Kosmetik:Einer der ältesten Beauty-Stores der Welt

Kosmetik: In der "Antica Spezieria" gehen seit Jahrhunderten die gleichen Produkte über den Ladentisch.

In der "Antica Spezieria" gehen seit Jahrhunderten die gleichen Produkte über den Ladentisch.

Rezepturen der Klosterapotheke Santa Maria Novello in Florenz sind heute wieder genauso gefragt wie vor 400 Jahren.

Von Max Scharnigg

Sogar für einen Marketingchef ein selbstbewusster Gesprächseinstieg: "Hier haben schon Dante und Leonardo da Vinci eingekauft!", sagt Gianluca Foà und umfängt mit einer Armbewegung den Stuck an der Decke und den antiken Fußboden der ehemaligen Klosterapotheke. Groß, breitschultrig, elegante graue Schläfen - Foà gäbe selbst einen guten Klosterabt ab. Allerdings ist die Zeit der Mönche in Santa Maria Novella schon länger vorbei, wie er beim folgenden Rundgang erzählt, der eher eine Geschichtsvorlesung wird.

Im 13. Jahrhundert begannen Dominikaner hier aus dem Kräutergarten des Klosters heilsame Tinkturen und Tees für ihre Krankenstation herzustellen. Nicht immer waren sie dabei erfolgreich. Gegen die Pest etwa, die Florenz um 1349 heimsuchte, wuchs kein Mittel. Aber mindestens bei einem der Patienten, einem reichen Kaufmann, war ein Magenmedikament so erfolgreich, dass er den Fratres im Jahr 1334 eine prächtige Kapelle spendierte, die bis heute Teil der Verkaufsräume ist.

Frühe Bestseller der Dominikaner waren nicht nur Naturarzneien, sondern vor allem auch parfümiertes Wasser. Duftende Körperöle waren im Mittelalter zwar bekannt, wurden aber schnell ranzig. Die Mönche in Florenz destillierten stattdessen aus Pflanzen ihres Gartens alkoholische Duftwasser, die zwei Effekte hatten - sie desinfizierten und übertünchten. Aus mediterranen Blumen und Kräutern gewonnene Parfüms sind immer noch ein wichtiger Teil des Sortiments von S. M. Novella, wie sich der Betrieb mittlerweile abkürzt. Genau wie die kuriosen Liköre, die bis heute nach den alten Rezepten entstehen - "Alkermes" zum Beispiel, ein Likör aus Rosen und Orangenblüten, tiefrot gefärbt mit Extrakt aus Schildläusen. Geht es nach Gianluca Foà, wird es der nächste Szene-Aperitif, made in Florenz.

Kosmetik: Der Likör "Liquiriza di Santa Maria"-Likör wird seit 1612 mit Frauenminze hergestellt.

Der Likör "Liquiriza di Santa Maria"-Likör wird seit 1612 mit Frauenminze hergestellt.

Ihre Expertise auf dem Parfümmarkt bescherte den Mönchen einen großen Auftrag: Sie sollten für die Vermählung von Katharina von Medici mit Heinrich von Orléans ein Hochzeitsparfüm entwerfen. Dieses Fest im Oktober 1533 wäre nach heutigen Standards ein Top-Influencer-Event gewesen. Als Parfüm zur Superparty entwickelten die Mönche einen Duft auf Basis von Bergamotte - der auch jetzt noch unter dem Namen Acqua di S. M. Novella zu haben ist. Er machte die Produkte aus Florenz am französischen Hof bekannt und trug mit dazu bei, dass die Dominikaner 1612 einen öffentlichen Laden einrichteten - ungewöhnlich in jener Zeit, dieser Vorläufer der modernen Klostershops.

Heute dürfte die Via Della Scala 16 jedenfalls der einzige Beautystore sein, der prachtvoll restaurierte Fresken und eine gewaltige Kapellenkuppel zu bieten hat und in dem man über 400 Jahre Verkaufserfahrung in Sachen Puder, Peelings und Parfüms hat. Vor allem die asiatischen Kunden sind an diesem Montag im März begeistert von der Mischung aus Sakral und Shopping. Andächtig studieren sie die Produkte, die schlicht aufgereiht sind: ein Tisch mit Parfüms, ein Tisch mit Likören und Tees, eine Theke mit Cremes und Salben, ein Apothekerschrank mit Nahrungsergänzungsmitteln, Pastillen, Riechsalzen und armenischem Papier. Die Kundschaft flüstert, die Schritte hallen, fast möchte man eine Kerze anzünden - die Duftkerzen hier sind allerdings deutlich teurer als in einer Kirche.

