Protest in Berlin:"Wohnrecht ist ein Menschenrecht - genau wie aufs Klo gehen"

Demonstration gegen steigende Mieten - Berlin

Die Mietenentwicklung vor allem in den großen Städten kennt nur noch eine Richtung - aufwärts.

(Foto: Christoph Soeder/dpa)
  • Aus Unmut über steigende Mieten sind in mehreren deutschen Städten Tausende Menschen auf die Straße gegangen.
  • Die meisten Demonstranten versammelten sich an einem bundesweiten Protesttag in Berlin.
  • In der Hauptstadt begann gleichzeitig auch ein bislang einmaliges Volksbegehren zur Enteignung großer Wohnungskonzerne.

Von Jacqueline Lang, Berlin

Tausende Menschen sind in Berlin unterwegs - und das liegt nicht nur am schönen Wetter. Mindestens 35 000 sind auf der Straße, um zu demonstrieren. Für bezahlbaren Wohnraum und gegen steigende Mieten. Denn Wohnen sei ein Grundrecht, da sind sich alle einig, die auf den Alexanderplatz gekommen sind.

Parallel zu der Demo "Markt macht Armut - Wohnen ist Menschenrecht" startet auch der Antrag auf ein bislang einzigartiges Volksbegehren zur Enteignung großer Wohnungskonzerne. Allein der Wohnungsgesellschaft Deutsche Wohnen SE gehören in Berlin 112 000 Wohnungen. Gekauft haben die Wohnungsgesellschaften sie vor vielen Jahren vom Land Berlin. Die Forderung der Initiatoren, die nun eine Unterschriftenaktion gestartet haben: Berlin soll die Wohnungen von den Gesellschaften zurückkaufen, die mehr als 3000 Wohnungen besitzen. Ein solches Vorgehen wäre einmalig in Deutschland. Insgesamt sechs Monate haben die Organisatoren Zeit, um insgesamt 20 000 Unterschriften zu sammeln. Wenn das gelingt, startet das Volksbegehren.

"Berlin auch für Omas", steht auf dem Plakat

Die Schlange derer, die unterschreiben wollen, ist lang. Auch das Ehepaar Hofmann hat sich eingereiht. "Es geht nur noch mit strengen Maßnahmen", sagt Rainer Hofmann. Die CDU habe alle Gesetze verwässert, sagt er. Es müsse sich nun ganz grundlegend etwas ändern, ist auch seine Frau überzeugt. Sie ist 77, er 88 Jahre alt und sie sind nicht die Einzigen in dieser Altersgruppe. "Berlin auch für Omas", steht auf dem Plakat, das eine ältere Dame in die Höhe hält.

Franca K. lebt noch zuhause bei ihren Eltern - und das, obwohl sie bereits 22 Jahre alt ist und längst studiert. "Wir wollen gerne ausziehen, aber wir finden einfach keine Wohnungen", sagt sie. Mit wir meint sie sich und ihre drei Freundinnen, die genau wie sie selbst, keine bezahlbare Bleibe finden. Die Freundinnen sind alle in Kreuzberg groß geworden und ja, gerne würden sie hierbleiben, aber mittlerweile würden sie auch in anderen Vierteln nach Wohnungen schauen. Nur nach Marzahn wollen sie nicht unbedingt.

Der Demonstrationszug bewegt sich vom Alexanderplatz über die Karl-Marx-Allee zum Frankfurter Tor und dann über die Warschauer Straße zum Schlesischen Tor. Die Route ist bewusst gewählt: Am Alexanderplatz hat die Landesbank Berlin ihren Sitz, die maßgeblich an den Immobilienspekulationen in den 1990er Jahren beteiligt war und für den Berliner Bankenskandal 2001 mitverantwortlich ist. Auf der Karl-Marx-Allee werden kommunale Häuser verkauft. Aus vielen Fenstern hängen hier Bettlaken mit Sprüchen wie "Paläste für alle" und "Kommerz Allee". Auch der Weg durch Friedrichshain und Kreuzberg ist eine bewusste Entscheidung. Die Viertel sind seit langem von der sogenannten Gentrifizierung betroffen, die Preise steigen stetig. Die Abschlusskundgebung findet vor dem Arena-Gelände an der Schlesischen Straße statt. Dort wird aktuell die Immobilienmesse veranstaltet.

Auch in Amsterdam, Brüssel und Kanada wurden Demos angekündigt

Es wird aber nicht nur in der Hauptstadt demonstriert, auch in vielen anderen deutschen Großstädten sind an diesem Samstag Menschen auf der Straße, darunter München, Dresden, Duisburg, Frankfurt und Köln. Und nicht zur hierzulande demonstrieren Menschen für faire Mieten: In Amsterdam, Brüssel, auf Zypern und sogar in Kanada wurden Demos angekündigt.

Der Menschenzug, der durch das sonnige Berlin zieht, wird immer länger. "Reißt ihr uns die Häuser nieder, sehen wir uns in euren wieder", wird gerufen. Und: "Die Häuser denen, die darin wohnen."

Auch ein leerstehendes Geschäft in der Wrangelstraße in Berlin-Kreuzberg wurde von Demonstranten kurzzeitig besetzt. Der frühere Gemüseladen hatte vor einigen Jahren als Symbol gegen steigende Preise und Verdrängung Schlagzeilen gemacht. Die Polizei war mit einem größeren Aufgebot vor Ort. Sie nahm drei Personen fest, wie eine Sprecherin am Abend sagte. Dem Betreiber des Ladens war gekündigt worden. Nach Protesten wurde die Kündigung zurückgenommen. Der Besitzer hat das Geschäft später jedoch aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben. Es steht im Moment leer.

Markus B. lebt in Berlin Mitte. Auch das Haus in dem er zuhause ist, gehört der Deutsche Wohnen, für seine Wohnung zahlt er 460 Euro warm. Das macht 9,30 Euro für den Quadratmeter. Er sagt, auch das sei schon zu viel. Seine Nachbarin, eine alleinerziehende Mutter, zahle allerdings sogar mehr als elf Euro für den Quadratmeter. Der 37-Jährige findet das "hochkriminell" und will gegen seine viel zu hohe Miete klagen - wenn es nicht klappt mit der Zwangsenteignung der Wohnungsgesellschaft. Auch er hat für das Volksbegehren unterschrieben. Er sagt: "Wohnrecht ist ein Menschenrecht - genau wie aufs Klo gehen".

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