TV-Premiere:Ruhestörung

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Michael Höveler-Müller lebte fünf Jahre in Ägypten und nahm an Ausgrabungen und Untersuchungen teil. Von 2009 bis 2011 leitete er das Ägyptische Museum in Bonn. Heute betreibt er eine Fernschule für Hieroglyphen. (Foto: privat)

Erstmals überträgt das deutsche Fernsehen eine Graböffnung live. Ägyptologe Höveler-Müller über das Projekt, seinen Job und die Totenruhe.

Interview von Benjamin Emonts

Der Sender Dmax zeigt in der Nacht auf Montag von zwei Uhr an zum ersten Mal im deutschen Fernsehen die Öffnung einer ägyptischen Grabkammer in Echtzeit. Der Ägyptologe und deutsche Kommentator der Übertragung, Michael Höveler-Müller, bringt vorab Licht ins Dunkel.

SZ: Herr Höveler-Müller, was erwartet uns denn nun Montagnacht?

Michael Höveler-Müller: Ich weiß nur, dass wir uns nördlich von Asyut in Mittelägypten befinden, in einer Gegend, in der früher Nofretete und ihr Gemahl König Echnaton gelebt haben. In einer bereits offenen Grabkammer soll der Sarkophag eines noch unbekannten Hohepriesters geöffnet werden. Vor laufenden Fernsehkameras ist so etwas noch nie passiert. Das ist gewisserweise vergleichbar mit der Mondlandung.

Eine Sensation gewissermaßen?

Für den Laien wird die Übertragung auf jeden Fall ein Abenteuer. Man muss natürlich abwarten, was in dem Sarkophag letztlich zu finden ist, ob bloß der eingewickelte Körper des Priesters oder auch mehrere Särge und verschiedene Grabbeigaben. Wenn man Hinweise auf den Namen des Hohepriesters und dessen familiäre Verbindungen bekommen könnte, wäre das aus wissenschaftlicher Sicht bedeutend. Ich glaube aber nicht, dass die Zuschauer einer Mumie ins Gesicht schauen werden.

Was war bislang Ihr aufregendster Fund?

Mein erster Skelettfund 1998. Das Grab war 6000 Jahre alt und völlig unberührt. Es war ein Sandgrab, noch ganz am Anfang der ägyptischen Geschichte, auf einem sehr elitären Friedhof, auf dem rund 500 Jahre später die ersten Könige Ägyptens beigesetzt werden sollten. Das Skelett lag auf der Seite und die Beine waren angezogen wie bei einem Fötus. Es war in ein Fell gehüllt und hatte Gefäße bei sich und Schmuck und Waffen. Ich war der erste Mensch, der dieses Grab geöffnet hat.

Was empfindet man da?

Ich muss sagen: Ich hatte Schuldgefühle. Ich wollte immer so ein ungestörtes Grab finden, und als ich es dann endlich gefunden hatte, habe ich mich ganz schlecht gefühlt. Weil ich der erste Mensch nach 6000 Jahren war, der die Ruhe dieses Toten gestört hat. Ich habe dann an die Menschen gedacht, die hier wohl am Rand der Grube standen, geweint haben und ihrem Angehörigen Opfergaben mit ins Grab gegeben haben. Ich fand das ganz makaber. Ich hatte lange daran zu knabbern.

Jetzt kann ganz Deutschland zuschauen.

Je mehr Menschen für Ägypten begeistert werden können, desto besser. Das Land hat ja gerade ein großes Problem mit dem Tourismus.

Stören die Kameras nicht bei der Arbeit?

Die Übertragung endet wohl recht bald, nachdem der Sarkophag geöffnet wurde. Dann beginnt die wochenlange Arbeit, bei der jedes Staubkorn und jeder Fußabdruck wie an einem Tatort dokumentiert wird.

© SZ vom 06.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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