Wohnen:Wie man einen Miethai in Sushi verwandelt

Lesezeit: 3 min

  • Das bundesweite Netzwerk "Mieten & Wohnen" hat am Wochenende in München zu einer zweitägigen Konferenz geladen.
  • 110 Teilnehmer diskutierten die Frage, wie Städte und Gemeinden bezahlbaren Wohnraum bieten können.
  • Gleichzeitig demonstrieren am Samstag Zehntausende Menschen in vielen Städten Deutschlands und Europas für bezahlbare Wohnungen.

Von Kathrin Aldenhoff

Der Miethai ist an diesem Wochenende in München sehr präsent. Bei der Protestaktion am Leonrodplatz widmen ihm gleich mehrere Demonstranten ein Plakat - die einen wollen ihn aus dem Teich fischen, die anderen zu Sushi verarbeiten. Und auf der Konferenz "Mietenwahnsinn stoppen" hängt das Bild eines Hais mit aufgerissenem Maul in einem der Workshopräume des Mucca, des Munich Center of Community Arts. Umrahmt von Post-its und Notizen, von Ideen, wie man diesem Miethai das Leben schwer machen könnte.

Das bundesweite Netzwerk "Mieten & Wohnen" hat zu einer zweitägigen Konferenz geladen, die dieses Mal in München stattfindet. 110 Teilnehmer sind gekommen, es geht darum, sich zu vernetzen und um die Frage, wie Städte und Gemeinden bezahlbaren Wohnraum bieten können. Es ist die vierte Konferenz des Netzwerks seit 2015. Gleichzeitig demonstrieren am Samstag Zehntausende Menschen in vielen Städten Deutschlands und Europas für bezahlbare Wohnungen - das Thema treibt die Menschen um.

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In München protestieren sie unter dem Motto "Ausspekuliert". Die Initiative mit dem gleichen Namen hatte im September 2018 mehr als Zehntausend Münchner auf die Straße gebracht. So viele Menschen sind es an diesem Wochenende nicht. Die Organisatoren hatten eine Protestaktion für bis zu 500 Leute angemeldet. Die Polizei spricht von 300 Teilnehmern auf dem Leonrodplatz.

Tilman Schaich von Ausspekuliert steht auf der Bühne. Er fordert, dass die Bundesregierung steigenden Wohnungspreisen entgegentritt; redet von den Bauunternehmern, wünscht sich, dass sie Stellung beziehen. Und er fordert die Menschen auf, aktiv zu werden. "Wir müssen schauen, dass wir unsere eigene Lobby bilden", ruft er ins Mikrofon. "Wir sind mehr, und das müssen wir kundtun."

Eine Rentnerin ist mit ihrem Mann gekommen, sie hat ihren Fahrradhelm noch auf dem Kopf, hört den Rednern zu. Und sie ist wütend. "Wir sind hier, weil wir die Mietpreiserhöhung unerhört finden", sagt sie. Und dass ihr Mann und sie glücklicherweise Erspartes haben - alleine mit ihrer Rente sähe es bei den hohen Mieten in München schlecht für sie aus. Eine Schweinerei nennt sie das, eine Schande für das Land. Und dass sie sich nicht aus München vertreiben lässt.

Ein Paar mit Kinderwagen ist auch da, beide sind sie Münchner. "Für Familien ist es schwierig", sagt die junge Frau. "Zu zweit ging es noch, aber zu dritt hat man ganz andere Ausgaben." Und wenn ein zweites Kind kommt, wird es nochmal schwieriger. Sie haben sich gleich eine größere Wohnung gesucht - "beim zweiten Umzug ist es sonst ja noch teurer".

Dass Familien und Rentner, Menschen mit wenig Einkommen und alle anderen bezahlbare Wohnungen finden, dafür setzen sich in verschiedenen Städten lokale Initiativen ein. Zur Konferenz nach München sind sie aus Berlin, aus Hamburg, Frankfurt, Augsburg, Stuttgart und dem Ruhrgebiet gekommen. Es wird darüber diskutiert, wie ein Leerstandsmelder für Wohnraum sinnvoll funktionieren könnte, wie sich Aktivisten in Siedlungen selbst organisieren und wie Initiativen mit dauerhaften Strukturen aufgebaut werden können.

Die Teilnehmer arbeiten in mehreren Räumen in Workshops zusammen, etwa 20 von ihnen im Kommandoraum, so heißt ein Raum im Mucca. An den Wänden kleben Post-its, auf den Tischen liegt Packpapier, eng mit Filzstift beschrieben. Ein Heft liegt aus, "In sieben Schritten zur aktiven Mieter-Initiative" steht vorne drauf. Mit dabei sind am Samstagvormittag Nikolaus Teixeira vom Bienen-Volksbegehren und Thomas Lechner von der Initiative Ausgehetzt. Der eine erzählt, wie ein Volksbegehren funktionieren kann, der andere davon, wie sie es geschafft haben, Zehntausende Münchner gegen die Politik der bayerischen Staatsregierung auf die Straße zu bringen.

"Der Wohnungsmarkt macht viele Leute hilflos", sagt Christiane Hollander vom Netzwerk Mieten & Wohnen. Die Aktivisten aus den verschiedenen Städten könnten voneinander lernen und gemeinsam Ideen entwickeln, wie man den großen Akteuren auf der Eigentümerseite etwas entgegensetzen kann. Am Ende schreiben die Teilnehmer auf Post-its, was sie gelernt haben im Kommandoraum. Auf einem Zettel steht: "Dass wir viele sind und wir uns trauen müssen, nach Hilfe zu fragen."

Bei der Protestaktion am Leonrodplatz wird am Samstag symbolisch das Münchner Kindl in einem schwarzen Sarg zu Grabe getragen, von Miethaien und Spekulanten. Einer von ihnen schwingt auf der Bühne eine Rede über Rendite und Luxusquartiere, so überzeugend, dass sich der Witz nicht allen sofort erschließt. Schließlich jagen die Demonstranten den Miethai davon und das Münchner Kindl darf wieder auferstehen. Die Protestaktion soll schließlich eine positive Botschaft haben.

© SZ vom 08.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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