Konzertkritik:Von Barock bis Blues

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Das Vivaldi-Orchester Karlsfeld stellt mit seinem Jahreskonzert im Bürgerhaus unter dem vielversprechenden Titel "WasserWerke" einmal mehr seine Vielfältigkeit und sein hohes künstlerisches Niveau unter Beweis

Von Dorothea Friedrich, Karlsfeld

Ein Bühnengemälde, das in allen Wasserfarben changiert, vom zarten Türkis bis zum bedrohlichen Grau, dazu Bilder über Bilder an den Wänden, eine Sound- und Lichttechnik, die einen mal ganz tief abtauchen und dann wieder über den Fluten schweben lässt. Und vor allem: eine Musik, die groovt, rockt und swingt, dass es nur so eine Lust ist.

Nein, wir befinden uns nicht in einem angesagten Club in einem hippen Münchner Szeneviertel, sondern im Bürgerhaus Karlsfeld. Es ist Samstagabend, und das Vivaldi Orchester hat zum Jahreskonzert geladen. Dieses steht heuer unter dem Motto "WasserWerke". Darunter subsumieren die rund 60 Musikerinnen und Musiker - von den jungen Vivaldi-Tigern bis zum großen Orchester - so ziemlich alles, was sich mit ihren Zupfinstrumenten spielen lässt, von Georg Friedrich Händels "Water Music" bis zum Deep Purple-Dauerbrenner "Smoke on Water".

Dirigentin und Orchestergründerin Monika Fuchs-Warmhold hat aber nicht nur ihre Musiker fest im Blick: Von ihr stammt auch das riesige, beeindruckende Bühnenbild. Weil sie beim Dachauer Maler Tadeusz Stupka Malunterricht nimmt, hat der eigens für dieses Konzert etliche seiner "Wasserwerke" ins Bürgerhaus gebracht und sorgt so für Kunstgenuss im Doppelpack. Im Vivaldi Orchester sind viele Talente. Die zu fördern, ihnen eine Bühne zu geben, ist gewissermaßen ein Alleinstellungsmerkmal der Karlsfelder "Vivaldis".

Das Vivaldi-Orchester Karlsfeld. (Foto: Toni Heigl)

So singt Christine Hupfauf "Flow my tears" des elisabethanischen Komponisten John Dowland so melancholisch-traurig, dass man den "schwarzen Vogel der Nacht" förmlich über die Themse fliegen sieht. Ganz andere Gefühle weckt Georg Friedrich Händels "Wassermusik", die der Barockgigant für die Lustfahrten seines Königs George I. auf der Themse komponiert hatte. Seinerzeit bemühten sich Streicher, Hornisten und Flötisten auf einem schaukelnden Boot um den gewünschten Wohlklang. In der Bearbeitung von Martin Ziegenaus produzieren am Samstagabend Mandolinen, Mandolen und Gitarren sowie Flötistin Ulrike Pobel mit fettem Sound ein Stück pure Lebenslust.

Stürmisch geht es bei Antonio Vivaldis "La Tempesta di Mare" zu. Brigitte Rost zeigt mit ihrer Mandoline, dass dieses Instrument durchaus rauere Töne hervorbringen kann.

Multitalent Ziegenaus, im Vivaldi Orchester meist mit seinem Bass im Hintergrund stehend, mag es "Cool & Blue". Mit seinem Saxofon bringt er Caribean Feeling ins Bürgerhaus. Das ist eine gute Einstimmung auf Filmmusik von Hans Zimmer, ohne die bekanntlich Pirat Jack Sparrow höchstens halb so erfolgreich auf seiner Black Pearl herum getänzelt wäre.

Passend zur Musik zeigt der Dachauer Maler Tadeusz Stupka etliche seiner Wasserwerke im Bürgerhaus, darunter befindet sich auch ein Gemälde mit Dirigentin Monika Fuchs-Warmhold im Wasser. Für das Publikum ein doppelter Genuss. (Foto: Toni Heigl)

Eine echte Perle in diesen Wasserwelten der Töne wartet nach der Pause auf das begeisterte Publikum: In "La Légende de Ulisse" erzählt der Musiker und Komponist Francesco Civitareale auf sehr moderne Art die Geschichte des listenreichen Odysseus. Dirigentin Fuchs-Warmhold lässt ihr Orchester zum altgriechischen Tragödienchor mutieren, lässt es vor Sehnsucht nach dem heimischen Ithaka weinen oder die wütenden Wellen peitschen, in denen der Abenteurer fast untergeht. Angelika Tausch und Ralf Hanrieder zitieren Versfetzen aus der Odyssee und machen aus dem viel zu kurzen Werk großes Kino.

Jügen Schieber huldigt auf seinem Xylophon dem Gott des Weins einen ekstatischen "Dance of Dionysus". Julia Warmhold singt "It's raining men". Gitarrist Andreas Froschmayer tauscht das brave schwarze Orchestersakko mit einer Lederjacke und rockt mit E-Gitarre und "Smoke on Water" den Saal. Monika Fuchs-Warmhold rockt auf ihrem Dirigentenpult mit, das ganze Orchester ebenfalls. Da wünscht man sich doch die "helläugige Göttin Athene" aus der Ulisse-Suite ins Bürgerhaus. Denn die "hielt die Nacht am Ende ihres Laufs an, sodass sie lang währte". Doch viel zu schnell ist das Konzert zu Ende.

Als Trostpflaster gibt es noch Johann Strauss' "An der schönen blauen Donau". Ein gelungener Kontrapunkt und typisch Vivaldi Orchester. Denn dieser Abend ist eine gelungene Collage unterschiedlicher Musik- und Kunstrichtungen. Das macht Lust und Laune auf mehr Vivaldi Orchester. Zumal "WasserWerke" wieder einmal das hohe Niveau des Ensembles gezeigt hat. Das gilt auch für den Auftritt der Vivaldi-Tiger. Die jungen Musiker im Alter von zehn bis 18 Jahren sind viel mehr als eine Vorgruppe für den großen Auftritt ihrer erwachsenen Kollegen. Sie sind der hör- und sichtbare Beweis dafür, was musikalische Förderung bewirken kann: nämlich künstlerische und soziale Entwicklung und gelebte Gemeinschaft. In diesem Sinne darf man schon mehr als gespannt sein, was das Vivaldi Orchester sich im kommenden Jahr einfallen lässt. Dann feiert es nämlich sein 50-jähriges Bestehen

© SZ vom 15.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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