Integration von Flüchtlingen:"Jeder braucht doch Arbeit"

Ein Flüchtling hilft bei der Generalsanierung des Bellevue di Monaco.

Arbeiten statt tatenlos herumsitzen wollen Geflüchtete. Dieser junge Mann half freiwillig bei der Generalsanierung des Bellevue di Monaco.

(Foto: Patrick Wild)
  • Viele Flüchtlinge wollen in ihrer neuen Heimat arbeiten, doch sie haben keine Erlaubnis.
  • Unternehmen suchen indes händeringend nach Mitarbeitern, vor allem im Handwerk und in der Pflege.
  • Die Münchner Sozialgenossenschaft Bellevue di Monaco und der bayerische Flüchtlingsrat gehen nun in die Offensive.

Von Thomas Anlauf

Maka Seck hat eigentlich einen schönen Beruf. Er ist Schlosser. Doch er darf nicht arbeiten. Seit sechs Jahren lebt der 36-Jährige in Deutschland, noch immer in einer Flüchtlingsunterkunft. Er hat hier Deutsch gelernt, hat ein Praktikum gemacht, sein potenzieller Arbeitgeber hat ihm ein gutes Zeugnis ausgestellt, er hätte ihn auch gerne angestellt. Doch die Ausländerbehörde lehnte ab. "Ich lerne, ich bin fleißig, ich habe ein Zertifikat", sagt Maka Seck. "Jeder braucht doch Arbeit", sagt er.

Elisabeth Renner hätte reichlich Arbeit für ihn. Die Münchner Bauunternehmerin sucht händeringend nach Mitarbeitern und Auszubildenden, doch sie findet fast keine mehr. 2006 hatte ihr Betrieb noch elf Lehrlinge, derzeit sind es noch drei, einer davon ist ein Geflüchteter aus Syrien. "Er ist ein unglaublich wertvoller Mensch", sagt sie. "Er spornt auch andere an." Mittlerweile ist er im zweiten Lehrjahr. Elisabeth Renner bräuchte viel mehr dieser hoch motivierten Menschen, die aus Kriegsgebieten wie Syrien kommen oder aus Krisenregionen wie der Casamance im Senegal, wo Maka Seck vor sechs Jahren nach Bayern floh.

Doch die Unternehmerin findet kaum noch Arbeiter. "Wir haben niemanden mehr, dem wir unser Wissen vermitteln können. Wenn das so weitergeht, stirbt das Handwerk aus", sagt sie. Das Problem: Die Ausländerbehörden lassen Geflüchtete oft jahrelang nicht arbeiten. Elisabeth Renner sagt dazu: "Dieses Rumsitzen und Warten ist aus meiner Sicht Folter."

Die Münchner Sozialgenossenschaft Bellevue di Monaco und der bayerische Flüchtlingsrat gehen nun wegen dieser oft rigorosen Haltung der Ausländerbehörden in die Offensive. Mit einer Jahreskampagne mit dem Titel "Lass mas halt arbeiten" wollen sie auf die Arbeits- und Ausbildungsverbote für Tausende Geflüchtete in Bayern aufmerksam machen. Mit einem Video und Flugblättern und einer Demonstration am 1. Mai wollen sie bei der Handwerkskammer und bei Betrieben, vor allem aber bei der bayerischen Staatsregierung erreichen, dass Menschen mit Migrationshintergrund und Geflüchtete leichter an Ausbildungs- und Arbeitsplätze kommen.

"Setzen Sie Integration vor Abschiebung, geben Sie Geflüchteten den Zugang zu Sprachkursen, Arbeit und Ausbildung - wir brauchen sie", so Matthias Weinzierl von Bellevue und Stephan Dünnwald vom bayerischen Flüchtlingsrat. Sie fordern eine dezentrale Unterbringung der Asylbewerber "statt Isolation in Ankerzentren". Matthias Weinzierl, der sich viele Jahre auch im Flüchtlingsrat engagierte, wirkt fast schon resigniert. Die Geflüchteten seien "zum Nichtstun gezwungen und müssen Angst haben, von der Polizei abgeholt zu werden".

Demonstration am Tag der Arbeit

Mittlerweile unterstützen zahlreiche Münchner Firmen und Institutionen den Appell von Bellevue di Monaco und Flüchtlingsrat, darunter das Lustspielhaus, die Kammerspiele und die Lach- und Schieß-Gesellschaft sowie eine Bäckerei, ein Getränkehändler, eine Schreinerei und eben auch das Bauunternehmen Michael Renner. Elisabeth Renner weiß, dass es in ganz München derzeit lediglich 25 Maurerlehrlinge gibt, davon seien bereits fünf im ersten Lehrjahr abgesprungen und unter den Verbliebenen 20 nur drei Deutsche. Auch in Münchner Altenheimen herrschten mittlerweile "dramatische Zustände", weil Mitarbeiter fehlten. "Wir brauchen die Flüchtlinge", sagt Elisabeth Renner.

