China und EU:Die Europäer haben sich Mut angespart

Trieste Port Offers A European Notch In China's 'Belt And Road' Project

Geld für italienische Projekte: Der Hafen von Triest bekam Ende 2019 einen Kredit in Höhe von 39 Millionen Euro von der Europäischen Investitionsbank.

(Foto: Marco Di Lauro/Getty)
  • Nachdem Staatspräsident Xi durch Europa gereist ist, kommt nun Chinas Regierungschef Li zum EU-China Gipfel in Brüssel.
  • Der Empfang dort dürfte relativ kühl ausfallen - die EU-Kommssion spricht über Peking als "systemischen Rivalen".
  • Brüssel will nun den Druck auf Peking erhöhen, um gegen unfaire Geschäftspraktiken und den Diebstahl europäischer Technologie vorzugehen.

Von Lea Deuber

Seit Wochen nun schlachtet Chinas Staatspresse die Reise von Xi Jinping nach Europa aus: Dem Präsidenten seien wichtige Erfolge gelungen für den freien Handel, Chinas internationales Ansehen und den Weltfrieden. Tatsächlich lieferten die Italiener die passenden Bilder zu Xis Propagandashow, als sie sich in einem gemeinsamen Memorandum für eine engere Kooperation mit China verpflichteten.

Wenn Ministerpräsident Li Keqiang am Dienstag für den China-EU-Gipfel nach Brüssel reist, dürfte der Empfang deutlich kühler ausfallen. Fast zeitgleich mit Xis Besuch veröffentlichte Brüssel Empfehlungen für eine gemeinsame Position in Bezug auf chinesische Technologiekonzerne beim Ausbau kritischer digitaler Infrastruktur. Im März hatte die EU-Kommission ein Diskussionspapier veröffentlicht, um in Zukunft geschlossener gegenüber dem östlichen Partner aufzutreten. Nachdem die USA im vergangenen Jahr die Beziehungen zu einem "Wettbewerb der Systeme" erklärten, spricht Brüssel nun von einem "systemischen Rivalen".

Den notwendigen Mut für die neue Politik hat sich Brüssel in den vergangenen Monaten angespart. Auch wenn die USA zu keinem gemeinsamen Kurs gegenüber China bereit sind, hat der Handelskrieg eins gezeigt: Wandel durch Handel ist gescheitert. Rücksicht hat weder die USA noch die EU weitergebracht. Druck hingegen schon. Paul Haenle von der Denkfabrik Carnegie-Tsinghua Center in Peking nennt die neue Härte der EU wenig überraschend: "Außer seine eigenen Interessen kennt Peking nichts", sagt Haenle.

Gerade wenn es um den Zugang zu Spitzentechnologie geht, ist die EU für China unersetzlich

Dass Italien sich beim Europabesuch von Xi für vage Versprechen zur Fotopuppe Pekings degradieren ließ, ist für die EU peinlich. Das ändert aber nichts am Willen der Kommission, unfaire Geschäftspraktiken, den Diebstahl europäischer Technologie und das Auseinanderdividieren der europäischen Einheit zu stoppen. Gerade wenn es um den Zugang zu Spitzentechnologie geht, ist die EU für China immer noch unersetzlich. In Brüssel fürchten viele, dass Europa bald diesen letzten Trumpf verspielt, wenn es sich nicht wehrt. Bis 2020 wollen die EU und China ein Investitionsabkommen mit neuen Spielregeln abschließen. "So kann das nicht gehen", sagte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker Anfang April vor dem saarländischen Landtag.

Der europäische Kurswechsel erwischt Peking zu einem schlechten Zeitpunkt. Die chinesische Regierung kämpft mit den Folgen des Handelsstreits mit Washington. Eine zweite Front kann es sich nicht leisten. Wie hoch der Druck auf Präsident Xi ist, ließ sich in den vergangenen Tagen in einigen Staatszeitungen nachlesen. Sie druckten eine Rede von Xi nach, die er 2013 vor Funktionären der Partei gehalten hatte. Darin argumentierte er, dass das Festhalten am Sozialismus und der Partei einziger Garant für Chinas langfristigen Erfolg sein könne: "Unser System wird reifen, die Überlegenheit des Sozialismus wird offenkundiger werden." Die Funktionäre sollten nicht durch die Schwierigkeiten ins Zweifeln geraten, sondern "die Risiken und Herausforderungen ertragen und der Erosion durch dekadente Ideologien widerstehen".

Die Botschaft ist klar: Schon 2013 hat Präsident Xi, der Visionär, die schwierigen Zeiten vorausgesehen und das Land darauf eingeschworen. Alles unter Kontrolle also. Doch die zunehmend schwierige wirtschaftliche Lage kann Peking nicht wegzensieren. Willy Lam von der Chinesischen Universität in Hongkong spricht von einer "Vertrauenskrise" gegenüber dem Kurs Xis. Dass Trump den Handelskonflikt auf offener Weltbühne austrägt, ist für die Regierung doppelt unangenehm. Peking pflegt Unangenehmes eher hinter verschlossenen Türen zu besprechen.

Auch in anderen Regionen der Welt wächst der Widerstand gegen Pekings Industriepolitik

Um Kritiker im In- und Ausland zu beschwichtigen, die sich an dem aggressiven Kurs des Landes stören, hat Xi bereits seine Strategie "Made in China 2025" zurückgenommen, zumindest öffentlich. Mit einer Mischung aus Industriepolitik und Protektionismus erklärt Peking darin, wie es den anderen Industriestaaten in Zukunft den Rang ablaufen will. Nun dürfen Offizielle nicht mehr über die Initiative sprechen. Auch bei seiner Seidenstraße-Initiative bemüht sich Xi um rhetorische Abrüstung. Ende des Monats lädt China zu einem Seidenstraßengipfel nach Peking ein. Aktuell soll es an Richtlinien arbeiten, die Firmen daran hindern sollen, Projekte als Teil der Initiative zu verkaufen, ohne dass sie tatsächlich eine Verbindung mit dem offiziellen Investitionsprogramm haben. Damit will die Regierung vermeiden, dass die umstrittene Initiative weiter in Verruf gerät. Brüssel kritisiert die unklaren Rahmenbedingungen der Deals und die fehlenden Möglichkeiten für nicht-chinesische Firmen, von den Projekten zu profitieren. Auch in anderen Regionen der Welt wächst der Widerstand. In Malaysia verhandelt die Regierung ein Eisenbahnprojekt in Höhe von 20 Milliarden Dollar neu. In Myanmar steht ein Hafenprojekt auf der Kippe, das durch das frühere Militärregime abgeschlossen wurde. Auf den Malediven hat die Bevölkerung die pro-chinesische Regierung aus dem Amt gewählt.

Im August versprach Xi bereits einen "offenen und inklusiven Prozess anstatt eines exklusiven Blocks oder China-Klubs". 2017 hatte er sich beim ersten Seidenstraßengipfel geweigert, auf die Forderungen der EU einzugehen. Die europäischen Vertreter waren daraufhin vorzeitig abgereist. Auch Ministerpräsident Li dürfte diese Woche leisere Töne in Brüssel anschlagen. Dass Peking die Initiative ähnlich wie seine Industriepolitik zumindest öffentlich zurücknimmt, hält Paul Haenle hingegen für unwahrscheinlich. Sie gilt als Xis außenpolitisches Meisterstück.

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