Bildung:"Alles ist auf Null gesetzt"

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Die Digitalisierung der Schulen kommt nicht voran. Kreispolitiker werfen Kultusminister Piazolo vor, weder Mittel bereitzustellen noch eine Linie vorzugeben. Zugleich fürchten sie, für die Umsetzung zur Kasse gebeten zu werden

Von Martin Mühlfenzl, Landkreis

Nachdem Bund und Länder ihren Disput um die Digitalisierung der Schulen in einem Digitalpakt beigelegt haben, wird das Thema immer mehr zu einem Zankapfel zwischen Kommunen und Freistaat. Während Bayerns Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) am Freitag seinen Maßnahmenkatalog zur Umsetzung als "wuchtigen Aufschlag für die Digitalisierung" bezeichnete, schlagen ihm von Kommunalpolitikern aus dem Landkreis Wut und Häme entgegen: "Mich zerreißt es fast", sagte jetzt Ismanings Bürgermeister Alexander Greulich (SPD). "Es ist unsäglich. Von den Schulen wird verlangt, Konzepte zu erstellen, es werden dreistellige Millionenbeträge versprochen und dann wird der Stecker gezogen."

Greulich bezieht sich auf einen Brief Piazolos, der ein paar Tage vor dem Maßnahmenkatalog im Landratsamt eingetrudelt war. Darin empfiehlt der Kultusminister, "neue Maßnahmen zur digitalen Ausstattung von Schulen, für die bislang noch kein Bewilligungsbescheid erteilt wurde, zunächst noch zurückzustellen und insbesondere vorerst keine weiteren Aufgaben zu vergeben". Wie passt das zusammen? Einerseits groß angekündigte milliardenschwere Investitionen in die Digitalisierung an den Schulen und gleichzeitig ein Stopp weiterer Maßnahmen. "Alles ist auf Null gesetzt", bringt Greulich den Widerspruch zwischen Ankündigung und Wirklichkeit auf den Punkt.

Wie kann das sein? Die Mittel aus dem "Masterplan Bayern Digital II" des Freistaats in Höhe von 212,5 Millionen Euro für die Jahre 2018 bis 2020 sind tatsächlich von Schulen, auch aus dem Landkreis München, bereits komplett abgerufen. Der Digitalpakt Schule des Bundes wiederum ist zwar beschlossen, bisher aber ist noch kein Cent von den für Bayern eingeplanten 778 Millionen Euro bei Schulen angekommen. Auf kommunaler Ebene geht zudem die Angst um, der Freistaat könnte sich angesichts der in Aussicht gestellten Bundesmittel von eigenen Investitionen in die digitale Bildungslandschaft verabschieden.

"Dass nun das bayerische Programm für beendet erklärt wurde und stattdessen künftig (ausschließlich) Bundesmittel zum Einsatz kommen sollen, entspricht nicht den bisherigen Ankündigungen", lässt Bernd Buckenhofer, der Geschäftsführer des Bayerischen Städtetages, verlauten. "Dass die seit Herbst 2018 bis 2020 bereitgestellten Landesmittel von 212 Millionen Euro schon jetzt, also im Frühjahr 2019, gebunden sind, zeigt, dass der Bedarf weit darüber hinaus geht und die vom Land vorgesehenen Mittel bei Weitem nicht ausreichen."

Landrat Christoph Göbel (CSU) kritisiert, dass sich die verschiedenen Ebenen - vor allem Bund und Land - bei der Digitalisierung der Schulen "in theoretischen Fragen des Kostenaufwands" verfransten. "Es ist vollkommen klar, dass es um die Frage der Konnexität geht. Wir müssen aber sehen, wo die Grenzen der Konnexität sind", so der Landrat, der warnt: Unabhängig vom Digitalpakt würden nicht unerhebliche Kosten auf die Kommunen und Landkreise zukommen. Denn: "Eine Tafel bleibt eine Tafel, egal ob digital oder nicht. Und die werden wir als Sachaufwandsträger wohl bezahlen müssen."

Er habe durchaus Verständnis für die "beliebte kommunale Position", dass alles, was neu ist, vom Staat bezahlt werden müsse, sagt der Landrat. In der Praxis würden aber gerade Folgekosten an den Kommunen hängen bleiben: "Kommt eine Art digitaler Hausmeister, werden wir den wohl bezahlen müssen." Ismanings Bürgermeister Alexander Greulich warnt angesichts der unklaren Lage vor einem Vetrauensverlust der Bevölkerung in die Politik. "Die Bürger wenden sich doch angewidert ab."

Greulich kritisiert auch, dass der Freistaat die Verantwortung für die Ausgestaltung der Digitalisierung an die Schulen weitergebe. "Es ist überhaupt keine Linie zu erkennen." In seiner Kritik wird Greulich von Landrat Göbel und Städtetagssprecher Buckenhofer bestärkt: "Ich stehe voll hinter der Forderung, dass die Digitalisierung einheitlich sein muss. Das ist beim Lehrplan ja auch so", sagt Göbel. Buckenhofer fordert den Kultusminister auf, ein Konzept für die Digitalisierung der Schulen vorzulegen, "das landesweit gleichwertige Bildungschancen gewährleistet". Den Schulen die Digitalisierung zu überlassen, führe zu einem Flickenteppich, der nichts mit "Bildungsverantwortung" zu tun habe.

© SZ vom 15.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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