Country/Rap:Pferdestärken

Ein Album des schwarzen Rappers Lil Nas X wird aus den amerikanischen Charts verbannt - und die Frage steht im Raum , ob die Country-Szene rassistisch ist.

Von Jan Kedves

Country-Musik ist vor allem das, was man draus macht. So lautet das vorläufige Fazit aus der Kontroverse, die der Hit "Old Town Road" in den USA auslöst. Seit vergangenem Freitag steht er dort an der Spitze der Single-Charts. Gesungen und gerappt wird er von dem 20-jährigen Newcomer Lil Nas X, bürgerlich Montero Lamar Hill. Er stammt aus Atlanta, Georgia, und rappt und singt in "Old Town Road" zu Banjo-Klängen und einem massiv ratternden Trap-Beat, dass er lieber auf einem Pferd reite als einen Porsche zu fahren. Ein raffinierter, simpler Hit, der schon nach dem ersten Hören nicht mehr aus dem Kopf geht, ohne penetrant zu wirken.

Zum kontroversen Hit wurde "Old Town Road", weil der Song Mitte März schon einmal kurzzeitig auf Platz 19 der "Hot Country"-Billboard-Charts stand, aber danach aus den Charts wieder verbannt wurde. "Der Song arbeitet zwar mit Referenzen an Country-Musik und Cowboy-Symbolik, aber er enthält nicht genügend Elemente aus der heutigen Country-Musik, um in seiner aktuellen Version in den Charts vertreten zu sein", so die Begründung des Billboard-Dienstes.

Das war keine gute Idee. Denn abgesehen davon, dass jeder, der "Old Town Road" hört, sofort denkt: "Country!" (bevor der Hip-Hop-Beat einsetzt), ist Lil Nas X schwarz. Und es gibt in den USA eine lange Geschichte der strukturellen Benachteiligung schwarzer Musiker - in dem Sinne, dass weiße Musiker gerne als mutig und innovativ gelobt werden, wenn sie mal rappen oder R&B singen, sprich: wenn sie Dinge tun, die sonst vor allem schwarze Musiker tun. Währenddessen werden schwarze Musiker kritisiert oder des Platzes verwiesen, wenn sie sich mal in Bereiche vorwagen, die gemeinhin als "weiß" gelten.

Ist die Country-Szene also rassistisch? Tja. Immerhin gibt es den Vater von Pop-Superstar Miley Cyrus. Billy Ray Cyrus, 57, ist selbst ein Country-Star - und singt für Lil Nas X in einem Remix von "Old Town Road" schön kratzig den Refrain, und er pfeift am Ende auch wie ein einsamer Cowboy auf seinem Weg in den Sonnenuntergang. Wenn das keine "echte" Country-Musik ist! Während die Billboard-Verantwortlichen ihre Entscheidung, "Old Town Road" in den "Hot Country"-Charts nicht zuzulassen, immer noch nicht revidiert haben, kommt die neueste Wortmeldung von Jett Williams, der 66-jährigen Tochter des 1953 gestorbenen Country-Säulenheiligen Hank Williams. Seine Tochter hörte in einer Sendung des amerikanischen Hörfunk-Verbunds NPR von Lil Nas X und seinem kontroversen Hit und schickte eine E-Mail an die Redaktion: "Mein Vater war der erste Country-Rapper. Er benutzte sein Pseudonym Luke The Drifter, um Spoken-Word-Rezitationen zu veröffentlichen, die damals kritisiert wurden, weil sie nicht 'Mainstream' seien. Die Geschichte der Grenzverschiebungen und Innovationen in der Country-Musik ist lang, zum Glück. Ich gratuliere Lil Nas X dazu, dass er nun Teil dieser Tradition ist." Ja, es kann eben auch ganz einfach sein, wenn man den Cowboys mal die Scheuklappen abnimmt.

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