Für Asylbewerber ist die Ausländerbehörde zuständig, die in München beim Kreisverwaltungsreferat angesiedelt ist. Grundsätzlich dürften Arbeitgeber natürlich Asylbewerber beschäftigen oder ausbilden, teilte die Ausländerbehörde am Donnerstag auf SZ-Anfrage mit. Doch dann wird es kompliziert: Der Asylbewerber müsse sich grundsätzlich mit einem Arbeits- oder Ausbildungsvertrag an die Ausländerbehörde wenden und dort einen Antrag stellen. Wenn es sich um einen Job ohne Berufsausbildung handelt, muss der Arbeitgeber zusätzlich eine Stellenbeschreibung und den Vertrag an die Agentur für Arbeit schicken, die dann die Erlaubnis erteilen kann - oder nicht. Grundsätzlich handle es sich bei einer Arbeitsgenehmigung "um eine Ermessensentscheidung, bei der die Ausländerbehörde alle den Einzelfall prägenden Umstände zu berücksichtigen hat und die ministeriellen Vorgaben beachten muss". Die Geflüchteten müssen allerdings mindestens seit drei Monaten in Deutschland leben.

Die Münchner Ausländerbehörde hält Stephan Dünnwald vom Flüchtlingsrat gemeinsam mit den Landkreisen München und Dachau als eine der wenigen Behörden in Bayern für relativ liberal, was die Arbeits- und Ausbildungsgenehmigung angeht. Demgegenüber stünden zahlreiche Landkreise "für eine äußerst restriktive Erlaubnispolitik", darunter Freising, Erding, Fürstenfeldbruck, Starnberg, Miesbach und die Stadt Nürnberg. "Es kann doch nicht sein, dass jeder kleine Mitarbeiter einer Ausländerbehörde entscheiden kann, ob jemand arbeiten darf oder nicht", sagt Matthias Weinzierl. Durch das jahrelange Nichtstun "gehen die Geflüchteten kaputt - aber wir brauchen doch diese Leute". So hätten derzeit 90 000 Geflüchtete in Bayern eine Arbeit, 13 000 seien in Ausbildung, dazu kommen laut Flüchtlingsrat etwa 115 000 Asylbewerber, die derzeit ein Praktikum absolvieren.

Ein Praktikum hat Maka Seck ja ebenfalls hinter sich, vier Jahre ist das nun schon her. Sein Chef schrieb ihm damals ins Zeugnis, dass er sehr daran interessiert sei, "Herrn Seck in ein festes Arbeitsverhältnis zu übernehmen". Doch es half nichts, der Senegalese hat trotz Duldungsstatus nach wie vor keine Arbeitserlaubnis. Trotzdem hat er es zu einer gewissen Berühmtheit gebracht in seiner neuen Heimat. Er ist nicht nur Schlosser, sondern auch Musiker. Maka Seck trat bereits im Münchner Backstage auf, im Raum Ebersberg gibt er regelmäßig Konzerte. Black Dia bu Galsen nennt sich sein Trio, das Hip-Hop, Dancehall und Soul spielt. Die Freunde singen über die Liebe, Lebensfreude und das Leben in der bayerischen Diaspora, der "Black Dia". Seit vergangenem Herbst ist das Trio jedoch nicht mehr komplett. Der Rapper Adama Dieng wurde in den Senegal abgeschoben. Doch Maka Seck gibt nicht auf. "Ich darf nicht arbeiten, also mache ich Musik", sagt er.

Bellevue di Monaco ruft nun am Tag der Arbeit zu einer Demonstration auf, um gegen Ausbildungs- und Arbeitsverbote für Geflüchtete zu protestieren. Die Kundgebung startet am 1. Mai um 9 Uhr vor dem Bellevue di Monaco (Müllerstraße 2) und zieht zu der zentralen Maikundgebung des Deutschen Gewerkschaftsbundes DGB auf dem Marienplatz. Die Forderung der Veranstalter an die Staatsregierung ist deutlich: "Arbeit heißt Würde, Arbeitsverbote sind Abschreckung. Lassen Sie Geflüchtete arbeiten und ermöglichen Sie ihnen ein Leben in Würde und die Möglichkeit, einen Beitrag zur Gesellschaft zu leisten."

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