"Niemandsland - The Aftermath" im Kino:Der Feind in meinem Bett

Filmstill

Rachel (Keira Knightley) im Gefühlschaos.

(Foto: Verleih)

Liebe im besetzten Deutschland: Keira Knightley folgt in "Niemandsland - The Aftermath" einer verbotenen Leidenschaft.

Von David Steinitz

Frauen, lernen wir in diesem Film, haben ihre Bedürfnisse, und wenn man diese als Partner nicht ausreichend befriedigt, lassen sie sich umgehend von einem Nazi auf dem Esszimmertisch vögeln.

Aber der Reihe nach. Das Liebesdrama "Niemandsland - The Aftermath" spielt in Hamburg kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs. Die Stadt liegt in Trümmern, die Menschen frieren und hungern sich durch einen eiskalten Winter, nur wenige Gebäude wurden vom Bombenhagel der Alliierten verschont. Eines davon ist eine üppige Vorstadtvilla, in die der britische Oberst Lewis (Jason Clarke) mit seiner Frau Rachel (Keira Knightley) zieht. Der deutsche Besitzer Stephan (Alexander Skarsgård), ein Architekt und Witwer, wurde enteignet und lebt jetzt mit seiner Tochter auf dem Dachboden.

Die Rollen scheinen zunächst klar verteilt, das britische Paar gehört zur Siegermacht und breitet sich in der Villa nach Gutsherrenart aus, vor allem Rachel verhält sich gegenüber dem deutschen Verlierer und seinem Kind kalt und reserviert.

Diese abweisende Haltung resultiert aber, wie der Zuschauer bald erfährt, weniger aus dem Verdacht, der Deutsche könne immer noch ein glühender Hitler-Anhänger sein, als aus der emotionalen und erotischen Vernachlässigung durch ihren Offiziersgatten. Der interessiert sich nämlich mehr für den konstruktiven Wiederaufbau des eroberten Landes und stürzt sich Tag und Nacht in seine Arbeit.

Also kommt, was kommen muss. Als Rachel eines Tages im Salon am Klavier sitzt und einsam vor sich hin klimpert, setzt sich Stephan neben sie auf die Bank und steigt mit ein. Unter ihrem vierhändigen Spiel schmilzt Rachels Ablehnung dahin und weicht hemmungsloser Leidenschaft. Natürlich hat der Mann neben ihr Nachteile (vielleicht ein Nazi), aber mit seinem perfekt auf den muskulösen Leib maßgeschneiderten Strickpullover eben auch Vorteile (sexy Nazi). Sie beginnen eine Affäre und denken sogar über eine gemeinsame Flucht in die Alpen nach.

Produziert wurde dieses britische Liebesdrama, das zu Teilen in Deutschland gedreht wurde, von Ridley Scott - und ein bisschen kann man auch verstehen, was den legendären Filmemacher an dieser Geschichte gereizt hat. "Niemandsland" basiert auf dem gleichnamigen Roman des walisischen Schriftstellers Rhidian Brook aus dem Jahr 2013 und ist angelegt wie ein Melodram der ganz alten Hollywood-Ära, als man Liebesgeschichten noch nicht mit Ironie und Zynismus zerlöchert hat. Der Regisseur James Kent inszeniert seine Adaption folglich auch als Melodram, in dem nach alter Schule gelitten und geschmachtet wird. Wenn man sich in einer romantischen Tagesform befindet, kann man es dem Film deshalb durchaus positiv anrechnen, dass er sich ein Pathos erlaubt, wie man es kaum noch sieht im Kino. Zumal Keira Knightley mit ihrem altmodischen Charme eine Idealbesetzung für diese Dreiecksgeschichte ist und auch die schmalzigsten Dialoge würdevoll absolviert.

Es wäre aber schön gewesen, wenn der Regisseur mit dem Genre des Nachkriegsmelodrams, das in den Vierzigern in Hollywood Hochkonjunktur hatte, nicht auch gleich die ignorante Weltsicht von damals übernommen hätte. Die Kriegstrümmer dienen lediglich als opulente Kulisse, und das Frauenbild dürfte selbst für die Handlungszeit ein Anachronismus sein, so willenlos, wie sich Rachel dem erstbesten Kerl hingibt, der ihr selbstbewusst die Hand unter den Rock schiebt.

Dabei hätte ein bisschen Realitätsschock diese Liebesgeschichte viel glaubhafter gemacht. So aber sieht der Film aus wie eine schicke Luxusuhrenwerbung, die aus unerfindlichen Gründen im Jahr 1946 spielt, das im schönsten Nachkriegsgegenlicht erstrahlt.

The Aftermath, GB/D 2019 - Regie: James Kent. Buch: Anna Waterhouse, Joe Shrapnel, Rhidian Brook. Kamera: Martin Phipps. Mit: Keira Knigthley, Jason Clarke, Alexander Skarsgård, Flora Thiemann. Fox, 109 Minuten.

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