Auf die Idee, dass es sich bei der Officina Profumo Santa Maria Novella heute um eine expandierende Kosmetikfirma mit 80 Geschäften weltweit handelt, käme man vor Ort nicht unbedingt. Tuben und Gläser könnten für einen Historienfilm verwendet werden, die handgefalteten Verpackungen tragen schwere Fraktur und Wappen. Diese Atmosphäre macht klar - wer hier kauft, kauft mehr als die Summe der Inhaltsstoffe. Je nach Veranlagung glaubt man entweder an die erprobte Heilkraft ehrwürdiger Tinkturen. Oder gleich an ein bisschen alchemistischen Zauber in Rezepten, die von einem Apothekenmönch zum anderen weitergegeben wurden. Ein wenig "Name der Rose", ein wenig Quacksalberei und viel Tradition - dieser Mix öffnet die Geldbeutel. Das hatte schon Manufactum erkannt, als es früh in seinen Katalogen die Rubrik "Gutes aus Klöstern" einführte, in der es heute von der echten Benediktinersandale bis zur eingedosten Erbsensuppe fast ein Vollsortiment an Dingen mit irgendwie himmlischem Beigeschmack gibt.

Catherine Deneuve warb bei einflussreichen Freunden für die exzentrischen Produkte

Im Falle von S. M. Novella war es mit dem Segen von oben schon 1866 vorbei. Damals konfiszierte die Regierung Kirchengüter, die Dominikaner waren ihren Laden los. Immerhin wurde mit Cesare Stefani damals ein Neffe des kirchlichen Apothekenleiters Nachfolger; die Familie Stefani leitete die alte "Farmaceutica" dann vier Generationen im Sinne der klösterlichen Gebote weiter - als schrumpfendes Nischengeschäft. Im Jahr 1989 gab es nur noch zwei Angestellte und ein paar Stammkunden. Darunter eine gewisse Catherine Deneuve, die den neuen Inhaber darin bestärkte, die Sache größer aufzuziehen, und es selbst in die Hand nahm, bei einflussreichen Freunden für die exzentrischen Produkte zu werben. Nach Heinrich von Orléans war es also abermals eine "french connection", die Schwung in die alte Apotheke brachte.

Kosmetik: Die Hauspastillen sind ebenfalls ein Klassiker im Sortiment.

Die Hauspastillen sind ebenfalls ein Klassiker im Sortiment.

Für den aktuellen Boom ist aber weniger die Deneuve als eher die hiesige Sturheit verantwortlich - trotz modernisierter Abläufe und erweiterter Produktpalette verzichtet man immer noch auf chemische Inhaltsstoffe, die regionale Botanik ist wie früher das Maß aller Dinge. Deswegen ist auch Melanie dal Canton irgendwann in das ehemalige Kloster gekommen. Sie betreibt einen hippen Kosmetikshop in Prenzlauer Berg und wurde die einzige Vertreterin für S. M. Novella in Deutschland, vergangene Woche öffnete sie den ersten Shop in München. "Viele Kunden sind heute gut aufgeklärt und schauen kritisch auf Zusatzstoffe. Denen kann man das Konzept der Klosterapotheke sehr schnell begreiflich machen", sagt sie.

Zehn Taximinuten nordwärts von der Via Della Scala liegt die Produktion. In den kleinen Hallen riecht es nach Lavendel, Rosen und warmem Wachs. Kerzen trocknen, es werden Seifen gemacht und von Hand mit Blüten versehen. Auch wenn die Rezepturen seit Jahrhunderten unverändert sind, werden sie natürlich auf aktuelle dermatologische Standards überprüft. Trotzdem wirken manche Vorgänge noch archaisch, gerade geht es etwa um Iriswurzeln. Davon muss mühsam eine Tonne gesammelt werden, aus der in Handarbeit ein Liter Essenz gepresst wird. Der ganze Vorgang koste etwa 30 000 Euro, schätzt Gianluca Foà, ein Wahnsinn eigentlich. Aber sie benötigen dann nur 0,01 Prozent des Extrakts pro Parfümflakon, so intensiv ist der Irisduft. "Es dauert sehr lange, aber am Ende zahlt sich die Mühe aus", sagt Foà. Und das ist eigentlich auch die Kurzform der Unternehmensgeschichte.

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