Kommentar:Ein dickes Brett für Andreas Scheuer

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Der CSU-Verkehrsminister will die Taxi-Branche durch Anbieter wie Uber zu mehr Wettbewerb zwingen. Doch sein Plan hat ernste Mängel.

Von Hendrik Munsberg

Deutschlands Taxifahrer und -unternehmer fürchten um ihre Existenz. In rund 30 Städten vereinten sie sich an diesem Mittwoch zum bundesweiten Protest, vor allem in Berlin kam es zu empfindlichen Verkehrsstörungen. Die Branche stemmt sich gegen die geplante Liberalisierung, sie hat Sorge, von privaten Fahrdiensten wie Uber überrollt zu werden. Das ist keineswegs unbegründet. Konzerne wie Daimler, BMW und Volkswagen drängen mit neuen Mobilitätskonzepten ebenfalls auf den Markt. Wahr ist aber auch: In Zeiten raschen Wandels, in denen Leihfahrräder und bald auch E-Tretroller zu Wettbewerbern im innerstädtischen Verkehr werden, kann nicht alles bleiben, wie es seit Urzeiten ist. Gefordert wäre kluge Reformpolitik. Doch genau da gibt es ein Problem. Zuständig für das anspruchsvolle Projekt ist Verkehrsminister Andreas Scheuer. Der CSU-Mann ist bisher nicht durch Verkehrspolitik aufgefallen, die vornehmlich von Vernunft geleitet wäre - typisch Scheuer ist bisher Aktionismus plus Stammtisch-Statements. In Berlin bekam er bei seiner Rede aber hautnah zu spüren, wie ernst der Taxi-Branche die Sache ist.

Im Februar hat Scheuers Verkehrsressort Eckpunkte für eine Deregulierung des "Personenbeförderungsgesetzes" vorgelegt. Im Kern geht es darum, das betagte Taxigewerbe unter Wettbewerbsdruck zu setzen - vor allem durch Mietwagendienste wie Uber. Die zentrale Neuerung klingt sperrig, hat aber gravierende Auswirkungen. Für Mietwagen soll die Rückkehrpflicht zur Zentrale entfallen. Derzeit müssen sie nach jeder Fahrt retour zu ihrem Hauptstandort, anders als Taxis dürfen sie sich nicht direkt an der Straße neue Kunden suchen; eine Vorschrift, die viele Uber-Fahrer schon heute ignorieren.

Stadtpläne pauken? Weg damit. Kniffliger ist die Reform des Preissystems

In Berlin stellte Scheuer jetzt klar, dass er den Städten überlassen will, ob sie die Rückkehrpflicht streichen.

Tun sie das, befördern sie endgültig ruinösen Wettbewerb. Denn anders als die neue Konkurrenz soll die Taxi-Branche auch künftig strenge Auflagen erfüllen - die wichtigste: Sie muss eine Grundversorgung gewährleisten. Auch in Zukunft wären nur Taxiunternehmen verpflichtet, rund um die Uhr zu fahren. Zudem dürfen sie Transporte nicht grundlos ablehnen. Schließlich sind sie an einheitliche Tarife gebunden, die von den Kommunen vorgegeben werden. Uber hingegen kalkuliert anders: je geringer die aktuelle Nachfrage, desto geringer der Fahrpreis. Meist ist das für Fahrgäste viel billiger. Doch auch der US-Konzern verdient prächtig, zehn Milliarden Dollar will er bei seinem Börsengang einsammeln. Das Geschäftsmodell hat aber eine sozialpolitische Konsequenz. Vielen Uber-Fahrern, die als Selbständige gelten, droht eine prekäre Existenz.

Aber auch die ökologischen Wirkungen müssen bedacht werden. Erfahrungen aus den wichtigsten amerikanischen Städten, wo die neuen Fahrdienstvermittler schon lange Realität sind, zeigen: Anbieter wie Uber oder Lyft behaupten zwar, sie machten den Besitz eines eigenen Autos für viele Menschen überflüssig. In Wahrheit aber lassen sie, wie eine Studie zeigt, den innerstädtischen Verkehr kräftig anschwellen. Rund 60 Prozent der Befragten gaben an, sie hätten Bus, Bahn oder Fahrrad genutzt, gäbe es Uber nicht. Offenkundig können die Fahrdienstleister auch zur Bedrohung werden für ökologisch vernünftige Nahverkehrskonzepte deutscher Städte. Kein Wunder, dass die Kommunen massive Bedenken anmelden.

Viel bleibt zu tun für Andreas Scheuer. Das Taxigewerbe kann keine ewige Bestandsgarantie verlangen, aber im Wettbewerb muss künftig Waffengleichheit herrschen. Ein Grundsatz ist dabei wichtig: Alle Pflichten, die für Taxis gelten, müssen auch die Wettbewerber erfüllen. Dabei lässt sich so Manches entrümpeln. Gewiss kann man sich in Zeiten von Navis die für Taxifahrer vorgeschriebene "Ortskundeprüfung" schenken, niemand muss heute mehr Stadtpläne pauken. Die Autos der Fahrdienste sollten künftig aber erkennbar sein, das ist leicht zu erreichen - etwa durch eigene Nummernschilder, wie sie in den Niederlanden üblich sind.

Komplizierter ist die Aufgabe, ein neues Preissystem zu finden. Das Taxi-Gebührensystem ist zu starr und oft zu teuer. Sogar aus der Branche gibt es dazu längst Vorschläge, etwa den, einen zulässigen Preiskorridor einzuführen - mit einer Untergrenze für die Fahrer und einer Obergrenze für die Kunden. Am kniffligsten aber ist es, die ökologischen Wirkungen einer liberalisierten Personenbeförderung mit den Städten abzustimmen.

Ein dickes Brett, das Andreas Scheuer da bohren müsste - eine Reifeprüfung, bei der man leicht durchfallen kann.

© SZ vom 11.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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