mit Pommes obendrauf an. Bei Aiwanger ging es diese Woche um die Bienen und um mögliche weitere Öko-Volksbegehren und darum, wie die Grünen generell so drauf sind. Hubert Aiwanger warf ihnen "Kolonialismus einer städtischen Elite gegen die ländlichen Räume" vor, anders ausgedrückt: "Sie rühren in Ihrem Latte Macchiato" ( korrekt, Anm. d. Red.), doch wenn die Milchbauern die Vorschläge bei den Mähterminen umsetzen müssten, "dann haben Sie gar keine Latte ( autsch!) mehr in Ihrem Macchiato."

An dieser Aussage ist, neben den grammatikalischen Wirren, zweierlei erstaunlich. Erstens, wie weit die Grünen sich doch von den strickenden Jesuslatschenträgern entfernt haben, die ihr Hüttenkäse-Vollkornsandwich in der Blechdose im Jutebeutel mit sich herumtragen. Die urbane Latte-Macchiato-Partei, das war doch bis vor Kurzem noch die FDP.

Zweitens ist erstaunlich, dass einem erst nach mehreren Tagen einfällt, dass der Aiwangerhubert entgegen seiner biografischen Bestimmung ja gar nicht Landwirtschaftsminister ist, sondern zuständig für Wirtschaft im Allgemeinen und Energie, Technologie und Digitalisierung im Besonderen. Der Opfe am Baum fällt weniger in seinen Kompetenzbereich als der Opfe auf dem Handy oder dem Computer hinten drauf.

Die Grünen haben 40 Jahre gebraucht, um zur anerkannten Milchschaum-Partei zu reifen. Der Aiwangerhubert ist erst fünf Monate im Amt. Könnte also noch dauern, bis aus ihm ein iWanger wird.

© SZ vom 06.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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